Afrika-Cup der Frauen: Der König will Siege sehen
Zeitgleich zur Frauen-EM findet in Marokko der Afrika-Cup statt. Dort wird massiv in den Fußball investiert. Das Heimteam steht unter großem Druck.

Unhaltbar schlug die Kugel ein zum 2:2 – die Gastgeberinnen hatten sich gegen einen der Mitfavoriten immerhin noch einen Punkt gesichert. „Wir sind Marokko. Wir geben nicht so schnell auf“, versicherte Marokkos Stürmerin Sakina Ouzraoui später. „Wir haben jetzt noch zwei Gruppenspiele, die wollen und werden wir beide gewinnen“, meinte sie.
Während in der Schweiz die europäischen Topteams um die Europameisterschaft kämpfen, treffen sich in Marokko aktuell die besten Teams vom afrikanischen Kontinent, um den dortigen Meister zu ermitteln. Für die Gastgeberinnen ist klar: Der Titel muss her. 2022, beim letzten Afrika-Cup, unterlagen Marokkos Frauen erst im Finale gegen Südafrika. 1:2 hieß es damals, es war eine herbe Enttäuschung. Denn auch damals fand der Cup schon in Marokko statt und die Gastgeberinnen waren eigentlich mit dem klaren Auftrag gestartet, den Pokal zu gewinnen.
Was damals nicht klappte, ist diesmal beinahe Pflicht. Zumindest aus Sicht der Marokkaner. Der Aufwand, der in den letzten Jahren betrieben wurde, um Marokkos Teams an die Spitze des afrikanischen Fußballs zu katapultieren, ist enorm. Die Millionen an Dollar zu zählen, die investiert wurden, fällt gar nicht mehr so leicht.
Königliche Pläne
Los ging das Ganze vor 15 Jahren. Da wurde von der marokkanischen Regierung – auf Geheiß des Königshauses höchstpersönlich – ein Förderprogramm implementiert, das einzigartig in Afrika ist. Seinerzeit wurde in Sala Al Jadida, einem Vorort Rabats, mit der Mohammed VI Football Academy ein Trainingszentrum modernster Prägung eröffnet. Auf einer Fläche von 2,5 Quadratkilometern entstanden auf königliche Kosten beste Ausbildungsbedingungen für 50 Nachwuchsfußballer und -fußballerinnen.
Die Akademie ist baulich an das marokkanische Kulturerbe angelehnt. Die Form ähnelt einem traditionellen Douar mit einem zentralen Dorfplatz, der von fünf Gebäuden umgeben ist. Jedes Gebäude erfüllt dabei eine bestimmte Funktion: Unterkunft, Bildung, medizinische Einrichtung und Kantine. Eine Schule mit zehn Klassenräumen sowie einem Sprach- und Informatikraum bietet ein dreistufiges Programm für die Auszubildenden an. Das Lehrangebot der Akademie wird dabei vom Kultusministerium unterstützt.
Eingebettet in die Anlage wurden vier nach Fifa-Richtlinien erbaute Stadien, sowie ein Kunstrasenfeld, ein Kleinfeld, vier Umkleideräume und ein spezieller Trainingsbereich für Torhüter. Alles ist nach modernsten Anforderungen eingerichtet: Das medizinische Zentrum besteht aus einer Klinik, einer Praxis für Physiotherapeuten und einem sogenannten „Balneotherapie-Pool“. Hier wird Wasser aus heißen Quellen zur Thermaltherapie bei ausgelaugten Sportlern genutzt.
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Die ersten Auszubildenden wurden 2010 aus der Region rund um Rabat zusammengezogen und fortan gezielt gefördert. Zudem wurde das Gelände als permanenter Campus für Trainingslager der Männer- und Frauen-Nationalmannschaft genutzt. Ähnliche Anlagen entstanden anschließend bis 2015 in Agadir, Tanger und Saidia.
Turniergastgeber Marokko
Systematische Förderung nennt man so etwas. Parallel dazu hat sich Marokko als Ausrichter großer Fußballveranstaltungen beim Fußballweltverband Fifa angedient. Nachdem 2013 und 2022 die Klub-WM im Königreich stattfand, bekam Marokko den Zuschlag für die Ausrichtung gleich der nächsten fünf U17-Weltmeisterschaften der Frauen (2025 bis 2029). Die Krönung: Nach fünf vergeblichen WM-Bewerbungen erhielt das Land den Zuschlag für die WM 2030 (gemeinsam mit Spanien und Portugal).
Für den afrikanischen Fußballverband CAF entwickelte sich das Königreich zuletzt beinahe zu einem ständigen Gastgeber. 2018 war man Gastgeber für den CHAN, den Afrika-Cup für auf dem Kontinent verbliebene Spieler. Es folgte das Finalturnier der Champions League der Frauen (2022), des Afrika-Cups der Frauen (2022), der U23-Männer (2023) und schließlich jetzt die erneute Ausrichtung des Afrika-Cups der Frauen. Und im kommenden Winter (21. Dezember bis 18. Januar) werden dann die besten Männerteams beim Afrika-Cup zu Gast sein.
Das alles ist nur möglich, weil Geld im Moment scheinbar keine Rolle spielt, sobald es um Fußball geht. Allein für das gigantische neue Stadion in der Nähe Casablancas, das zur WM 2030 115.000 Zuschauern Platz bieten soll, werden Kosten um die 500 Millionen Dollar veranschlagt. Parallel dazu werden gerade 45 Stadien und Trainingsanlagen erweitert oder renoviert. Das Land plant zudem seine Flughafenkapazität in den nächsten viereinhalb Jahren von 38 Millionen (2024) auf 80 Millionen Passagiere zu erweitern. Gleichzeitig soll der Hochgeschwindigkeitszug zwischen Marrakesch und Agadir in Betrieb genommen werden.
Enorme Anstrengungen, die auch zum nicht unbeträchtlichen Teil von der Bevölkerung mitgetragen werden müssen: Besserverdienende in Marokko werden mit 37 Prozent besteuert. Kritik ist in Marokko nicht gern gesehen. Amnesty International weist immer wieder auf die eingeschränkte Meinungsfreiheit im Land hin.
Aber klar: In der königlichen Regierung will man jetzt auch Erfolge sehen. Rang vier bei der Männer-WM in Katar 2022 war so etwas wie ein erster Triumph. Eine Art mentaler Türöffner. 2023 gewann die U23-Auswahl den Afrika-Cup. Und als kürzlich die erste Futsal-Afrikameisterschaft der Frauen ausgetragen wurde – natürlich auch in Marokko – triumphierte das Gastgeberteam im Finale mit einem 3:2-Sieg über Tansania.
Der König höchstselbst gratulierte zum Sieg in der Fußball-Hallenvariante mit markigen Worten. „Es erfüllt uns mit Stolz, dass unsere vielversprechende Mannschaft die Ehre hatte, die erste Ausgabe dieser Afrikameisterschaft zu gewinnen“, ließ Mohammed VI übermitteln. Das siegreiche Team wird bei der kommenden Futsal-WM im November auf den Philippinen dabei sein.
Fehlende Leichtigkeit
Beim aktuellen Afrika-Cup der Frauen hat das marokkanische Team offensichtlich Probleme, mit dem Druck umzugehen. Es fehlt bislang die Leichtigkeit. Nach dem Auftakt-Remis gegen Sambia gelang im zweiten Match gegen Außenseiter DR Kongo zwar ein 4:2-Sieg. Aber es war ein schweres Stück Arbeit. Nach frühem Rückstand glich Marokko aus und ging in Führung, doch 20 Minuten vor Ende stand es auch hier nur 2:2, ehe es wieder Ghizlane Chebbak war, die mit zwei späten Toren für den ersehnten Sieg sorgte.
Die bereits 35-Jährige, die seit vergangenem Sommer beim spanischen Erstligisten FC Levante Badalona unter Vertrag steht, ist sozusagen das weibliche Gesicht des marokkanischen Fußballs. Ihr verstorbener Vater war marokkanischer Nationalspieler und gehörte zu der Mannschaft, die 1976 den einzigen Afrika-Cup für die Atlas Lions gewann. Er war auch der größte Förderer seiner Tochter, als sie sich entschloss, Fußball zu spielen.
Die meisten von Chebbaks Teamkolleginnen spielen aber noch in der Heimat, den Großteil des Teams stellt Marokkos Serienmeister AS FAR. Das Team aus Rabat holte sich in der abgelaufenen Saison den 12. Meistertitel, den zehnten dabei in Folge.
Als das Team 2022 die Champions League gewann, wurde Stürmerin Fatima Tagnaout zur Spielerin des Turniers ernannt. Die 26-Jährige ist jetzt auch beim Afrika-Cup für das Nationalteam dabei – aber gerade die begnadete Dribblerin, auf die enorme Hoffnungen gesetzt wurden, wirkt bislang seltsam gehemmt. Nationaltrainer Jorge Vilda hat es bislang noch nicht geschafft, seinem Team die Hemmungen zu nehmen.
Vilda ist im Frauenfußball beileibe kein unbeschriebenes Blatt. 2023 gewann er mit seinem Heimatland Spanien zwar die Weltmeisterschaft, hatte zuvor aber jede Menge Ärger überstehen müssen. Im September 2022 waren gleich 15 spanische Nationalspielerinnen aus Protest gegen Vildas Trainingsmethoden in Streik getreten.
Bei Spanien musste er nach dem WM-Titel dann gehen. In Folge des Kuss-Skandals um Luis Rubiales habe er die Betroffene Jennifer Hermoso zu überreden versucht, Rubiales zu entlasten, lautete der Vorwurf. In Marokko nahm man den 44-Jährigen mit Kusshand. Die Hoffnung auf sportlichen Erfolg zerstreuten jeden Zweifel.
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