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Neuigkeiten aus dem ZooNachrichten für Politik­verdrossene

In Tigerfell gewickelte Ferkel gegen die Depression einer Raubkatze nach ihrer Fehlgeburt. Wer informiert bleiben will, schaut nach bei Instagram.

Instagram informiert: Tigermutti hat Depressionen, aber ihr kann geholfen werden Foto: Volker Hohlfeld/imago

V on ernsthaften Bürgerprotesten im Iran wisse er nichts, sagt der eine Freund. „Ach, in den USA ist doch alles nicht so schlimm“, sagt der andere, „einfach hinfahren“. In solchen Momenten stelle ich fest, dass es noch schlechter informierte Menschen gibt als mich. Und wem habe ich meinen Wissensvorsprung zu verdanken? Durchaus auch den ­sozialen Medien und den dort verlinkten Artikeln.

Die Auswahl ist natürlich blasenaffin, allenfalls ein paar altersrechte Russlandfreunde laufen noch als Feigenblättchen einer schlecht gefakten Meinungsvielfalt mit. So hätte ich ohne Instagram zum Beispiel niemals mitbekommen, dass eine Tigermutti im Zoo eine Fehlgeburt hatte. Welcher Zoo, sagen sie allerdings nicht, also kann ich es hier leider auch nicht wiedergeben, obwohl man ja gerade in einer Zeitung gern vollständig informieren möchte.

Egal, Mut zur Lücke, jedenfalls hat die Tigermutti von dem Unglück solche Depressionen bekommen, dass sie vermutlich gar keinen Bock mehr auf normalen Tigerkram hat, wie zu brummen, hospitalistisch hin- und herzuschlendern und in den Wassergraben vom Gehege gesprungene Verrückte anzuknabbern. Nein, sie lag stattdessen nur noch traurig rum. Daraufhin hat man ihr fünf in Tigerfell gewickelte Schweinchen angereicht und auf den Leib gelegt.

Und – na, wer errät es, ist nicht so schwer, weil in jeder dieser Geschichten das gleiche … –, was soll man sagen: Anstatt, dass sie sich ein Schweinchen sofort reinpfeift, das zweite in den Kühlschrank schiebt und die anderen drei in der Gefriertruhe aufbewahrt, akzeptiert sie die Ferkel nun als ihre Kinder. Die finden das natürlich extrem cool: eine echte Tigermutti. Was da die anderen in der Schweinchenschule sagen: Boah, krass, ey, ist das nicht gefährlich?

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Und sie dann, die fünf Tigerschweinchen schieben sich erst mal die Sonnenbrillen auf die Stirn hoch, bevor sie antworten: Nee, gar nicht, wir haben das voll im Griff, und ist auch superflauschig und so. Dass es auch ein bisschen mieft, sagen sie nicht, weil sie lieber gnadenlos an der Neidspirale drehen. Garniert ist das Bild der Tigermutti, auf der wie gestreifte Rouladen die übrigens schon recht großen Schweinchen liegen, mit Protesten gegen Polizeigewalt in Kalifornien. So sieht mein Medienalltag aus: Zuckerbrot und Peitsche.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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