das portrait: Whistleblower Frank Grevilist in Flensburg gestrandet

Zwei Staaten, zwei Rechtssysteme und ein Mann, der zwischen beiden in der Klemme sitzt: Frank Søholm Grevil entlarvte einst einen dänischen Ministerpräsidenten als Lügner. Heute lebt der ehemalige Geheimdienstoffizier in Flensburg und steht wegen psychischer und Suchtkrankheiten unter Betreuung. Doch Betreuung über die Grenze hinweg ist schwierig. Nun droht dem 65-Jährigen die Obdachlosigkeit.
„Frank steckt in der Falle“, sagt Armin Wolff, der gesetzliche Betreuer des dänischen Staatsbürgers. Das Problem nimmt kafkaeske Ausmaße an: Grevil hat Mietschulden und könnte daher aus seiner Wohnung geklagt werden. Normalerweise ist in so einem Fall das Wohnungsamt der Stadt Flensburg zuständig. Mit dem Amt sei er in Kontakt, berichtet Wolff. Aber es fehlen Dokumente, vor allem ein Einkommensnachweis.
An den und ein mögliches Guthaben auf einem dänischen Konto kommt der Betreuer aber nicht heran: „Die dänische Bank erkennt meine Vollmacht nicht an.“ Auch das dänische Konsulat konnte nicht weiterhelfen, erzählt Wolff. Auf seine Anfrage wurde ihm gesagt, dass sich der Sozialstaat um Grevils Unterbringung kümmern würde, wenn der denn in Dänemark lebte. Für jemanden, der sich in Deutschland aufhalte, gebe es aber keine konkrete Hilfe. Einen Umzug könne Grevil in seinem aktuellen Gesundheitszustand aber nicht organisieren, sagt sein Betreuer.
Dass staatliches Handeln nicht immer hilft, sondern sogar gegen Menschen gerichtet sein kann, hat Frank Grevil vor mehr als zwei Jahrzehnten herausgefunden. Anfang der 2000er Jahre wollte die US-Regierung einen Regimewechsel im Irak. Im März 2003 startete eine Invasion, an der sich auch Dänemark beteiligte. Die offizielle Begründung für den Krieg lautete, dass der Irak zum damaligen Zeitpunkt Massenvernichtungswaffen herstellte oder besaß. Angeblich gab es dafür geheimdienstliche Beweise.
Auf diese Beweise berief sich auch Dänemarks Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen von der konservativen Venstre-Partei. Doch im Jahr 2004 wandte sich ein Offizier des dänischen Auslandsnachrichtendienstes an die Presse. Er hatte irakische Dokumente untersucht und dort keinen Beleg für Waffen gefunden. Dieser Offizier war Grevil. „Ich hatte genug von diesem Lügenkonstrukt“, sagt er in der dänischen Dokumentation „Being Frank“, die sein Leben nach seiner Tat zeigt.
Der Staat reagierte mit Härte: Grevil wurde für den Geheimnisverrat zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Vor Beginn der Strafe sorgte er sich vor allem um seine damals noch minderjährigen Kinder, die der Witwer allein betreut. „Ich weiß nicht, ob die Minister sich noch an meinen Namen erinnern, aber klar ist, dass sie Rache wollen“, sagt er in dem Film.
Heute sei der frühere Geheimdienstoffizier schwer krank, berichtet sein Betreuer Wolff. Für ihn ist es ein Skandal, dass jemand, der aus Liebe zur Wahrheit seine Stellung riskiert hatte, nun in dieser Lage sei: „Öffentlich werden Whistleblower gelobt, aber wenn es später schwierig wird, ist niemand für sie da.“
Aktuell läuft ein Amtshilfeverfahren, um die Bank zu bewegen, die Vollmacht des Betreuers anzuerkennen. Wolff hofft, dass die amtlichen Mühlen schnell genug mahlen, um Grevil die Obdachlosigkeit zu ersparen. Esther Geißlinger
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