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KorruptionBerliner Ex-Senatorin Dilek Kalayci verurteilt

Stehen die Hochzeitsfeier einer Senatorin und eine Werbekampagne der Gesundheitsverwaltung im Zusammenhang? Das Gericht ist davon überzeugt.

Dilek Kalayci (mitte) mit ihren Anwälten im Gerichtssaal zu Beginn des Prozesses im Januar 2025 Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin | dpa | Berlins frühere Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) ist wegen Bestechlichkeit zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt worden. „Der Vorwurf der Käuflichkeit hat sich bestätigt“, begründete der Vorsitzende Richter Bo Meyer das Urteil des Landgerichts Berlins. Kalayci droht damit der Verlust ihres Ruhegehaltes als Abgeordnete und Senatorin.

Nach Überzeugung des Gerichts stehen die Planung der Hochzeitsfeier der Politikerin und der Auftrag für eine Werbekampagne der Gesundheitsverwaltung durch dieselbe Agentur in Zusammenhang. Der Ex-Senatorin seien die Kosten für Organisation und Feier nicht in Rechnung gestellt worden, weil sich der Firmenchef davon Vorteile versprochen habe.

Den mitangeklagten Chef der Firma sprach die zuständige Wirtschaftsagentur wegen Bestechung schuldig. Der 59-Jährige wurde zu einer Strafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Gericht ordnete zudem die Einziehung von 6.242 Euro bei Kalayci und 9.450 Euro beim Mitangeklagten an. In dieser Höhe sollen die Angeklagten jeweils profitiert haben.

Richter: Vertrauen ins Wanken gebracht

Kalaycis habe das „Vertrauen in Verwaltung, öffentlichen Dienst und Staat ins Wanken gebracht“, sagte Richter Meyer. Damit habe sie Berlin und der Verwaltung schweren Schaden zugefügt. Zugleich berücksichtigte das Gericht bei seiner Entscheidung die wirtschaftlich „massiven Folgen“ für Kalayci, wenn das Urteil rechtskräftig wird.

Die 58-Jährige und der Agentur-Chef hatten in dem Korruptionsprozess bis zuletzt ihre Unschuld beteuert. „Ich versichere nochmals nachdrücklich, ich habe und hätte mich niemals bestechen lassen“, sagte Kalayci zum Abschluss.

Die Ex-Senatorin ist nach eigenen Angaben bis zu einer Durchsuchung ihrer Wohnung am 6. April 2022 davon ausgegangen, dass die erbrachten Leistungen für die Hochzeit längst abgerechnet und bezahlt worden seien. Nach ihrer Darstellung war ihr Mann für die Organisation der Hochzeit zuständig. Er habe eine ausstehende Rechnung der Agentur vergessen zu zahlen. Kalayci selbst sei damals beruflich sehr eingespannt gewesen, was sich durch die Corona-Pandemie Ende Januar 2022 verstärkt habe.

„Konfliktsituation“ geschaffen

Aus Sicht des Gerichts ist jedoch der Zeitpunkt des Auftrags für Planung und Organisation der Feier 2019 entscheidend. Damals sollten durch eine Kampagne zügig dringend erforderliche Nachwuchskräfte für die Pflege gewonnen werden. Hintergrund war eine von der Bundesregierung initiierte neue Ausbildung, die im April 2020 starten sollte.

Die Agentur des Mitangeklagten war der Ex-Senatorin nach eigenen Angaben durch ein Projekt für duale Ausbildungsberufe bekannt, das sie damals überzeugt hatte. Das Unternehmen hoffte auch auf die neue Kampagne.

Allein durch „die auffällige zeitliche Überlagerung“ habe Kalayci eine „Konfliktsituation“ geschaffen, so der Richter. Die Kammer sei überzeugt, dass sie sich einen Vorteil habe verschaffen wollen. „Vielleicht ging es nicht um eine kostenlose Leistung, aber um einen Rabatt“, sagte Meyer. Die Verknüpfung der Aufträge sei auch von Außenstehenden wahrgenommen worden.

Anwalt kündigt Revision an

Mit seinem Urteil folgte das Gericht im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung kündigte an, Rechtsmittel einzulegen. Die Anwälte hatten jeweils einen Freispruch beantragt.

Das Gericht habe Zweifel nicht zugunsten, sondern zulasten der Angeklagten ausgelegt, sagte Kalaycis Verteidiger Robert Unger. Er kündigte wie auch sein Kollege an, in Revision zu gehen. „Wir sind zuversichtlich, dass das Urteil keinen Bestand haben wird“, erklärte Unger.

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3 Kommentare

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  • Für wie dumm will die Frau Ex-Senatorin und der Chef der Wirtschaftsagentur uns eigentlich verkaufen? Eine Wirtschafts(werbe)agentur, die Hochzeiten plant, ist schon einmal seltsam. Dann bekommt diese Agentur direkt nach der Hochzeit einen Auftrag aus dem Ministerium von Frau Kalayci. Das hat schon ein Geschmäckle, klingt nach Klüngel und Vetternwirtschaft. Dann fällt aber weder in der Agentur noch in der Familie Kalayci drei Jahre lang niemandem auf, dass keine Rechnung gestellt wurde? Spätestens am Jahresende 2019, wenn die Steuererklärung fällig wird und eine Jahresbilanz erstellt werden muss, hätte der Firma auffallen müssen, dass noch eine Rechnung offen ist, sei weil sie nicht bezahlt oder noch gar nicht gestellt wurde. Und als Kunde hätte Familie Kalayci auch nachhaken müssen, um nicht negativ überrascht zu werden. Und Ende 2019 gab es die Coronakrise noch nicht, welche Frau Kalayci ihrer Aussage nach so sehr beansprucht hat, dass sie sich um die fehlende Rechnung nicht kümmern konnte. Also noch mal, für wie blöd will diese Frau die Öffentlichkeit verkaufen?

  • Ziemlich offensichtlich die Tatsachen.

    • @womzie:

      Ziemlich offensichtlich, dass man die Tatsachen auch anders interpretieren kann. Lassen wir den BGH seine Arbeit machen.