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Deutschland rettet noch mal Af­gha­n*in­nen

Trotz rechtem Entrüstungssturm werden derzeit noch Ortskräfte und verfolgte Ak­ti­vis­t*in­nen ausgeflogen. Unter Kanzler Merz könnte damit schnell Schluss sein

Von Thomas Ruttig

Am Mittwoch startete im pakistanischen Islamabad ein weiterer Flug, mit dem vom Taliban-Regime bedrohte Af­gha­n*in­nen nach Deutschland evakuiert wurden. Es war der vierte derartige Flug in diesem Jahr.

An Bord waren inklusive Familienangehörigen 144 der ursprünglich geplanten 162 Personen. Bereits beim vorigen Flug im März hatten deutsche Sicherheitsbeamte im letzten Moment mehrere Personen wegen angeblicher Sicherheitsbedenken von Bord genommen. Warum diese Bedenken nicht schon bei den vorangegangenen Sicherheitsinterviews aufkamen, bleibt unklar.

Dass für den jüngsten Flug nur fünf Ortskräfte gebucht waren, liegt daran, dass die in Afghanistan tätigen Ministerien ihre lokalen Mit­ar­bei­te­r*in­nen relativ effektiv evakuiert hatten. Nur das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium verzögerten dies lange. Inzwischen sind aber auch viele ihrer Ortskräfte in Sicherheit. Weiter in Gefahr sind dagegen Tausende afghanische Menschenrechtler*innen, Jour­na­lis­t*in­nen, Homosexuelle und Frauen. An sie richtet sich das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, das die Ampel 2022 aufsetzte. Betreffende Menschen bildeten nun auch den Großteil an Bord des Flugs.

Allerdings dürfte es sich um einen der letzten Evakuierungsflüge handeln, die noch in Deutschland eintreffen. Zwar warten Zigtausende Af­gha­n*in­nen weiter auf Rettung und wurden auch schon von der Bundesregierung kontaktiert. Doch schon Mitte 2024 stoppte das damals noch SPD-geführte Bundesinnenministerium die Vergabe weiterer Aufnahmeprogramme.

Und während die Union solche Programme vor vier Jahren noch befürwortete, läuft sie inzwischen Sturm dagegen. CSU-Chef Markus Söder rückte sie in einer Rede zum Politischen Aschermittwoch in die Nähe islamistischer „Täter“. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kündigte bei Welt-TV an, unter einer CDU/CSU-geführten Regierung „werden diese Flieger aus Afghanistan nicht mehr kommen“. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), findet es „vier Jahre nach Ende des interna­tio­nalen Einsatzes nicht nachvollziehbar, dass immer noch Personen aus Afghanistan ausgeflogen werden müssen, weil sie wegen früherer Tätigkeiten angeblich besonders gefährdet“ seien. Hans-Hermann Dube, der in Afghanistan jahrelang staatliche deutsche Entwicklungsprojekte leitete, zu Jahresbeginn mit den Taliban Gespräche über Abschiebungen führte und die SPD in ihrer Afghanistanpolitik berät, verstieg sich sogar zu der Aussage, „niemand“ fliehe von dort, „weil er verfolgt wird von den Taliban“.

Im noch nicht endgültig beschlossenen Koalitionsvertrag wird bereits die Einstellung aller freiwilligen Bundesaufnahmeprogramme angekündigt, „so weit wie möglich“. Medienberichten zufolge glaubt die Union ein Mittel gefunden zu haben: Sie will nach dem 6. Mai einfach keine Charterflieger mehr nach Pakistan schicken, offenbar auch nicht für noch nicht Ausgeflogene mit Aufnahmezusage.

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