Schuldenbremse und Sondervermögen: Die Grünen in der Zwickmühle
Wegen der nötigen Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung wird es wohl auf die Stimmen der Grünen ankommen. Was fordert die Partei im Gegenzug?

Eine zweite Frage lässt sich dagegen noch nicht eindeutig beantworten: Was lassen sich die Grünen ihre Zustimmung zu den schwarz-roten Finanzplänen im Bundestag kosten? Wegen der nötigen Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung wird es wohl auf ihre Stimmen ankommen. Dadurch steckt die Partei in einer Zwickmühle.
Einerseits: Kredite in Höhe von Hunderten Milliarden Euro für Investitionen in Infrastruktur und die Bundeswehr – das entspricht dem eigenen Wahlprogramm der Grünen. Dass es die neuen Kredite nicht ausschließlich in Form von zeitlich befristeten Sondervermögen gibt, sondern Union und SPD auch gleich noch eine teilweise Reform der Schuldenbremse (fürs Militär und die Haushalte der Länder) anstreben – das ist mehr, als in den letzten Tagen zu erwarten war.
Andererseits: Eigentlich wollen die Grünen noch mehr, nämlich umfassendere Änderungen der Schuldenbremse, höhere Investitionen in sicherheitsrelevante Bereiche auch neben dem Militär und einen expliziten Schwerpunkt auf die Klimapolitik.
Jetzt bloß nicht zu billig verkaufen?
Aus der Opposition heraus werden sie in den nächsten Jahren nicht mehr häufig die Gelegenheit bekommen, Bedingungen zu stellen. Und nach der Niederlage bei der Bundestagswahl sind in der Partei viele der Ansicht, es habe in den Ampeljahren an Durchsetzungskraft gefehlt. Also: Jetzt bloß nicht zu billig verkaufen?
Besonders vernehmbar pocht darauf die Grüne Jugend. Bundessprecher Jakob Blasel forderte die Grünen-Spitze am Mittwoch auf, hart zu verhandeln. „Den aktuellen Vorschlag halte ich nicht für mehrheitsfähig.“ Wenn er so bliebe, dürften die Grünen nicht zustimmen.

Die Grüne Jugend fordert eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse und dauerhafte Ausnahmen nicht nur für Verteidigung, sondern auch für die Bereiche Bildung, soziale Gerechtigkeit, Infrastruktur und Klimaschutz. „Friedrich Merz braucht uns, wir brauchen Friedrich Merz nicht“, sagte die Co-Vorsitzende Jette Nietzard.
Auch anderen, vor allem aus dem linken Parteiflügel, geht der Vorschlag von Union und SPD nicht weit genug. Parteivize Sven Giegold will zwar nicht von roten Linien für die anstehenden Verhandlungen sprechen, formuliert aber ein „positives Ziel“ für die Gespräche mit Schwarz-Rot: „Bei den Änderungen an der Schuldenbremse braucht es eine Klärung für Investitionen aller Art, für militärische wie für zivile“, sagte er der taz.
Es muss eine schnelle Entscheidung geben
Schwarz-Rot schlägt zwar vor, dass eine Expertenkommission in den kommenden Monaten über eine Reform auch über die Militärausgaben hinaus berät. Darauf vertraut Giegold aber nicht: Kein Mensch wisse, ob bei so einer Kommission eine Einigung rauskomme.
Und diejenigen, auf die es jetzt vor allem ankommt? Federführend sind in den Verhandlungen die Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann. Sie sprachen nach einem ersten Gespräch mit Friedrich Merz am Mittwoch von einer „anständigen“ Atmosphäre, verrieten keine Details – und formulierten stattdessen Fragen für die nächsten Termine in den kommenden Tagen.
Unter anderem: Muss es unbedingt eine schnelle Entscheidung mit den Mehrheiten des alten Bundestags geben, oder reicht es auch nach der Konstituierung des neuen Parlaments? Dann wären auch die Stimmen der Linken nötig, und damit wäre eine Reform der Schuldenbremse speziell fürs Militär vom Tisch.
In der eigenen Fraktion werden Dröge und Haßelmann als harte Verhandlerinnen geschätzt. In der Ampelzeit, heißt es, waren sie oft standhafter als andere Spitzengrüne. Auch deshalb sitzen sie jetzt in den Gesprächen wieder am Tisch. Auch Annalena Baerbock war jetzt als Fraktionschefin im Gespräch, ihr Rückhalt unter den Abgeordneten war nach den Regierungsjahren aber begrenzt. Am Mittwochmorgen gab sie schließlich bekannt, keine führende Rolle mehr anzustreben. Aus „persönlichen Gründen“, schrieb sie an die Fraktion. Sie wolle erst mal mehr Zeit fürs Privatleben haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Schwarz-rote Sondierungen
So einfach darf Merz nicht davonkommen
Pkw-Attacke in Mannheim
Amokfahrer war früher in rechtsextremer Szene aktiv
Schuldenbremse
Lob des Opportunismus
Neue Milliardenkredite für Verteidigung
Union und SPD wollen Schuldenbremse reformieren
Amokfahrt in Mannheim
Mit dem Auto in der Waffenverbotszone
Der Pazifismus der Linkspartei
Mehr Rationalität wagen