Versteckte Kosten der Ernährung: Was im Supermarkt nicht ausgezeichnet ist
Übermäßiger Fleisch- und Zuckerkonsum kostet die Allgemeinheit zig Milliarden, zeigt eine aktuelle Studie. Expert*innen fordern politische Lösungen.
Fleischkonsum ist keine Privatangelegenheit: Er kostet die Allgemeinheit viel Geld und riskiert unumkehrbare ökologische Schäden. Das unterstreicht eine aktuelle Studie des Thinktanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS).
Laut dem Report verursacht der übermäßige Verzehr von Schweine- und Rindfleisch allein in Deutschland jährliche volkswirtschaftliche Gesundheitskosten von etwa 16 Milliarden Euro. Hinzu kommen Umweltkosten für die Fleischerzeugung in Höhe von 21 Milliarden Euro pro Jahr. Letztere ergeben sich aus Treibhausgasemissionen, die die Erderhitzung anfeuern, aus Stickstoffemissionen, die Wasser, Böden und Ökosysteme belasten, oder aus dem unwiderruflichen Verlust an Artenvielfalt durch den exzessiven Einsatz giftiger Pflanzenschutzmittel.
„Die Folgekosten unserer Ernährung sind enorm“, sagt Beate Richter vom FÖS. Sie hat die Studie im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace erstellt. Rechne man die durch übermäßigen Zuckerkonsum entstehenden Gesundheitskosten von etwa 12 Milliarden Euro jährlich hinzu, seien die versteckten Kosten der Ernährung in Deutschland mit knapp 50 Milliarden Euro fast so hoch wie der aktuelle deutsche Verteidigungsetat, heißt es darin.
Der Verzehr von zu viel Zucker kann zu Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, oder Karies führen. Eine fleischlastige Ernährung kann ebenso Diabetes verursachen und erhöht zudem das Risiko von Herz- und Kreislauferkrankungen. Grund dafür sind im Fleisch enthaltene Stoffe, die Entzündungsprozesse und die Entwicklung von Krankheiten fördern können. In Rinder- und Schweinefleisch sind das gesättigte Fettsäuren und das sogenannte Häm-Eisen, in verarbeitetem Fleisch sind es Zusatzstoffe wie Nitrate und Nitrite.
Reduzierte Mehrwertsteuer auf tierische Produkte: „ziemlich verrückt“
Daten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zufolge, auf die sich die FÖS-Studie bezieht, ist der jährliche Pro-Kopf-Konsum von Fleisch in Deutschland in den letzten Jahren leicht rückläufig. Im Jahr 2023 lag er bei 51,6 Kilogramm. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt jedoch lediglich 15,6 Kilogramm. Zudem vernaschen die Menschen in Deutschland mit 33,2 Kilogramm pro Person pro Jahr fast doppelt so viel Zucker wie von der DGE empfohlen.
Die Folgen dieser Fehlernährung belasten nicht nur das deutsche Gesundheitssystem. Neben den direkten Kosten, die für die Behandlung der ernährungsbedingten Krankheiten entstehen, bedeuten Ausfallzeiten oder vorzeitige Todesfälle von Kolleg*innen ökonomische Kosten für Betriebe und die gesamte Wirtschaft. Sie führen aber auch zu psychischen Belastungen, ob im Team oder im privaten Umfeld der Betroffenen, und können so weitere Krankheiten verursachen.
„Würden diese bislang versteckten Folgekosten in den Supermarktregalen für Verbraucherinnen und Verbraucher erkennbar, könnten Konsum und Produktion nachhaltiger und wirtschaftlicher werden“, sagt Richter. Eine Möglichkeit, diese Transparenz zu schaffen: den Kosten entsprechende Steuern auf ungesunde Lebensmittel.
Umgekehrt könnten jedoch auch steuerliche Entlastungen auf gesunde, wenig verarbeitete Lebensmittel dazu beitragen, nachhaltige und gesunde Ernährungsgewohnheiten zu fördern.
Matthias Lambrecht, Landwirtschaftsexperte von Greenpeace, sieht dafür ebenso einen erheblichen Hebel in der deutschen Steuerpolitik. Es sei „ziemlich verrückt“ sagt er, dass die Bundesregierung jährlich etwa 5 Milliarden Euro aufwende, um Fleisch- und Milchprodukte durch eine reduzierte Mehrwertsteuer zu entlasten, und so die Probleme des bestehenden Ernährungssystems gar fördere. Das müsse sich ändern.
Zudem brauche es mehr Regeln für Werbende. Werbespots und Anzeigen dürften keine schöne Welt mehr vorgaukeln, sondern müssten über die Auswirkungen ihrer Produkte für Gesundheit und Umwelt aufklären, so Lambrecht.
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