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Britisch-französischer FlüchtlingsdealMacron als Starmers Türsteher

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die gute Nachricht: Großbritannien muss Möglichkeiten zur legalen Einreise für Schutzsuchende schaffen. Aber Skepsis ist angebracht.

Emmanuel Macron: Nun wird Frankreich gewissermaßen zum Türsteher Großbritanniens Foto: Alberto Pezzali/AP

G eht doch: Keir Starmer und Emmanuel Macron haben sich auf Rücknahmen von illegal über den Ärmelkanal aus Frankreich nach Großbritannien eingereisten Flüchtlingen geeinigt. Früher hieß es aus Paris zu entsprechenden Londoner Forderungen immer: Da müsst ihr Brüssel fragen. Jetzt wird gehandelt, und das ist gut – auf den zweiten Blick.

Denn dass Menschen für viel Geld und unter Lebensgefahr in See stechen und dann wieder an ihren Ausgangsort zwangsverfrachtet werden, ist natürlich erst einmal gar nicht gut. Großbritannien muss Möglichkeiten zur legalen Einreise für Schutzsuchende schaffen, und auch die EU-Länder müssen das tun. Und da liegt die gute Dimension der britisch-französischen Vereinbarung: Großbritannien sagt ein Resettlement-Programm zu, also die Aufnahme gewisser Schutzsuchender, die zweifellos ein Aufenthaltsrecht beanspruchen könnten, wenn sie schon im Land wären.

Aber Skepsis ist angebracht. Einen ähnlichen Deal schlossen 2016 die EU und die Türkei: Die EU sagte zu, ­syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufzunehmen, wenn die Türkei im Gegenzug andere Flüchtlinge aus der EU zurücknimmt. Tatsächlich wurde das kaum umgesetzt. Der Deal machte in erster Linie aus der Türkei einen Türsteher Europas, der Syrer insgesamt von Europa fernhielt. In eine ähnliche Rolle versucht die EU seitdem ihre Nachbarn in Nordafrika zu zwingen, um Afrikaner fernzuhalten.

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Und nun wird Frankreich gewissermaßen zum Türsteher Großbritanniens. Das kann nach bisherigen Erfahrungen nur funktionieren, wenn Frankreich seinerseits verschärft Illegale, die es bisher nach England durchließ, innerhalb der EU zurückschieben kann. Deutschland betreibt das gleiche Spiel mit Polen; auf dem Balkan ist es längst normal. So wird das Europa ohne Binnengrenzen zur Schimäre. Vielleicht geht es ja gar nicht anders. Aber dann muss man ehrlich damit umgehen und bekennen: EU-Ideale, also Freizügigkeit und offene Grenzen, gelten nur für EU-Bürger, für die anderen nicht. Schönes neues Europa.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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1 Kommentar

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  • Der vorletzte Satz ist richtig - war aber auch nie anders gemeint. Es soll Freizügigkeit innerhalb von Europa gelten, nicht nach Europa.