Reform der Klub-WM: Ein anderer Fußball ist möglich
Die Klub-WM hätte das Potenzial, den Fußball gerechter zu machen – stattdessen festigt sie den Teufelskreis, der ihn immer uninteressanter macht.
D ie Fußballwelt hat einen neuen Wettbewerb. Denn nichts Geringeres ist die Reform des einstigen Weltpokals zur Klub-WM. Statt 6 treten nun 32 Teams über vier Wochen hinweg gegeneinander an. Dafür nur alle vier Jahre statt nach jeder Saison. Von der Fanbasis aus betrachtet, ist die Klub-WM ein Turnier, nach dem niemand gefragt hat. Der Fußballkalender ist ohnehin schon prall gefüllt, Spieler und Fans kommen mit der Belastungssteuerung kaum hinterher. Die Folge sind Verletzungen und das Gefühl, zwischen den Saisons kaum Zeit zu finden, wieder Vorfreude aufzubauen.
Das neue Turnierformat scheint aus der Gedankenwelt der Funktionärsriege zu kommen, die den Fankurven so fremd geworden ist. Aus den Kosmen, die Dinge wie eine Super League für eine gute, weil marktträchtigere Idee halten.
Dieser Blick vernachlässigt allerdings Breite und Tiefe der Klub-WM. Denn das Format erschließt tatsächlich neue Märkte, statt die bestehenden auf Effizienz zu trimmen. Auch aus den europäischen Topligen dürfen nur je zwei Teams antreten. Dafür sind auch Amateure aus dem neuseeländischen Auckland dabei, deren Spieler teils erst mal Urlaub nehmen mussten, um zum Turnier zu reisen. Die Erhöhung der Teilnehmerzahl auf 32 Mannschaften bringt Ecken der Welt auf die große Fußballbühne, die auf ihr bislang eine eher marginale Rolle gespielt haben. Zwar bekommt Europa mit zwölf Startplätzen das größte Stück vom Kuchen, aber es wird deutlich mehr Fußball aus Asien, Ozeanien und Afrika zu sehen sein.
Neben dieser Breite bringt die Klub-WM auch eine neue Tiefe in die Fußballwelt. Indem die Fifa das Konzept Weltpokal auf ein ernst zu nehmendes Format hebt, vermittelt sich für mehr Menschen das Gefühl, wirklich am Weltfußball teilzuhaben. Nordamerika und Asien waren Kontinente, in denen Fußball lange Zeit nur aus Showtouren europäischer Teams bestand. Weil nun viel mehr Vereine aus diesen Teilen der Welt bei der WM mitspielen, dürfte das genuine Interesse der Fans an dem Sport wachsen. Das Geschäft hinter dem Fußball wird hier nicht künstlich aufgeblasen, es kommt wirklich frisches Geld hinein. Und hier fangen die Probleme an.

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Verteilung nach Matthäus-Effekt
Seit vielen Jahren werden Gelder im Fußball im Sinne des Matthäus-Effekts ausgeschüttet. Damit ist nicht der Fußballer, sondern der Apostel gemeint: Wer hat, dem wird gegeben. Die Schere zwischen reichen und armen Vereinen wird mit jeder Prämienreform künstlich weiter aufgespreizt. Dem Geld folgt sportlicher Erfolg, der wiederum für höhere Prämien qualifiziert.
In dieser Weise ist es für die kleineren Klubs einer Liga kaum möglich, nachhaltig in die oberen Sphären aufzusteigen. Es ist kein Zufall, dass sich Vereine wie der FC Heidenheim oder Union Berlin ins internationale Geschäft ackern, um von dort direkt in den Abstiegskampf zu rutschen. Die finanziellen Ressourcen solcher Klubs können die Strapazen einer Dreifachbelastung aus Liga, Pokal und Europapokal schlicht nicht tragen. So geraten solide arbeitende Vereine gerade aufgrund ihres zeitweiligen Erfolgs in Not.
Die Klub-WM schickt sich nun an, diesem Prinzip weiter Rechnung zu tragen. Unter den Vereinen, die teilnehmen dürfen, ergibt sich ein finanzielles Ungleichgewicht. Denn schon das Startgeld für Real Madrid dürfte das Zehnfache dessen sein, was die Kicker aus Auckland fürs Antreten bekommen.
Eine Milliarde Dollar wird der Weltverband über den neuen Wettbewerb ausschütten. Wer weiterkommt, verdient mehr. Für den Weltmeister sind am Ende fast 90 Millionen US-Dollar drin. Während Auckland mit 3 bis 5 Millionen Dollar aus dem Turnier gehen wird, sind für Real Madrid im Erfolgsfall mehr als 120 Millionen möglich. Die Klub-WM folgt damit derselben Ausschüttungslogik, die die europäischen Ligen zu Winner-take-all-Märkten degradieren. Die Saisons, in denen der FC Bayern nicht deutscher Meister war, kann man sich über Jahrzehnte hinweg merken.
Umverteilung notwendig
Der neue Turniermodus wäre eine Chance gewesen, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Natürlich müssen die finanziellen Potenziale des Wettbewerbs auch erst gehoben werden. Fest steht aber, dass die Töpfe für einige Klubs wesentlich größer werden. In ihren jeweiligen Ligen könnte also etwas umverteilt werden, ohne vom Status quo der Zeit vor der WM etwas wegzunehmen.
Die Klub-WM könnte ein Mehrwert für den Fußball sein, wenn die Mehreinnahmen gleichmäßiger auf die teilnehmenden Teams verteilt würden. Wenn auch die Landesligen davon profitieren würden, dass Vertreter in Nordamerika oder Ostasien für den Sport werben. Bei aller Konkurrenz zwischen den Verbänden sollte das auch im Interesse von Uefa und DFL sein: Wenn aufgrund der Klub-WM nämlich mehr Menschen auf der ganzen Welt ihr Interesse an europäischem Fußball entdecken sollten, dann wollen sie vermutlich spannenden Sport sehen, bei dem nicht zwei Teams den Betrieb dominieren.
Nun mag man einwenden, dass es unfair sei, wenn Vereine vom neuen Turnier profitieren, ohne überhaupt mitzuspielen. Um in Zeiten einer Hyperkapitalisierung des Sports noch halbwegs gerechte und im Sinne der Fans spannende Ligen zu gewährleisten, könnte es aber unabdingbar werden, die Teilnehmer der Klub-WM in eine Art Vertreterpflicht zu nehmen. Sie spielten dann nicht allein für die eigene Kasse, sondern für eine allgemeine Verbesserung ihrer jeweiligen Liga.
Die Klub-WM hätte das Potenzial, eine Bereicherung für den Fußball zu sein – ihn sogar ein wenig gerechter zu machen. Leider hatten ihre Macher das nicht im Sinn. In ihrer derzeitigen Form festigt sie stattdessen den sportlichen Teufelskreis, der reiche Vereine noch reicher und erfolgreicher werden lässt und ärmere Vereine von Profit und Erfolg abschneidet. Bis zur nächsten Klub-WM gäbe es die Chance, daran etwas zu ändern.
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