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Fairplay zum BundesligastartLächerliche Illusion

40 Gelbe Karten und eine Rote Karte trotz der neuen verpflichtenden Handshake-Dialoge vor Spielbeginn. Wie konnte das nur passieren?

Unzufrieden: Sandro Wagner lässt seinem Unmut freien Lauf Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

F ür eine Bilanz mag es am ersten Spieltag noch ein wenig zu früh sein. Aber einen unmittelbar zivilisierenden Einfluss auf den kampfbetonten deutschen Erstligaalltag hat die Einführung des „Handshake-Dialogs“ augenscheinlich nicht gehabt.

Sieben dieser Handschüttel-Gespräche vor Spielbeginn zwischen Schiedsrichtergespann, Trainern und Kapitänen beider Teams, die nach Vorstellung der DFL und des DFB künftig dem Austausch und respektvollen Miteinander im Sinne des Fair Play dienen sollen, hat es bereits am Samstag gegeben.

Die Ergebnisse, die diese Unterredungen offenbar hervorgebracht haben, lassen einen nur resigniert den Kopf schütteln. 40 Gelbe Karten in sieben Partien sind schließlich nicht gerade wenig. Geschimpft, gemeckert, getreten, geschauspielert wurde zudem wie eh und je, als ob es all die mahnenden Worte und Bekenntnisse zum Fair Play 70 Minuten vor Anpfiff nicht gegeben hätte.

Wer hätte das für möglich gehalten? Braucht es jetzt etwa noch Nachbesprechungen? Eine knackige Gesprächstherapie mit dem Dortmunder Filippo Mané vielleicht, in der 70 Minuten nach Abpfiff aufgearbeitet werden könnte, wie es nur zur Roten Karte kommen konnte. Was ihn nur getriggert hatte, einen Torschuss von St. Pauli mit einem völlig gemeinen Foul zu unterbinden?

Berserker an der Seitenlinie

Und war Trainer Sandro Wagner vom FC Augsburg nicht selbst vorab am Handshake-Gespräch beteiligt, um sich dann später wie ein Berserker an der Seitenlinie zu gebärden, weil er sein Team ungerecht behandelt sah, was ihm wiederum eine Gelbe Karte einbrachte?

Um die Absurdität dieser Hand­shake-Dialoge zu erkennen, die in den drei Männer-Profiligen nun obligatorisch sind, hätte es eigentlich keines Praxistests bedurft. Die DFL und der DFB sind damit beschäftigt, die Illusion einer heilen Welt des Für- und Miteinanders nach außen zu verkaufen, während etwa in der ersten DFB-Pokalrunde sich der gesellschaftlich immer offenkundiger werdende Rassismus sich auch im Stadion deutlich bemerkbar gemacht hat. An solchen Stellen könnten die Verbände wirkungsvollere Zeichen setzen, um zu zeigen, wie wichtig ihnen der respektvolle Umgang aller miteinander ist.

Also weg mit diesen Benimm-Gesprächen, in denen Sportler und Trainer zu kleinen Schülern gemacht werden, denen das Regelwerk noch einmal mit mahnendem Finger in Erinnerung gerufen wird. Am besten sofort. Alles andere ist letztlich respektlos.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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