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Jahresbericht zu TodesstrafenImmer mehr Hinrichtungen weltweit

Es ist die höchste Zahl an Hinrichtungen seit 2015, warnt Amnesty International in ihrem Jahresbericht. Insbesondere in Iran nehmen die Fälle zu.

Protestaktion vor der Botschaft der Islamischen Republik Iran nach der Hinrichtung des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd, 2025 Foto: Frederic Kern/imago

Berlin taz | Die Zahl der weltweiten Hinrichtungen ist im Jahr 2024 auf den höchsten Stand seit einem Jahrzehnt gestiegen. Das geht aus dem alljährlichen Todesstrafenbericht von Amnesty International hervor. Darin dokumentiert die Menschenrechtsorganisation mindestens 1.518 Hinrichtungen in 15 Ländern – ein Anstieg um 32 Prozent zum Vorjahr.

Etwa zwei Drittel dieser Exekutionen wurden in Iran vollstreckt. Mehr als 972 Menschen wurden dort zu Todesstrafen verurteilt. Damit ist das Land für einen Großteil der weltweit registrierten Hinrichtungen verantwortlich – und steht vor allem wegen der drastisch gestiegenen Zahl von hingerichteten Frauen im Fokus. Nur China dürfte mit Tausenden nicht veröffentlichten Exekutionen noch mehr Menschen getötet haben.

637 der weltweit registrierten Hinrichtungen standen im Zusammenhang mit Drogendelikten – allein in Iran waren es 505, mehr als die Hälfte aller Exekutionen dort. In Iran wurden außerdem mindestens vier Menschen öffentlich hingerichtet und vier für Taten, die sie als Minderjährige begangen haben sollen.

Von den Hingerichteten in der Islamischen Republik waren außerdem mindestens 30 Frauen. Es ist die höchste bekannte Zahl seit 2010 – und mehr als in jedem anderen Land. Viele der betroffenen Frauen waren selbst Opfer – von Kinderehen, sexualisierter Gewalt, häuslicher Misshandlung. In vielen Fällen war der Mord, für den sie später verurteilt wurden, ein letzter Ausweg aus jahrelangem Missbrauch.

Politische weibliche Gefangene erstmals verurteilt

Sie stammten häufig aus Minderheiten, waren jung, wirtschaftlich abhängig und hatten vor Gericht kaum Chancen auf faire Verfahren. Zum ersten Mal nach 15 Jahren werden auch wieder Frauen mit politischen Anklagepunkten zum Tode verurteilt. Das sei „eine neue Stufe der Eskalation“, erklärt Mariam Claren von der Menschenrechtsorganisation Háwar.help. „Dies ist ein Akt der Rache an Frauen, die die Speerspitze des Widerstands gegen das Regime bilden.“

Derzeit droht unter anderem der kurdischen Aktivistin Verisheh Moradi die Hinrichtung. Moradi wurde 1985 in der größten kurdischen Stadt in Iran Sanandaj geboren. Schon als Kind war sie Diskriminierung ausgesetzt – als Mädchen in einer patriarchalen Gesellschaft und als Kurdin unter einem repressiven Regime.

Trotz der Widerstände engagierte sie sich für andere: Sie arbeitete mit Organisationen zur Suchtprävention, unterstützte Waisenfamilien und gefährdete Gemeinschaften in Iran, etwa bei der Hilfsorganisation Roter Halbmond. Später schloss sie sich der „Free Women’s Society of Eastern Kurdistan“ (KJAR) an, wo sie für Frauenrechte kämpfte – und schließlich gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS). 2014, während des IS-Vormarschs auf Rojava, verließ sie ihre Heimat, um sich dem Widerstand in Kobane anzuschließen. Dort erlebte sie den Krieg in all seiner Brutalität.

Moradi sitzt in Haft

Im September 2023 kehrte sie nach Iran zurück und wurde kurz darauf verhaftet. Vier Monate lang blieb ihr Aufenthaltsort unbekannt. In dieser Zeit war sie Opfer des „erzwungenen Verschwindenlassens“, erlitt schwere körperliche und psychische Folter. Sie ist derzeit im Evin-Gefängnis inhaftiert, ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich täglich. Nun droht ihr die Hinrichtung.

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