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Debatte um RisikotechnologieDänemarks Opposition will Atomkraft-Verbot kippen

Auch Teile der Regierung zeigen sich dafür offen. Die Energiebehörde sagt aber: Das Land schafft die Energiewende auch ohne AKW.

Ist großer Befürworter der Kernkraftenergie: Troels Lund Poulsen, stellvertretender Ministerpräsident von Dänemark Foto: Mads Claus Rasmussen/reuters

Härnösand taz | Aufwind für Freunde der Atomkraft: In Dänemark setzt die sogenannte bürgerliche Opposition ihren Willen durch – das 40 Jahre alte Atomkraftverbot des Landes wackelt. Schon länger fordern die vier Parteien diese energiepolitische Wende. Nun erklärten sich zwei der Regierungsparteien offen dafür. Zuletzt zeigten zunächst die Moderaten, kurz darauf auch die konservativ-liberale Venstre ihr Interesse an einer Abschaffung des Verbots.

Seit 1985 – also noch vor der Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl – schließt das Gesetz die Berücksichtigung von Atomkraft in der dänischen Energiepolitik aus. Es entstand vor dem Hintergrund der weit verbreiteten Sorge vor der radioaktiven Gefahr.

Der Widerstand in der dänischen Bevölkerung hat aber inzwischen offenbar nachgelassen. Laut einer Umfrage im Auftrag des schwedisch-dänischen Atomkraft-Lobbyisten „Kärnfull Energi“ würden 55 Prozent der Befragten „Ja“ sagen, wenn es jetzt eine Volksabstimmung für den Bau von Kernkraftwerken in Dänemark gäbe. 27 Prozent wären dagegen, 18 Prozent antworteten mit „Weiß nicht“, wie der Sender TV2 berichtete.

Die Debatte verhandelt – ähnlich wie in Schweden – nicht mehr vorrangig die radioaktive Gefahr, sondern vor allem ökonomische und technische Fragen: Lohnt es sich finanziell, auf Atomkraft zu setzen, wie wäre es praktisch umsetzbar?

Atomkraft laut Energiebehörde nicht nötig

Die treibenden Kräfte der dänischen Opposition – von der marktliberalen Liberalen Allianz über die Konservativen bis zu den rechtspopulistischen Dänemarkdemokraten und der Dänischen Volkspartei – sehen ihre Stunde gekommen, das herauszufinden.„Wir wollen das Eisen schmieden, so lange es heiß ist“, erklärte am Montag Steffen Frølund, Klimasprecher der Liberalen Allianz, warum die bürgerliche Opposition der Verbotsaufhebung nun bald eine Fragestunde mit Debatte im dänischen Parlament widmen will.

Das Eisen ist besonders heiß, nachdem der Venstre-Vorsitzende (und dänische Außenminister) Troels Lund Poulsen am Samstag den Standpunkt seiner Partei klargemacht hat. Der gleicht nun dem anderer Kernenergie-Befürworter: „Atomkraft ist eine grüne Energiequelle, die bereits eine große Rolle im europäischen Energiesystem spielt“, sagte Lund Poulsen laut dem dänischen Rundfunk DR.

Die Welt brauche Atomkraft zum Erreichen der Klimaziele und für eine stabile Energieversorgung, argumentierte er mit Blick auf die alte Abhängigkeit von russischem Gas.

Bei den Moderaten klingt es etwas gemäßigter. Sie seien offen dafür, Atomkraft mit Wind, Sonne und Biomasse konkurrieren zu lassen. Vor einem Beschluss müsste aber mehr Klarheit über die Folgen herrschen, vielleicht untersucht von „klugen Köpfen“ in einer Atomkraft-Kommission, sagte der energiepolitische Sprecher Henrik Frandsen dem Sender TV2.

Die dritte und größte Regierungspartei, die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, bleibt hingegen skeptisch: Aus ihrer Sicht hat das dänische Energiesystem bereits die besten Voraussetzungen mit seinem Fokus auf Sonnen- und Windenergie. Und die reichten mit Biomasse als Reserve aus für die eine sichere Energieversorgung, zu dem Ergebnis kommt laut einem DR-Bericht regelmäßig die dänische Energiebehörde.

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3 Kommentare

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  • Hab mal Wikipedia bemüht (de.m.wikipedia.org...ellen_und_Grafiken )



    Reserven (< 80 USD/kg) in Kilotonnen (2018):



    1280



    (...Unter Reserven versteht man die zu gegenwärtigen Preisen und mit heutigen Fördertechnologien gewinnbare Menge an Rohstoffen.)



    Verbrauch in Kilotonnen (2016):



    63,40

    1280/63,4=20,2

    Die halbwegs wirtschaftlich ausbeutbaren Uranreserven reichen für 20 Jahre. Heißt, es wird knapper, es wird teurer. Erst recht wenn auf mehr Atomkraft gesetzt wird.

    Die "bürgerliche Opposition" Dänemarks besteht wahrscheinlich aus alten weißen Juristen, Ärzten und BWLern, die sehr gerne Recht haben. Gesunder Menschenverstand eben.

  • Weder kann ich mir vorstellen, dass es in Dänemark (außer Grönland) ausreichende Uranlagerstätten gibt (in Deutschland gäbe es sie), noch, dass Dänemark auf eigenem Territorium (außer Grönland) einen geeigneten Ort für ein Endlager finden würde.



    Dänemark müsste sich also höchstwahrscheinlich von anderen Staaten abhängig machen, um AKWs zu betreiben. Mit Wind, Sonne und Wärmepumpen in der Nordsee müsste es das nicht.

  • Die Dänen hatte man mal für intelligenter gehalten. Nun haben sie gewartet, bis Atomkraft ganz, ganz sicher unwirtschaftlich und umweltschädlich ist - und dann wollen sie sie haben?