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Zum Zuge kommen

Fast eine Million Menschen pendeln in Schleswig-Holstein jeden Tag mit Rad und Bahn zur Arbeit. Der ADFC hat die Bahnhöfe getestet: ein Drittel ist ungenügend oder mangelhaft

So soll ein Fahrradparkplatz am Bahnhof aussehen: Lübeck hat schon vor ein paar Jahren in die Infrastruktur investiert Foto: Carsten Rehder/dpa

Von Esther Geißlinger

Ein Ungenügend gibt es für den Kieler Hauptbahnhof, das Ostseebad Eckernförde schneidet dagegen mit einer glatten Eins ab: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat die 180 Bahnhöfe in Schleswig-Holstein auf ihre Rad-Freundlichkeit getestet. Im Vergleich zur ersten Auswertung 2023 hat sich die Lage an vielen Orten verbessert. Aber ein knappes Drittel schneidet mit einer Fünf oder Sechs ab.

„Umsteiger“ heißt das Fahrradparkhaus direkt am Kieler Hauptbahnhof. 600 bewachte Parkplätze, dazu Radverleih, Reparaturen und Inspektionen – es klingt, als hätte die Landeshauptstadt alles richtig gemacht. Im Ranking des ADFC steht unterm Strich aber nur eine Fünf. „Bei rund 23.600 Personen, die jeden Tag in Kiel ein- und aussteigen, reichen 600 Plätze im Parkhaus und weitere rund 200 auf der Freifläche einfach nicht aus“, erklärt Jan Voß, Landesgeschäftsführer des ADFC. Zum zweiten Mal sind die Mitglieder des Vereins ausgeschwärmt und haben alle Bahnhöfe des Landes bewertet. Neben der Zahl der Rad-Stellplätze ging deren Qualität in die Note ein: Feste Bügel bringen mehr Punkte als die Abstell­anlagen, in die nur das Vorderrad eingeklemmt werden kann.

Wichtig ist, wie im Fall Kiel, wie viele Menschen den Bahnhof nutzen, ob sie dort nur umsteigen oder ob es ihr Start- oder Zielbahnhof ist. Die Zahlen bekam der ADFC vom Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein, abgekürzt Nah.sh, der im Auftrag des Landes den Bahnverkehr in Schleswig-Holstein organisiert. Nah.sh hat ein eigenes Konzept für Bike+Ride-Anlagen entwickelt, in rund 40 Kommunen stehen die Mini-Parkhäuser bereits. Sehr empfehlenswert, findet Jan Voß: „Es gibt ein einheitliches Design mit einem Modulsystem, es braucht keine Ausschreibung – das ist ein niedrigschwelliges Angebot für die Kommunen.“

Dieses Angebot hat unter anderem Eckernförde angenommen. Das Ostseebad gehört damit zu den Sieger-Städten der ADFC-Auswertung: Im Jahr 2023 schnitt die Stadt mit Note Fünf ab, jetzt gab es eine Eins. „Das ist ein schönes Beispiel einer mittelgroßen Stadt, die investiert und damit ihren Bahnhof deutlich aufgewertet hat“, lobt Voß.

Damit ist Eckernförde nicht allein: Im Vergleich zum ersten Bahnhofs-Test haben sich viele der Stationen verbessert, lautet das Fazit des ADFC. „Das zeigt, dass die Kommunen das Thema Fahrradparken zunehmend ernst nehmen“, sagt Stephanie Meyer, Landesvorsitzende des ADFC Schleswig-Holstein.

Doch in das Lob mischt sich auch Kritik: Rund 30 Prozent der getesteten Bahnhöfe bieten laut der Untersuchung nur ungenügende oder mangelhafte Abstellmöglichkeiten. 29 Bahnhöfe verfügen über gar keine guten Stellplätze.

Viele Städte haben zwar gute und gesicherte Rad-Stellplätze, aber davon viel zu wenige

Eine mangelhafte Bewertung erhielten viele der größeren Städte, darunter Flensburg, Schleswig, Rendsburg, Neumünster und Itzehoe. Alle haben zwar einige gute und gesicherte Rad-Stellplätze, die meisten aber deutlich zu wenig im Vergleich zu ihrer Größe. In Neumünster etwa steigen täglich rund 15.200 Menschen ein und aus, Radplätze finden sich nur 344. Allerdings haben diese Städte auch vergleichsweise gute Busnetze – dieses Kriterium habe der ADFC nicht einbezogen, sagte Voß auf Nachfrage.

Insgesamt pendelt fast eine halbe Million Menschen in Schleswig-Holstein über Kreis- und Landesgrenzen täglich per Bahn zur Arbeit. Dank E-Bike könnten viele von ihnen aus einer Entfernung von bis zu zehn Kilometern mit dem Rad zum Zug kommen. „Aber nur, wer sein Rad am Ende des Tages unbeschädigt wiederbekommt, nutzt es auch für die Fahrt zum Bahnhof“, sagt Stephanie Meyer. Sichere und komfortable Abstellanlagen seien daher essenziell.

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