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Viel Lärm um Lärm

Ab 22 Uhr soll Schluss sein mit Außengastronomie – das fordern SPD, Grüne und Volt angesichts eines neuen Lärmgutachtens vom Hamburger Senat. Demnach ist es in Ottensen und in der Sternschanze viel zu laut

Toll voll, das Szeneviertel, gerade da es jetzt wieder losgeht mit der Außengastro­nomie. Manchen ist es aber dann doch zu doll Foto: Jonas Walzberg/dpa

Von Karoline Gebhardt

Angesichts nächtlicher Lärmspitzen in der Sternschanze und in Ottensen wollen SPD und Grüne neue, drastische Regelungen für die Außen­gastronomie durchsetzen. Grund dafür ist eine vom Bezirksamt Altona durchgeführte schalltechnische Untersuchung, die eine deutliche Überschreitung der zulässigen Richtwerte ermittelt hat. „Im Rahmen der Untersuchung wurde festgestellt, dass die Lärmgrenzwerte aufgrund des von der Außengastronomie ausgehenden Schalls teilweise erheblich überschritten werden“, heißt es in dem Antrag. Grundlage für die Berechnungen sei gehobenes Sprechen.

Im Fokus der Debatte stehen Bereiche der Straße Schulterblatt in der Sternschanze sowie Teile der Bahrenfelder Straße in Ottensen, die die Richtwerte teilweise um mehr als 30 Dezibel in der Nacht überschritten haben. Bereits tagsüber seien Werte von 16 bis 18 Dezibel über dem Grenzwert gemessen worden. Das soll nun weitreichende Konsequenzen haben.

Die SPD-Fraktion Altona veröffentlichte einen umfangreichen Forderungskatalog, über den die Parteien am vergangenen Donnerstag bei einer Bezirksversammlung gesprochen haben. Darin fordert sie den Senat auf, den Senatsbeschluss vom 30.1.2007, der bislang längere Betriebszeiten für die Außengastronomie ermöglicht hat, zu überarbeiten. Dabei geben sie klare Empfehlungen für den Hamburger Senat: Öffnungszeiten sollen auf 22 Uhr gekürzt und der Alkoholverkauf an Kiosken und Tankstellen ebenfalls nach 22 Uhr eingedämmt werden. Zusätzlich sollen Betriebszeiten der Außengastronomie geprüft und die durch Lärm besonders betroffenen Gebiete klar definiert werden. Diese sogenannten Lärm-Hotspots sollen dann mit verfügbaren Kontrollmöglichkeiten durch das Bezirksamt regelmäßig überprüft, Lärmgrenzen durchgesetzt und bei erheblichen Verstößen ohne Verbesserung der Situation mit Bußgeldern sanktioniert werden.

Das heißt konkret: Es soll auf dem Schulterblatt keinen Alkohol mehr nach 22 Uhr geben. Das sorgt für Entsetzen bei der Opposition. So warnt beispielsweise die FDP vor Schnellschüssen und auch die CDU reagiert mit Verständnislosigkeit: „Wir sind richtig erschrocken darüber, dass damit die jahrelange Politik des Hamburger Senats und des Bezirks Altona auf den Kopf gestellt werden soll“, kritisiert CDU-Fraktionschef Sven Hielscher. FDP und CDU sprechen von einer Überregulierung. Vor allem in Hinblick auf den Tourismus der Stadt, für den die Außengastronomie insbesondere im Sommer eine zentrale Rolle spiele, seien die Forderungen der SPD nicht tragbar, wie die FDP in einem Gegenantrag formulierte.

Die FDP-Fraktionsvorsitzende Katharina Blume hält die Pläne von SPD und Grünen außerdem für nicht realisierbar: „Wer soll das kontrollieren? Die Verantwortung wird einfach auf die Gastronomen abgewälzt. Man bestraft sie alle“, sagt sie und fordert stattdessen, den Blick Richtung Hamburg-Mitte zu lenken. Dort gibt es eine ressortübergreifende Taskforce, die Polizei, Gastronomen und Straßenreinigung an einen Tisch bringt. Denn das Lärmproblem in Hamburgs Ausgehvierteln ist kein unbekanntes. Erst 2024 bekam St. Pauli einen Nachtbeauftragten, der zwischen Anwohnenden und Gastronomen vermitteln soll. Dem vorausgegangen war ein Nachbarschaftsstreit in der Paul-Roosen-Straße. 2022 gründete sich dort die Initiative „Pauli wohnt“. Damals klebten in den Fenstern der Wohnhäuser gelbe Zettel mit der Aufschrift „Pauli wohnt“, von Kipppunkten und Belagerungen war die Rede. Als die Situation zu eskalieren drohte, veranstaltete die SPD-Mitte Sondersitzungen und Micro-Workshops, um zwischen den zerstrittenen Parteien zu vermitteln. Daraus resultierte die Idee des Nachtbeauftragten.

„Die Verantwortung wird einfach auf die Gastronomen abgewälzt. Man bestraft sie alle“

Katharina Blume, FDP-Fraktionsvorsitzende

Nun hat das Problem die Straßenseite gewechselt. Und erneut herrscht Uneinigkeit darüber, welcher Ansatz Abhilfe schaffen könnte. Zusätzlich zur Taskforce pocht Blume auf einen Kontrolldienst, eine Aufklärungskampagne und passiven Lärmschutz, also beispielsweise Lärmschutzsegel oder Akustikelemente. Die SPD hingegen spricht sich vor allem für aktiven Lärmschutz aus und spricht in ihrem Antrag davon, „attraktive Straßen und Plätze“ schaffen zu wollen, „die Menschen zum Aufenthalt und zur Begegnung einladen“ würden. Außengastronomie solle dort möglich sein, wo es ausreichend Platz gebe. Die FPD-Politikerin zweifelt darüber hinaus an der Umsetzbarkeit der Forderungen der SPD. Sollten Gastronomen um 21.30 Uhr die letzte Bestellung aufnehmen, würden sie „den Leuten den Stuhl unter dem Hintern wegziehen. Das wird doch nicht funktionieren“, befürchtet sie. Die Leute würden laut Blume nicht nach Hause gehen. Sie könne diesen Antrag nicht mittragen.

Für die Forderungen der Opposition stehen die Chancen schlecht: Gemeinsam haben SPD und Grüne seit Kurzem eine knappe Mehrheit. Damit hat der Antrag eine sehr hohe Chance durchzukommen.

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