Atomkongress in Ruanda: Russland träumt nuklear in Afrika
Beim afrikanischen Atomkongress werben Nuklearunternehmen für mehr AKWs auf dem Kontinent. Ganz vorne mit dabei: der russische Staatskonzern Rosatom.
Diskutiert werden vor allem die Möglichkeiten, mithilfe von sogenannten Small Modular Reactors (SMRs) und Mikroreaktoren (MMRs) die Energiewende auf dem Kontinent zu beschleunigen, wie es in der Ankündigung heißt.
SMRs und MMRs sind kleinere Reaktoren, die aus vorgefertigten Teilen zusammengesetzt werden. Sie enthalten weniger Brennstoff und produzieren weniger Energie als große AKWs. Von den Herstellern werden sie als sicherer gepriesen.
Ein Gutachten im Auftrag des deutschen Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) kam jedoch zum Schluss, dass „die hohe Anzahl an Reaktoren, die für die gleiche Produktionsmenge an elektrischer Leistung notwendig ist, das Risiko jedoch wiederum um ein Vielfaches erhöht“.
Weltbank vergibt neuerdings Kredite für AKWs
Energie- und Infrastrukturminister aus zahlreichen afrikanischen Ländern, Vertreter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), der UNO-Wirtschaftskommission für Afrika und des Nuklearverbandes (NEA) waren nach Kigali gereist. Selbst der Premierminister von Niger war anwesend, wo eine der größten Uran-Reserven Afrikas in der Erde schlummert.
Es gebe einen neuen „globalen Trend“ hin zur Nuklearenergie, so Rafael Mariano Grossi, Vorsitzender der IAEA, in seiner Eröffnungsrede in Kigali: „Für viele Jahre war die Investition in Nuklearenergie keine Option.“
Der Grund dafür war in erster Linie das fehlende Geld, so Grossi. „Bislang waren alle Türen fest verschlossen für die Option, dass internationale Finanzinstitutionen in Nuklearprojekte involviert sind.“
Doch erst vor wenigen Tagen hat die Weltbank angekündigt, künftig den Bau kleiner Atomkraftwerke mit Krediten und Zuschüssen zu unterstützen. Der Strombedarf in Entwicklungsländern werde sich bis 2035 verdoppeln, begründete Weltbank-Chef Ajay Banga den Schritt. „Arbeitsplätze brauchen Strom. Das gilt auch für Fabriken, Krankenhäuser, Schulen und Wassersysteme.“
Ruanda will stabile Stromversorgung
Ruanda, das sich stets als „grün“ profiliert, geht voran. Noch immer haben dort 30 Prozent der Bevölkerung keine einzige Glühbirne zu Hause. „Ruanda möchte für den Kontinent ein Beispiel sein“, sagte der Vorsitzende des ruandischen Atomenergiebehörde (RAEB), Lassina Zerbo, in seiner Eröffnungsrede.
Bereits im Vorfeld der Konferenz hatte RAEB angekündigt, in den nächsten fünf bis acht Jahren die ersten Minireaktoren zu errichten und damit rund 3.000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Bislang besteht Ruandas Energiemix aus Solarenergie, Wasserkraft und jeder Menge Dieselgeneratoren.
Doch Solar- und Wasserkraft sind abhängig von Sonnen- und Regenzeiten und ohne Stromspeicher nicht immer verfügbar. „Man kann keine Industrialisierung fördern mit Stromausfällen und instabiler Stromversorgung“, sagte Grossi in Kigali.
Die Debatte, ob afrikanische Regierungen in Nuklearenergie investieren sollen, ist Jahrzehnte alt. Die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 hatte diese Option zunächst zunichtegemacht, weil kaum ein Geldgeber mehr investieren wollte, vor allem nicht in Afrika, wo es kaum ausgebildetes Personal gibt.
Dann kam Russland
Der Energiehunger blieb aber bestehen – und wurde stetig größer. Dann legte Russland den Afrikanern ein Komplettpaket vor, das viele gar nicht ausschlagen konnten: von der Finanzierung über den Betrieb, die Ausbildung von Fachkräften bis hin zur Entsorgung des Atommülls.
„Wir glauben fest daran, dass die Kernenergie eine kostengünstige und verlässliche Alternative ist für Länder, die ihre Energieversorgung erhöhen wollen“, erklärte Dmitri Schornikow, Rosatom-Chef für Afrika, 2018 der taz.
Kurz darauf lud Rosatom die Afrikaner zur großen Atom-Expo nach Sotschi ans Schwarze Meer ein. Dort unterzeichneten Kenia, Äthiopien, Sudan, Angola, die Republik Kongo und Uganda Abkommen mit Rosatom. Ruanda folgte ein Jahr später. Seitdem haben 130 junge Ruander in Russland studiert, um die junge Generation für die Technologie fit zu machen.
Als Vorbild auf dem Kontinent gilt die Rosatom-Partnerschaft mit Ägypten. Dort baut Rosatom in El Dabaa an der Mittelmeerküste vier große Meiler für umgerechnet 25 Milliarden Dollar. Neu war das Finanzierungskonzept: 85 Prozent werden von russischen Staatsbanken als Kredite direkt an Rosatom gestellt.
Rosatom bleibt im Besitz der Reaktoren, bis die Kredite abbezahlt sind. Der Konzern verkauft den erzeugten Strom an Ägyptens Regierung, die die Kosten wiederum auf die Konsumenten umlegt. Der Reaktor soll 2028 ans Netz gehen.
Auch westliche Unternehmen investieren in Ruanda
Mittlerweile konkurrieren auch wieder westliche Unternehmen um die Aufträge aus Afrika. Für die Errichtung kleiner Reaktoren ist Ruanda 2023 eine Partnerschaft mit dem deutsch-kanadischen Unternehmen „Dual Fluid Energy CEO“ eingegangen, ein Start-Up, das sich auf die Entwicklung von SMRs und MMRs spezialisiert hat.
Bei Vertragsunterzeichnung hatte Ruanda angekündigt, den ersten Testreaktor 2026 einzuschalten und bis 2028 die Testphase erfolgreich zu Ende zu bringen.
Ein weiteres Abkommen beschloss Ruandas Atombehörde im vergangenen Jahr mit der US-amerikanischen Firma NANO Nuclear Energy Inc., die ebenfalls Mini-Reaktoren baut. Als den Beginn einer „neuen Ära“ bezeichnete Zerbo vom Ruandas Atombehörde die Partnerschaft.
Frank Habineza von der ruandischen Partei „Die Grünen“ kritisiert gegenüber der taz die Idee: „Wir haben im Parlament dagegen gestimmt und versucht die Menschen aufzuklären“, so Habineza im taz-Interview 2024. „Wenn etwas passiert, können viele sterben“, warnt er.
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