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Wildnis in DeutschlandIn Göttingen bauen Biber keine Dämme

Für die einen sind sie eine Plage, aus Sicht der anderen leisten sie Naturschutz zum Nulltarif: Die Rückkehr der Biber wird nicht überall begrüßt.

Ein Biber beim Abendbrot, es gibt Erle Foto: Patrick Pleul/dpa

Göttingen taz | Bertram Preuschhof bahnt sich durch dichtes Gestrüpp den Weg auf eine kleine Lichtung. „Hier sitzen sie und mümmeln“, sagt er, „das ist ihr Fressplatz.“ Wo der Wendebach südlich von Göttingen in einen Stausee fließt, säumen Bäume und dichtes Gebüsch die Ufer. Äste, Zweige und Holzspäne liegen kreuz und quer auf dem feuchten Boden. Auf einer kleinen Halbinsel, die in den See hineinragt, hat jemand ein paar Dutzend Weiden gefällt: Die spitz zulaufenden, abgenagten Stümpfe an den Stämmen zeigen, dass hier keine Menschen am Werk waren, sondern Biber.

Der Europäische oder auch Eurasische Biber ist das größte Nagetier Europas, weltweit ist nur das südamerikanische Wasserschwein größer. Biber werden vom Kopf bis zum Hinterteil 80 bis 100 Zentimeter lang, dazu kommen bis zu 35 Zentimeter für den Schwanz, die sogenannte Kelle. Ausgewachsene Tiere wiegen zwischen 25 und 30 Kilogramm. In freier Wildbahn erreichen sie ein Durchschnittsalter von acht bis zehn Jahren, in Gefangenschaft können sie noch älter werden.

Etwa 15 Millionen Jahre lang waren Biber in Deutschland zu Hause, auf mehr als 100.000 Tiere schätzt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) den früheren Bestand. Doch ihr feiner Pelz, ihr schmackhaftes Fleisch und das Duftsekret „Bibergeil“, das als Wundermittel galt, wurden ihnen zum Verhängnis: Die Menschen jagten sie unerbittlich. Im 19. und 20. Jahrhundert war der Nager nahezu verschwunden, nur an der Mittelelbe in Sachsen-Anhalt überlebte ein kleines Vorkommen.

Dank Schutz- und Wiederansiedlungsprojekten sind Biber heute wieder in vielen ursprünglichen Verbreitungsgebieten anzutreffen, alleine in Niedersachsen sollen mehrere Hundert Tiere leben. Im Landkreis Göttingen hat Preuschhof rund 25 Reviere gezählt und kartiert. Sie liegen meist an Fluss- oder Bachläufen. Zwei Biber ließen sich im vergangenen Herbst am Wendebach-Stausee nieder. Preuschhof, der lange Zeit bei der Naturschutzbehörde des Kreises beschäftigt war, hat sie mit seinen Wildkameras gefilmt und fotografiert.

Die Biberrutsche verrät das Revier

Spaziergänger hingegen bekommen die dämmerungs- und nachtaktiven Biber in der Regel nicht zu Gesicht. Tagsüber hocken die Tiere in ihrem Bau, die Eingänge liegen unter Wasser und sind nicht zu erkennen. An der Uferböschung des Wendebachs gibt es aber noch einen weiteren Nachweis für ein Revier – eine sogenannte Biberrutsche. „Die Biber rutschen hier auf dem Bauch ins Wasser und formen so eine unverwechselbare Rutschbahn“, sagt Preuschhof.

Die anderenorts charakteristischen Biberdämme gibt es dagegen hier im südlichen Niedersachsen nur selten, fügt der Experte hinzu. Diese Dämme dienen den Tieren dazu, Wasser aufzustauen: Nur wenn die Eingänge zu ihrem Bau in heißen Sommern trocken zu fallen drohen, bauen die Biber einen Damm. Im Landkreis Göttingen, so Preuschhof, sei das aber kaum nötig.

In das Dickicht an der Wendebach-Mündung kommen die beiden Biber nur zum Fressen. Besonders gern mögen sie Weidenrinde. Diese enthält, weiß Preuschhof, unter anderem Salicylsäure, die sich im Biber-Fettgewebe anreichert. Acetylsalicylsäure, auch bekannt als ASS oder Aspirin, ist zugleich ein viel genutzter medizinischer Wirkstoff. Für Menschen wird er allerdings synthetisch hergestellt.

Biberschutz darf nicht auf Kosten der Landwirtschaft gehen

Hubertus Berges, Landvolk Niedersachsen

Außer der Baumrinde fressen Biber als hundertprozentige Vegetarier Wildkräuter wie Brennnessel und Beifuß. Aber auch Kulturpflanzen wie Mais, Raps, Rüben und Getreide stehen auf ihrem Speiseplan. An den Bäumen wetzen und schleifen die Biber außerdem ihre nachwachsenden Zähne.

Unter Landwirten grummelt es leise

Wurde die Rückkehr der – noch streng geschützten – Biber anfangs allenthalben als großer Erfolg für den Artenschutz gefeiert, macht sich inzwischen ein leises Grummeln bemerkbar. Insbesondere Landwirte klagen darüber, dass Flächen unter Wasser gesetzt werden und angenagte Bäume in Getreide- oder Rapsfeldern landen. „Biberschutz darf nicht auf Kosten der Landwirtschaft gehen“, sagt Hubertus Berges vom Vorstand des Landvolks Niedersachsen.

„Biber sind super Naturschützer“, hält Biologe Preuschhof dagegen. Durch ihre fleißige Bautätigkeit und das Aufstauen von Bächen schüfen sie vielfältige Lebensräume wie Kleingewässer, Totholz und Feuchtwiesen, in denen sich Libellen, Amphibien und Reptilien, Fische und Vögel wohlfühlten. Wo der Mensch viel Geld und Energie für den Erhalt der Biodiversität aufwenden müsse, helfe der Biber zum Nulltarif.

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3 Kommentare

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  • Die Landwirte kann ich auf der einen Seite verstehen. Auf der anderen sollten diese auch mal die positiven Seiten sehen. Verbesserter Wasserrückhalt, mehr Wasser in Trockenzeiten und: Die Biberteiche wirken als Kläranlagen und verringern den Nitrat- und Phosphatgehalt des abfließenden Oberflächenwassers dramatisch. Damit werden der viel diskutierte hohe Schadstoffeintrag durch die Landwirtschaft (im Wesentlichen Düngemittelrückstände) und die negativen Folgen für die Gewässergüte stark verbessert. Außerdem wirken Biberteiche und von Bibern geschaffene Feuchtgebiete in trockenen Zeiten als Feuersperren und Rückzugsräume für Waldtiere bei Waldbränden. Ist hier evtl wichtig, wäre interessanter für Griechenland, Spanien und Italien wird dort aber genausowenig wie hier erforscht. da sind uns die Amis mal wieder weit voraus.

  • Wenn die Landwirte die Renatierung aus ihrer Tasche zahlen müßten, würden sie natürlich Biber züchten. Aber so geht das Argument ins Leere.

  • die unzufriedenen landwirte auszahlen und in naturschutzgebiet umwandeln.