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Studie zur BäckereibrancheImmer mehr Brot aus der Fabrik

Das Bäckereihandwerk ist auf dem Rückzug. Arbeitsplätze gehen verloren und der Anteil von Teilzeitjobs nimmt zu.

Was für die Nase und den Bauch: duftendes Brot, frisch aus dem Ofen Foto: Jose Luis Carrascosa/imago

Berlin taz | Großbäckereien verdrängen immer mehr Handwerksbetriebe. Die Zahl der Betriebe des Bäckerhandwerks habe allein in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent abgenommen, teilte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) am Montag mit. Großbetriebe mit 250 und mehr Beschäftigten hatten demnach im selben Zeitraum einen Zuwachs von etwa 18 Prozent.

Seit 2014 sind laut NGG insgesamt 20.000 Arbeitsplätze verlorengegangen. Gleichzeitig stieg der Anteil an Teilzeitkräften unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigen in der Branche von 30 auf 39 Prozent. Die NGG fordert Jobs mit Tarifbindung und guten Arbeitsbedingungen. In Handwerksbäckereien und Filialbäckereien ist laut Branchenanalyse häufig die Bezahlung niedrig. In der Industrie sind zwar die Löhne höher, „aber die dortige Schichtarbeit belastet die Beschäftigten“, erklärte die NGG.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gibt es im Backgewerbe 8100 Betriebe. Davon sind 60 Prozent Kleinstbetriebe, mit weniger als 10 steuerungspflichtigen Beschäftigten. Der Marktanteil von 55 Betrieben mit je über 50 Millionen Euro Umsatz beträgt allerdings ganze 36 Prozent. Insgesamt beschäftigt die Branche 282.000 Menschen und erwirtschaftete 2023 21,8 Milliarden Euro Umsatz.

Der Trend gehe dahin, dass es immer weniger Betriebe geben wird – die Großen werden immer größer, so Stefan Strack, Studienleiter für die Hans-Böckler-Stiftung bei der Pressekonferenz. Eine gute Chance, gegen die Großbetriebe anzukommen, haben laut NGG-Vorsitzendem Guido Zeitler besonders kleinere, individuelle Bäckereien, die Nischenprodukte herstellen.

Die Bäckereibranche hat eine lange Tradition in Deutschland. „Das ist Kunst, die da gemacht wird, und Kunst braucht Leidenschaft“, sagt Zeitler. Doch die aktuellen Arbeitsbedingungen machen es schwer, dass dieser nachgegangen wird. Beschäftigte klagen der Studie zufolge besonders über starken Zeitdruck, Stress, viele Überstunden, die Angst vor Altersarmut und viel fehlendes Personal.

„Backen ist auch Vielfalt“, sagte Zeitler. Migration spielt für die Bäckereibranche eine zentrale Rolle. Fast ein Viertel der Auszubildenden sind Mi­gran­t:in­nen und die Anzahl von in Deutschland beschäftigten Aus­län­de­r:in­nen im Backgewerbe hat sich seit 2014 fast verdoppelt auf etwa 51.000.

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6 Kommentare

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  • Seien wir nett zu den richtigen Bäckern (die ohne Teiglingaufbacken und aufs Trottoir die Luft blasen). Wir brauchen nicht pseudo-"frische" Brötchen, aufs Äußere optimiert, sondern welche, die problemlos zwei Tage halten würden.



    Aber keine Illusionen, es sind auch hierbei zumindest kleine Ketten, die bessere Chancen haben.

  • Wir haben seit Corona einen Backautomaten. Der rechnet sich bei uns echt. Programmierbar. Jeden Tag frisches, je nach Tageszeit sogar warmes Brot oder Semmeln. Eigene Rezepte, genaue Kenntnisse über die Zutaten. Lecker.

  • Echte Bäcker sterben langsam aus



    Während man unsere Kleinbäcker in Bürokratie ertränkt und mit den fast höchsten Strompreisen Weltweit gegen die Wand drückt, produziert man im Ausland das Brot zum viertel- bis halben Preis wie bei uns. Unsere Kleinbäcker nehmen das Mehl vom Bauern "um die Ecke", die Brotfabriken billigstes Importmehl.



    Ein Großteil der Kunden muss sparsam mit dem Geld umgehen und greift zur Roggenkruste vom Discounter für rund 1,80€/kg, statt für 4,60€ vom echten Bäcker.



    Die Familienbäckereinen sterben langsam aus, so wie es die Metzgereien schon lange tun. Vor 60 Jahren gab es in Deutschland noch 55.000 kleine Bäckereien (Westdeutschland), davon sind 9.242 (allerdings mit vielen Filialen) übrig geblieben.



    Quelle: www.baeckerhandwerk.de/zahlen-fakten

  • Das ist leider so. Hier im Ort hat vor ein paar Jahren der letzte echte Bäcker zugemacht. Also einer, der noch komplett selbst gebacken hat. War das lecker!



    Jetzt gibt es nur noch das Fertigzeug, das vor Ort aufgebacken wird. Schmeckt alles gleich, ist bei den Teilchen oft in Zuckerguß ertränkt und widerlich süß.



    Was genau da drin ist: in D darf ja etwas als Brot bezeichnet werden, wenn es mindestens 30% Mehl enthält. Was der Rest ist, will ich das wissen?



    Also back ich lieber mein Brot selber. Da weiß ich, was ich verwendet habe.

  • Die Entwicklung war erwartbar und hat vor allem auch die Politik der letzten Jahren als Ursache.

    Denn "handwerkliches" Backen ist schon prinzipbedingt teurer als "Fabrikware" .

    Und "kleine" Bäcker hat neben hohen Personalkosten auch hohe Energiekosten -- vor allem Strom für elektrische Öfen.

    Jetzt kommen zwei Faktoren zusammen.

    1.) Eine Energiepreis-Explosion



    --> Welche die Kosten der Bäcker "treibt"

    2.) Deutliche Reallohn-Verluste für große Teile der Bevölkerung,



    --> die Infolge "am Essen" sparen und versuchen "billiger" einzukaufen.

    Fazit:

    Wer "handwerklich" arbeitende Bäcker erhalten will darf keine Politik betreiben welche Reallöhne senkt und Energie immer nur verteuert.

  • Das geht schon seit Jahren so. Die kleinen Bäckereien auf dem Land kann man doch seit Jahren mit der Lupe suchen. Wer will sich die Arbeit denn noch antun, unser alter Bäcker war weiß wie die Wand, weil er vor lauter Nachtarbeit kaum rauskam.



    Heute finden die Filialbäcker ja noch nicht mal mehr Leute, die die Teiglinge richtig aufbacken können, entweder gibt es kleine Schrumpelbrötchen oder aufgeblähte Riesen. Wenn sich der Preisunterschied vom Filialbäcker zu den Backstationen der Discounter wenigstens in der Qualität wiederspiegeln würde. Handwerksbäcker fällt bei mir aus, 10km einfache Fahrt für ne Tüte Brötchen ist weder ökologisch noch zeitlich darstellbar.