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Frauenfußball und KulturWir kicken nicht wie ihr

Frauenfußball ist nicht einfach Fußball von Frauen. Er ist ein anderer Fußball. Einer, der sich seine Räume erkämpfen musste.

Ein schwedisches Frauenteam 1951 beim Training Foto: Imago/Imagebroker

Der Frauenfußball hat eine eigene Kultur hervorgebracht hat: solidarischer, offener, emotionaler. Und genau deshalb darf er nicht zum Abklatsch des Männerfußballs werden. Wer nur über Gehälter, TV-Rechte und Professionalisierung spricht, übersieht das Wesentliche: den kulturellen Wert dieses Sports – für Spielerinnen, für Fans, für die Gesellschaft.

Fußball war zunächst Männersache. Schnell wurde er zum Massensport und irgendwann zum milliardenschweren Spektakel. Der Frauenfußball musste sich seinen Raum gegen massiven Widerstand erkämpfen – von Anfang an. In (West)-Deutschland hatte der DFB 1955 den Frauenfußball verboten – bis 1970: „Dieser Kampfsport ist der Natur des Weibes im Wesentlichen fremd.“ Statt mit TV-Geldern und Großsponsoren wuchs der Frauenfußball mit einer starken, solidarischen Community. Er entstand nicht als Massenprodukt, sondern als Gegenkultur. Das prägt ihn bis heute.

Der Frauenfußball ­empowert. Mädchen, die kicken, hören oft früh, das sei nichts für sie. Sie werden als Lesben oder „Mannweiber“ beschimpft – einfach nur, weil sie Fußball spielen. Und trotzdem machen sie weiter. Warum?

Unsere Kultur ist verletzlicher, vielfältiger – und vielleicht stärker

Weil sie beim Fußball eine Schwelle überschreiten. Sie betreten einen Raum, in dem diese Zuschreibungen keinen Sinn mehr ergeben. In dem sie erleben: Die Beleidigungen kommen von draußen – aber nicht von hier. Auf dem Platz, in der Kabine, im Team erleben sie ein anderes Miteinander. Der Frauenfußball wird so zu einem Raum, in dem schon Kinder lernen: Diese vermeintlichen Abwertungen sagen nichts über mich – aber viel über die, die sie benutzen.

Der Frauenfußball schafft, was der Männerfußball bis heute nicht schafft: Er bietet vielen ein Zuhause, die sich im Mainstream-Fußball nicht sicher fühlen. Während im Männerfußball oft die Angst mitspielt – vor Homofeindlichkeit, vor toxischer Männlichkeit, vor Gewalt – wird der Frauenfußball mit anderen Werten verbunden: Respekt, Solidarität, Gemeinschaft.

Es geht nicht um mehr Geld, häufigere Siege und das Niedermachen der Anderen

Und ja, der Männerfußball schaut sich inzwischen manches ab. Die Regenbogenbinde etwa, die in manchen Amateurmannschaften selbstverständlich getragen wird – obwohl sie noch immer Diskussionen auslöst. Was im Frauenfußball gelebter Alltag ist, bleibt bei den Männern oft nur eine Geste.

Der Umgang in den Kabinen ist bei den Frauen oft schon in der Jugend offen und mit wenig Scham besetzt. Hier wird nicht nur über Taktik gesprochen, sondern über alles: über Verletzungen, über Liebeskummer, über das Leben. Mütter bringen ihre Babys mit zur Teambesprechung. Spielerinnen kämpfen sich nach Schwangerschaften zurück an die Spitze. Das alles ist Teil der Kultur.

Und während Männer über „professionellere Bedingungen“ im Frauenfußball sprechen, merken sie oft nicht, dass sie mit „professionell“ eigentlich meinen: so wie bei uns. Mehr Druck, mehr Geld, mehr Kommerz. Aber genau das ist der Punkt: Wenn der Frauenfußball wird wie der Männerfußball, verlieren wir, was uns ausmacht.

Denn worum geht es eigentlich im Fußball? Um Emotionen, klar. Aber nicht um die Art von Emotionen, bei der sich Tausende Männer Bier über die Schultern kippen, Pyros zünden und dem gegnerischen Team „auf die Fresse“ geben wollen. Das ist kein emotionaler Ausdruck – das ist eine Kultur der Verrohung.

Unsere Emotionen sehen anders aus. Wir diskutieren mit Vereinsvorständen, damit wir überhaupt Bälle gestellt bekommen. Wir kämpfen seit Jahren um Räume, Trainingszeiten, Anerkennung. Und in all dem haben wir eine Fußballkultur aufgebaut, die verletzlicher, vielfältiger – und vielleicht gerade deshalb so viel stärker ist.

Ich will nicht werden wie Männer. Und Männer, die uns erklären wollen, wie wir Fußball zu spielen haben, denen sage ich: Ihr macht unseren Sport kaputt.

Dieser Text ist im Rahmen eines Workshops der taz Panter Stiftung für Nachwuchsjournalistinnen im Sport entstanden.

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6 Kommentare

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  • Sollte es etwa doch ein richtiges Leben im falschen geben?

    Es ehrt Wiebke Howestätt natürlich, dass sie nicht „wie Männer [werden]“ will. Nur hat Ehre selten mit Vernunft zu tun.

    „Die Männer“ gibt so wenig, wie es „die Frauen“ gibt. Es gibt nur ein „System“, in dem die Prioritäten eindeutig sind. Ein „System“, dem sich ohne Murren unterwerfen muss, wer davon profitieren will, und sei es auch nur dadurch, dass er/sie/es kostenlose Bälle und einen bespielbaren Platz zur Verfügung gestellt bekommt.

    Den FRAUEN-Fußball gegen den MÄNNER-Fußball in Stellung zu bringen, ergibt keinen Sinn. Es ist der PROFI-Fußball, der aus einem Spiel ein Geschäft macht und aus Solidarität Egoismus. Männer, die Frauen erklären wollen, wie sie Fußball zu spielen haben, erklären ihnen im Grunde nur, wie „man“ mit Fußball Geld verdient. Warum? Weil Geld und Männer angeblich zusammen gehören wie Fuß und Schuh. Mit Sport hat das alles nur noch am Rande zu tun.

    Frauen mit dem Wort „unser“ einschwören zu wollen auf einen Sport abseits der Gier, wird „den Frauenfußball“ bestenfalls spalten: in Profis und Laien. Und wem nützt das? Genau: Denen, die immer schon wussten, dass Frauen geschäftsschädigend wirken.

  • "Der Frauenfußball hat eine eigene Kultur hervorgebracht hat: solidarischer, offener, emotionaler."

    Sehe ich anders.

    Zum einen nähert sich der Frauenfußball mit zunehmender Professionalisierung den männlichen Umgangsformen auf dem Platz an. Ich sehe auch nicht weniger Emotion beim Männerfußball (Hass ist übrigens auch eine Emotion).

    Zum anderen sind diese offenen und solidarischen Umgangsformen eher ein Zeichen dafür, dass der Sport nicht so weit verbreitet ist.



    Man kann immer beobachten, wie neue Sportarten sich zunächst in einem kulturell aufgeschlossenen, häufig akademischen, Umfeld verbreiten, um dann mit steigender Beliebtheit, vom Arbeitermilieu dominiert zu werden inkl. dessen Macho-Kultur.

    Ein Beispiel ist der Fußball in den USA. Weil er dort als Frauensport gilt/galt, ist er dort in der nicht-hispano (nicht-migrantischen) Gesellschaft mit einem höheren Akademiker-Anteil verbunden als die etablierten Massensportarten der USA...

  • Zu wünschen wäre es, der Sog des Kapitals zieht allerdings unerbittlich. Umgekehrt würde unter einer generellen Abkehr vom Profifußball natürlich die Qualität leiden.

  • Gute alte Zeit, die hier beschworen wird. Und ich habe sie gemocht, vor allem die Spielerinnen der goldenen Generation. Aber mit der Heimpleiten-WM 2011 und spätestens mit dem Abgang von Silvia Neid nach Olympiagold 2016 ist die im Artikel beschriebene Welt im querfinanzierten professionellen Frauenfußball untergegangen (die Basis ist eine andere Geschichte). Der Rückblick aber bitte immer mit Freude, nicht mit Bitterkeit.

    • @FancyBeard:

      Als hätten sie den Artikel nicht gelesen, weisen sie auf eine Pleite, Finanzierungsmodell und den Abgang eines Aushaengeschildes hin, um den Kulturwandel abzuhaken.

      • @Höhlen!=:

        Ich schrieb nicht umsonst, dass es an der Basis auch noch weiter so ist, wobei mir auch Freizeitfrauenfußballteams mit großen Konflikten bekannt sind. Aber man betrachtet einen Sport eben von der Krone, also den Profis, bis zur Wurzel, den kleinen Vereinen. Und an der Spitze ist die Zeit der alternativen Fußballwelt unwiederbringlich vorbei.