Städte-Ranking: Super leben in Kopenhagen
Die dänische Hauptstadt wurde zur lebenswertesten Hauptstadt der Welt gekürt. Und die Kopenhagener? Sind so zufrieden, dass es fast langweilig ist.
Du bist gerade in der lebenswertesten Stadt der Welt, aber das weißt du sicher schon?!“ Seit Tagen bekomme ich Nachrichten diesen oder ähnlichen Inhalts auf mein Handy, aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt. Und ja! Ich weiß!
Schon seit 2022 findet sich Kopenhagen im Economist-Ranking nach Wien auf Platz zwei, jetzt hat die Stadt am Öresund Wien überholt.
„Gewohnt sind wir es, ja“, sagt Johannes Henriksen, ein Redakteur der dänischen Tageszeitung Kristeligt Dagblad: „Aber aufgeregt sind die Dänen dann doch, wenn die Welt über sie redet.“ Dänemark, dieses kleine Land mit seinen 6 Millionen Einwohner*innen, spielt selten eine Rolle im Weltgeschehen.
Aber jetzt: lebenswerteste Stadt der Welt. Zumindest, wenn man den Analyst*innen des Verlags Economist Group glaubt. Die erstellen das Ranking in Bezug auf die Kategorien Stabilität, Gesundheitswesen, Kultur und Umwelt, Bildung und Infrastruktur.
Auch eine ökonomische Erfolgsgeschichte
Und die Kopenhagener, was denken die? Eine nicht repräsentative Umfrage auf der Straße ergibt: Sie lieben ihre Stadt, genau wie der Economist. Für Journalist*innen, die sich in der Regel auf Konflikte konzentrieren, ist es fast langweilig, so zufrieden sind sie.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Ihre Schlagworte: Vertrauen und Solidarität, eine mittlerweile exzellente Gesundheitsversorgung, Sicherheit im Alter (zumindest für dänische Staatsangehörige), Angebote für Familien.
Zurückzuführen ist die Zufriedenheit wohl auch auf Dänemarks ökonomische Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahrzehnte. „Wir können 5 Prozent für Verteidigung ausgeben, ohne auch nur ein einziges Sozialprogramm kürzen zu müssen. Die Staatskasse ist voll“, sagt ein pensionierter Journalist.
Ob ihm klar ist, wie traumhaft diese Vorstellung in deutschen Ohren klingt?
Exportnation: Lego, Insulin, Container
Verantwortlich für den Reichtum ist auch die Exportkraft der Dänen. Die von Lego beispielsweise (im Schnitt besitzt jeder Mensch auf der Welt 87 Legosteine, so eine Rechnung auf Basis der Verkaufszahlen). Die des Pharmaunternehmens Novo Nordisk (für 50 Prozent der weltweiten Insulinproduktion zuständig). Und all die Waren bringt dann das weltgrößte Container-Logistikunternehmen Maersk, ebenfalls dänisch, auf den Weg.
„Einige Dänen sind in den letzten Jahren so reich geworden, dass sie nicht wissen, wohin mit ihrem Geld“, meint Redakteur Henriksen. „Also gehen sie essen. Köche werden hier wie Rockstars gefeiert.“ Kopenhagen ist schon lange berühmt für seine Food-Szene. Und die kostet. Alleine in der vergangenen Woche hat Kopenhagen vier neue Michelin-Sterne bekommen.
Sogar ein eigenes Glücksmuseum haben die Kopenhagener, teuer und vergleichsweise inhaltsarm, aber an der Kasse arbeitet eine Ukrainerin aus Kyjiw, die in Kopenhagen sehr glücklich ist. Sie ist seit dem russischen Großangriff 2022 in der Stadt. Mit Blick auf Theater, Festivals und Musik sei die Stadt nicht so langweilig wie die Schweizer Städte, in denen sie auch mal gelebt habe, sagt sie. Und natürlich spiele die Sicherheit eine große Rolle, sowohl vor Kriminalität als auch vor Raketen.
Überhaupt hält sich, auch für die Dänen, die Angst vor Bedrohung durch Russland in Grenzen – im Gegensatz etwa zu den baltischen Ländern oder Polen.
Nur schlechtes Wetter trübt das Glück
Doch es gibt auch andere Stimmen, zum Beispiel in Nørrebro, einem beliebten, großteils gentrifizierten Viertel, in dem viele Menschen aus allen Teilen der Welt leben.
„Sorry, dieser Mythos von der lebenswertesten Stadt stimmt nicht“, sagt dort ein aus Mazedonien stammender Pizzabäcker, während er Reibekäse auf Teig verteilt: „Morgens schaust du auf dein Handy: Sonne! Aber dann regnet es doch den ganzen Tag!“ Und überhaupt, die Menschen seien unfreundlich, wie Roboter. Sein Traum: Lateinamerika. Sonne. Strandspaziergänge. Ein kleines Restaurant. Da hilft auch der erste Platz nichts.
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