piwik no script img

30 Kilometer von Micha Zauners Lithium-Bohrproben entfernt haben die Vicuñas das goldgelb-schimmernde Wasser noch für sich Foto: Viola Diem

Lithium in LateinamerikaAlle wollen es, alle brauchen es

Der Geologe Micha Zauner sucht in Argentinien nach Lithium für die deutsche Industrie. Er will es nachhaltiger abbauen als andere. Geht das überhaupt?

Stefan Hunglinger
Von Stefan Hunglinger aus El Peñón

M icha Zauner holpert mit seinem silberfarbenen Geländewagen durch die Geröllwüste im Nordwesten Argentiniens. Rosa, gelb, schneeweiß, rostrot – die Hügel und Berge rechts und links der Piste leuchten bunt, sie stecken voller seltener Mineralien. Zauner kneift die Augen in der Sonne zusammen, schaut aus den Autofenstern in alle Richtungen, ist auf der Suche. Auf der Suche nach seinen Kollegen, die irgendwo hier eine Probe­bohrung machen sollen. Und letzten Endes auf der Suche nach Lithium für die deutsche Industrie.

Das „weiße Gold“ ist zentral für eine Energiewende, wie Europas Green Deal sie vorsieht. Um Strom aus erneuerbaren Energien zu speichern, etwa in Elektroautos, braucht man große Batterien. Und für solche Akkus braucht man viel Lithium. Alle wollen und brauchen es, doch das Leichtmetall ist auf der Erde ganz und gar nicht gleichmäßig verteilt. Mehr als die Hälfte aller bekannten Vorkommen liegen hier oben in den Anden, rund um das Dreiländereck von Argentinien, Chile und Bolivien.

Micha Zauner, Sonnenbrille, grünes T-Shirt, khakifarbene Outdoorhose, ist Geologe und Vorstand des Lithium-Start-ups „Deutsche E-Metalle AG“, kurz DEM AG. Noch sei Europas Industrie von China abhängig, sagt der 38-Jährige, und von kanadischen und australischen Lithium-Firmen. Doch das soll sich ändern. „Die deutsche Politik hat sich Lateinamerika zugewandt“, sagt Zauner und freut sich. Doch das argentinische Lithium, das er für deutsche Investoren und Abnehmer sichern will, muss er erst mal finden. Und dann sind da noch Anwohner:innen, die große Bedenken haben.

Ganze Herden von Vicuñas, die kleinen Alpaka-Verwandten, schauen Zauners staubigem Auto nach. Dann senken sie ihre Köpfe wieder in dürre Büsche und Sträucher. Regen fällt hier auf über 3.500 Metern nur wenig. Die Luft ist dünn, Wasser extrem kostbar.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Links neben der Piste taucht ein grüner Fleck auf, mageres Gras um einen gelb-weißen Teich, eine Holzhütte. „Die gehört einem Viehzüchter“, sagt Zauner. „Mit dem müssen wir uns auch abstimmen.“ Dass die DEM AG die Explorationsrechte für 70.000 Hektar in der Gegend um die Ortschaft El Peñón gekauft hat, macht einigen Menschen dort Sorgen. Wo die Lithiumsole aus dem Boden gesogen wird, könnte Grundwasser nachfließen, sich mit Salzen vermischen und giftig werden für Tier und Mensch. Seit Jahren kämpfen Indigene am nördlich von hier gelegenen Salzsee Hombre Muerto dagegen, dass ihnen Bergbauunternehmen das Wasser abgraben. BMW zum Beispiel bezieht sein Lithium von dort.

Micha Zauner will es besser machen. Sollte er bei seinen Probebohrungen auf konzentrierte Vorkommen stoßen und sollte er genügend Investoren für sein Vorhaben finden, will er die Direct Lithium Extraction (DLE) nutzen. Diese Methode soll weniger Wasser verbrauchen als das herkömmliche Verdunstungsverfahren in großen Becken. Für die Menschen vor Ort könne sich eine Investition seiner Firma sogar lohnen, sagt Zauner. Am nächsten Morgen will er bei einer Beteiligungsveranstaltung die Anwohnenden überzeugen. Doch zuerst muss er noch die Probebohrung finden.

Mileis Politik macht Zauner Hoffnung

Nach einer Viertelstunde werden die Bohrmaschinen in einer Senke rechts der Piste sichtbar. Bohrmeister Patrico Luppi und zwei Mitarbeiter fahren gerade schon den blauen Bohrturm in die Senkrechte. 15 Zentimeter Durchmesser hat das Bohrrohr, immer wieder werden 3-Meter-Stücke angeschraubt, bis die Lithiumsole erreicht ist, die Micha Zauner in 500 Metern Tiefe vermutet.

Drei solcher Testbohrungen will Micha Zauner machen, bis zu zehn könnte es brauchen, um fündig zu werden. 500.000 Dollar zahle er für eine davon. Mehr als 10 Millionen Dollar seien schon ins Projekt geflossen, bis zu 50 Millionen müsse er in den kommenden Jahren investieren. Würde er fündig, bräuchte die DEM AG eine halbe Milliarde Dollar, um eine Anlage zu errichten. Dafür muss Zauner noch kräftig um Investitionen werben, bei Einzelanlegern, bei den deutschen Autobauern. Doch Volkswagen steigt gerade bei einer kanadischen Lithiumfirma ein, und sonst halten sich die Autokonzerne momentan eher zurück.

Wo geht's rein? Der Unternehmer Micha Zauner im Gespräch mit Bohrmeister Patricio Luppi Foto: Viola Diem

Dabei versucht Argentiniens anarchokapitalistischer Präsident Javier Milei alles, um ausländische Investoren ins Land zu locken. Umweltauflagen sollen fallen, so sieht es sein „Rigi“-Gesetz vor. 30 Jahre lang sollen große ausländische Firmen von Steuern befreit werden. Allein durch den Bergbausektor sollen 25 Milliarden ins Land fließen.

Zauner setzt seine Hoffnung auf Mileis Anreize: „Dass die Devisen- und Zollbeschränkungen wegfallen, ist enorm wichtig für uns.“ Doch, so sagen es selbst liberale Ökonomen: Javier Mileis impulsive Kettensägenpolitik könnte deutsche In­ves­to­r:in­nen abschrecken, denn die wollen vor allem Stabilität. Und viele im von Wirtschaftskrisen gebeutelten Argentinien fragen sich: Was haben wir eigentlich von Investitionen, wenn die Unternehmen keine Steuern zahlen?

Micha Zauner hat Argentinien nach der Schule kennengelernt, in einem freiwilligen sozialen Jahr. Anschließend hat der Baden-Württemberger an der Bergakademie im sächsischen Freiberg Geologie studiert und an der TU Clausthal promoviert. In Australien, Brasilien und Kanada hat er Bergbauprojekte begleitet, bevor er in das DEM-Start-up einstieg. Die Energiewende sei ihm wichtig, sagt Zauner, er stehe den Grünen nahe. 2023 war es SPD-Kanzler Olaf Scholz, der Zauner auf seiner Rohstoff-Reise durch Lateinamerika mitgenommen hat.

„Der Offtake soll zu 100 Prozent nach Deutschland gehen“, sagt Zauner. Der gesamte Ertrag, 20 bis 30 Tausend Tonnen Lithium sollen das jährlich sein. Doch sein Projekt solle auch Argentinien zugutekommen. Die Verarbeitung von Sole bis Karbonat soll idealerweise im Land stattfinden. Den Ausbau von Straßen und Schulen in der Region könne sein Projekt voranbringen, für besseres Internet sorgen.

Der Bergbau ist in Argentinien auf Provinzebene reguliert, noch setzen die Provinzgouverneure der Kettensäge von Präsident Milei Grenzen. Noch muss Micha Zauner hier also Auflagen einhalten, auch wenn der Bergbauminister der Provinz Catamarca seinem Projekt gewogen ist. Mit der noch obligatorischen Studie zur Umweltverträglichkeit des Projekts hat Zauner die Beratungsfirma Grupo Territorio beauftragt. Im April 2024 bekam er Rückmeldung aus der Provinzhauptstadt San Fernando: In 25 Punkten musste er nachbessern. Einen Monat brauchte Zauner, um die Liste abzuarbeiten, im August bekam er die Genehmigung für die erste Testbohrung. Auch deren Ergebnisse muss er der Provinzregierung vorlegen.

Die will auch, dass die lokale Bevölkerung informiert und beteiligt wird, und so hat die Grupo Territorio an einem Vormittag im November 2024 den Gemeindesaal von El Peñón reserviert. Micha Zauner hat bei der Wirtin des Ortes ein Buffet bestellt.

Die Leute hier sind bescheiden, sie reden nicht viel

Diego Salva, Anwohner

Um 10 Uhr morgens steht ein Aufsteller mit dem Logo der DEM AG vorn im Raum. „Wir sichern den Zugang zu strategischen Rohstoffen“ steht darauf. Auf Deutsch allerdings. Bohrmeister Patricio Luppi ist gekommen und seine beiden Mitarbeiter, Leute von der Gemeindeverwaltung, von der Grupo Territorio und von der Minenorganisation Catamarca. Und eine Handvoll der 600 Be­woh­ne­r:in­nen von El Peñón. Bei der Beteiligungsveranstaltung im März hätte es größeres Interesse gegeben, sagt Zauner. Ist ein Mittwochvormittag für arbeitende Menschen vielleicht nicht ideal? Die Chefin der Beratungsfirma widerspricht: Am Abend müssten sich die Dorf­be­woh­ne­r:in­nen um ihre Tiere kümmern.

Nachdem sie das Buffet aufgebaut hat, bittet Micha Zauner auch die Wirtin, sich auf einen der Plastikstühle zu setzen. Dann steht einer der Bürger auf und sagt: „Tengo miedo“ – „Ich habe Angst“. „Wir wollen hier keine Probleme mit dem Wasser wie am Hombre Muerto“, sagt der Mann mit Namen ­Diego Salva.

Dann will er wissen, wo genau sich die Bohrstellen befinden. Zauner zeigt sie ihm auf einer Karte. Darauf seien die volkstümlichen Namen der Orte verzeichnet, betont die Beraterin von Grupo Territorio. Ein bis zwei Hilfskräfte könnten bei der Erkundung des Geländes Arbeit finden, sagt sie.

„Was ist mit den Flamingos?“, fragt Diego Salva, der sein Geld mit Tou­ris­t:in­nen verdient, die in die spektakuläre Wüstenlandschaft kommen. Die Gutachterin beschwichtigt den Mann, redet seine Sorgen klein: Die rosa Vögel könnten nach den Bohrungen zurückkehren, überhaupt gehe es ja erst mal nur um die Erforschung des Gebietes und noch nicht um den konkreten Abbau. Salva ist der einzige im Gemeindezentrum, der gegen den Lithiumabbau argumentiert. Zauner, die Grupo Territorio, alle andere hier reden auf ihn ein.

Auch Micha Zauners Argument, dass sein Projekt die Infrastruktur in der Region voranbringen könnte, überzeugt Salva nicht ganz. „Stellen Sie sich vor, jemand kommt in ihr Dorf in Deutschland und will dort das Grundwasser abpumpen“, sagt er nach der Veranstaltung vor dem Gemeindezentrum, „Der Lithiumabbau braucht viel Wasser.“

Doch warum gibt es hier in El Peñón keinen großen Protest wie im Norden am Hombre Muerto? „Die Leute hier sind bescheiden, sie reden nicht viel“, sagt Diego Salva.

Recherchestipendium Lithium

Dieser Text entstand im Rahmen einer Recherchereise des Vereins Journalists Network, bezuschusst unter anderem von der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Zwischen Finden und Fördern vergehen viele Jahre

Anruf bei Micha Zauner im März dieses Jahres. Bei der Bohrung im November hätte er kein Lithium gefunden, sagt er. Dafür Frischwasser. „Vom Fundraising-Punkt ist das nicht so toll“, aber für die Lithiumverarbeitung brauche man ja auch Wasser. Bei einer zweiten Bohrung sei er tatsächlich auf das weiße Gold gestoßen. Zu einer dritten Probebohrung will Micha Zauner bald die interessierten Bürger von El Peñon mitnehmen. Und einige Investoren aus Deutschland.

„Wir hätten uns eine Beteiligung der Grünen in der neuen Regierung gewünscht“, sagt Zauner über die politischen Veränderungen nach der Bundestagswahl. Aber vielleicht sei der Einfluss der Partei in der Opposition sogar größer als vorher. „Unser Wunsch ist, dass von den Klimageldern etwas in die Rohstoffförderung geht.“ Gemeint sind die 100 Milliarden Euro Sondervermögen, die im Rahmen der Aussetzung der Schuldenbremse im Bundestag beschlossen wurden.

17 Jahre liegen durchschnittlich zwischen der Auffindung und der Förderung von Lithium. Micha Zauner will, dass es bei seinem Projekt schneller geht. Obwohl die Nachfrage nach E-Autos zuletzt eingebrochen ist, rechnet er fest mit dem langfristigen Bedarf. Lithium sei schließlich auch für die Rüstungsproduktion wichtig. Bis zum Ende des Jahrzehnts will er in Argentinien mit der Direct Lithium Extraction beginnen. Welche Folgen die langfristig auf das Grundwasser rund um El Peñón hat, das gibt Micha Zauner zu, kann auch er, der Geologe, nicht sagen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Nein, das geht nicht.

  • taz: *Der Geologe Micha Zauner sucht in Argentinien nach Lithium für die deutsche Industrie. Er will es nachhaltiger abbauen als andere. Geht das überhaupt?*

    Klar geht das. Man muss nur das Wort 'Nachhaltig' überall davor oder dahinter schreiben, dann ist es auch sofort nachhaltig.

    taz: *Micha Zauner, Sonnenbrille, grünes T-Shirt, khakifarbene Outdoorhose, ist Geologe und Vorstand des Lithium-Start-ups „Deutsche E-Metalle AG“, kurz DEM AG.*

    Zauner ist Geologe und im Vorstand des Lithium-Start-ups DEM AG. Was da wohl jetzt überwiegt? Nun ja, Geld hat ja schon immer sehr gute Argumente gehabt. Und wenn wir den Planeten jetzt total ausräubern, nur um weiterhin 'nachhaltigen Blödsinn' (Akkus für Elektroautos etc.) zu produzieren, dann wird das wohl alles auch Okay sein mit der "Nachhaltigkeit".

  • Hübsch, wie wir uns in die Tasche lügen. Weniger schädlich als andere Extraktionsverfahren ist halt immer noch schädlich, dazu die geplanten Investitionen in die notwendige Infrastruktur. Womit weitere Umweltzerstörungen fest eingeplant sind... Und alles dafür, damit unsere umweltzerstörende Mobilität weiter laufen kann. Wenn man verstehen will, warum Nachhaltigkeit ein leeres Konzept ist, dann analysiere man das Modell der E-Mobilität von der ersten Probebohrung für die Rohstoffe bis zur letzten Schraube des fertigen Produkts. Umweltzerstörung von Anfang bis Ende und ohne Einsatz fossiler Energien ist der Produktionsprozess nicht zu haben.



    Aber schön angeschwindelt ist halt auch gelogen.