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Cultural AppreciationEndlich wieder Fast Food essen können

Der andere Körper als Erkenntnisraum. Was verraten eigentlich Bodyswitch-Filme über unsere Vorstellungen von Alter, Gender und Status?

Jamie Lee Curtis als Tess Coleman Lindsay Lohan als Anna Coleman in „Freakier Friday“ Foto: Glen Wilson/2025 disney enterprises

E ine der ersten Körpertauschstorys endet so tragisch wie spirituell: In der Kurzgeschichte „Avatar“, 1856 geschrieben von Théophile Gautier, hilft ein mysteriöser, „indisch“ ausgebildeter Quacksalber einem unglücklich verliebten Mann durch eine kleine Seelenwanderung dabei, dessen Körper mit dem des Ehemanns der Angebeteten zu tauschen.

Die Dame ist zunächst erstaunt, dass ihr Gatte ihr plötzlich – wie früher – andauernd an die Wäsche will. Den sich im falschen Körper befindlichen Ehemann dagegen freut das weniger, und er fordert ein Duell. Das führt zu einem überzeugenden und sehr speziellen Dilemma, denn keiner der beiden Männer möchte den Leib des anderen und damit seine alte Hülle verletzen. Am Schluss kehrt die Seele des Ehemannes in den eigenen Körper zurück, und das geläuterte Paar legt die „marital problems“ bei.

Die Seele des Neben­buhlers jedoch ist derartig untröstlich, dass sie beschließt, körperlos und ewig traurig zu bleiben. Bodyswitch ist ebenfalls Thema in einer im Jahr 1929 erschienenen Pulp-Science-Fiction-Geschichte des Fantasy-Autors Otis Adalbert Kline – er ließ seinen menschlichen Helden mit einem Venusbewohner die Gestalt tauschen, was im Ende der Sklaverei und in Frieden auf dem Abendstern, gar in einer glücklichen Ehe mit einer netten Venusianerin mündet.

In Thorne Smiths Roman „Turnabout“ von 1931 tauschten (mithilfe einer ägyptischen Skulptur namens Mr. Ram) endlich auch einmal ein Mann und eine Frau – beide erfahren dabei einiges darüber, was wirklich im vermeintlich einfacheren Leben des Gatten beziehungsweise der Gattin abgeht.

Mary Rodgers war von „Turnabout“ beeinflusst

Die Autorin Mary Rodgers wurde nach eigenen Angaben von „Turnabout“ beeinflusst, als sie 1972 ihr Buch „Freaky Friday“ schrieb: Hier sind es Mutter und Tochter, die durch den Bodyswap Verständnis für die Aufgaben, Gefühle und Alltagswidrigkeiten der anderen lernen.

1976 wurde das Buch von der Walt Disney Company mit Jodie Foster als Tomboy-Tochter und Barbara Harris als Big-Hair-Perücken tragende Mutter verfilmt – die eine lernt, dass das bisschen Haushalt doch ganz schön schwer ist; die andere wird beim Hockey von der ehrgeizigen gegnerischen Mädchenmannschaft (im sportlichen Sinne) rasiert.

Inzwischen gibt es international an die 100 Filme mit ähnlichem Plot. Nisha Ganatras aktuelle Filmkomödie „Freakier Friday“, die Disneys dritte Rodgers-Adaption und die Fortsetzung des 2003 mit identischen Hauptdarstellerinnen (Jamie Lee Curtis als Tess und Lindsey Lohan als Anna) herausgekommenen „Freaky Friday“ darstellt, gehört also zu einer langen Tradition. Dieses Mal tauschen gleich vier Menschen wild durcheinander, zur Abwechslung mithilfe einer dilettantischen Wahrsagerin: Anna und ihre Teenagetochter sowie Tess und die Teenagetochter von Annas Verlobten.

Die neueste Variante des „Try walking in my shoes“-Topos präsentiert demnach viermal Erkenntnisgewinn, doppelt soviel Gen-Z-Power und jede Menge kreischende Kommentare zu Frauenkörpern, von „Wie uralt ich aussehe!“ über „Wo ist mein Hintern hingerutscht!?“ bis hin zu „Mein Metabolismus ist so schnell, dass ich endlich wieder ohne Ende Fast Food essen kann!“

Freakier Friday. Regie: Nisha Ganatra. Mit: Jamie Lee Curtis; Lindsay Lohan; Julia Butters; Sophia Hammons; Manny Jacinto; Mark Harmon, USA 2025, 111min

Auch „Freakier Friday“, dessen lustvoll-überkandideltes Spiel die konventionelle Grundstruktur nur mäßig verdecken kann, regt zum Nachdenken darüber an, mit wem man gern tauschen würde: Mit jemandem, der einem nahesteht wie die Tochter oder die Mutter, um konkrete Konflikte besser zu begreifen und zu lösen?

Mit einer Person eines anderen Geschlechts oder einer anderen Ethnie, um zu erleben, wie es als Frau, als Mann, als Person of Color, als Wei­ße:rin dieser Welt ist? Mit einer Venusianerin, weil das am abgefahrensten wäre? Oder doch lieber mit einem Hund, oder gleich einem Wolf, weil Wölfe ein sorgloses, freies, von animalischen Trieben gesteuertes Leben führen? Klingt eigentlich alles spitze. Wichtig wäre nur, nicht mit einem Problemwolf zu tauschen.

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