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Landesweiter Streik legt Belgien lahm

Kulturschaffende, Arbeiter und Gewerkschaften rufen am Montag einen Generalstreik aus. Ihr Protest richtet sich gegen die Kürzungspläne der rechtslastigen Regierung

Rien ne va plus. Auch am Bahnhof des Brüsseler Flughafens bewegt sich am Montag nichts. Foto: Yves Herman/reuters

Aus Brüssel Eric Bonse

So viele Schauspieler, Statisten, Comiczeichner und andere Künstlerinnen und Künstler hat das Brüsseler Théatre de la Monnaie schon lange nicht mehr gesehen. Mehrere Hundert Kulturschaffende haben sich am Montag vor dem berühmten Theater im Herzen Brüssels versammelt, um gegen die rechtslastige belgische Regierung und ihre Kürzungspläne zu protestieren. „Die Faschisten hassen die Kultur“, steht auf einem Plakat. „Die Kultur ist eine Waffe“, heißt es auf einem anderen.

Die Kulturarbeiter protestieren dagegen, dass die Regierung um den flämischen Nationalisten Bart De Wever das sogenannte Künstlerstatut streichen will. Dieses Statut hilft bislang vielen Künstlern dabei, sich finanziell über Wasser zu halten. Ohne diesen Schutz drohe der kulturelle Kahlschlag, so die Sorge.

Doch nicht nur der Kultursektor war am Montag auf den Barrikaden. Studenten, Lehrer, Bahn- und Busfahrer, Müllwerker, Gefängniswärter und Supermarktverkäufer probten den Aufstand. Mit ihrem landesweiten Streik protestierten sie und ihre Gewerkschaften gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung.

Die Folgen waren überall im Lande zu spüren: Am Flughafen Brüssel wurden am Montag alle abgehenden Passagierflüge gestrichen. Der Flughafen Charleroi war komplett dicht. An den Seehäfen Gent, Antwerpen und Zeebrügge legten die Lotsen die Arbeit nieder, wodurch der Schiffsverkehr auf der Nordsee gestört war.

Was De Wever plane, sei eine „Kriegserklärung“ an die Arbeitnehmer und Rentner, klagen die Gewerkschaften. „Es fehlt generell an Respekt“, so die christliche Gewerkschaft CSC, die mit 1,5 Millionen Mitgliedern zu den größten in Belgien zählt. „Wir müssen ein klares Signal aussenden.“ Daher habe man den Generalstreik ausgerufen.

Für Empörung sorgt nicht nur die geplante Rentenreform, die zu Kürzungen bei den vergleichsweise gut gestellten Bahnmitarbeitern, Polizisten und Lehrern führen würde. Die Regierung will auch den Bezug der Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre begrenzen, die Rentner zum längeren Arbeiten anhalten und im öffentlichen Dienst kürzen.

Gleichzeitig plant sie – nicht zuletzt auf Druck von EU und Nato – eine massive Erhöhung der Rüstungsausgaben. Um die Nato-Vorgabe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts noch in diesem Jahr zu erreichen – statt wie ursprünglich vereinbart erst 2029 –, fallen Mehrkosten von rund 4 Milliarden Euro an.

„Die Faschisten hassen die Kultur“, steht auf einem Plakat

Nur durch Neuverschuldung ist das nicht zu stemmen, da sind sich die Regierungsparteien einig. Nun geht es um die Frage, welche Kürzungen in anderen Ressorts fällig werden. Im Gespräch ist eine Kürzung der Entwicklungshilfe, das Kindergeld auf die ersten drei Kinder zu begrenzen oder die belgischen Regionen zur Kasse zu bitten.

Die Diskussionen sorgen nicht nur für Unmut bei den Bürgern, sondern auch für Streit in der Regierung. Schon vor der Regierungsbildung gab es Streit über nötige Reformen und die soziale Balance. Vor allem die Sozialdemokraten von Vooruit forderten, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen und Gewinne aus Aktienverkäufen zu besteuern. Am Ende setzten sich aber vor allem die Liberalen um MR-Chef Georges-Louis Bouchez durch.

An der wirtschaftsliberalen Linie dürfte sich vorerst nichts ändern. Man verstehe den Unmut vieler Bürger, hieß es am Montag am Regierungssitz in der Brüsseler Rue de la Loi. Doch die Reformen seien alternativlos und würden durchgezogen. Doch auch die Gewerkschaften machen weiter – für den 29. April ist der nächste Aktionstag geplant.

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