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Wo er Rechte hat, hat er recht

Die Bremer Bürgerschaftspräsidentin hätte Jan Timke (BD) nicht das Wort entziehen dürfen

Von Lotta Drügemöller

Ein bisschen abschweifen muss erlaubt sein: Die Bremer Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer (SPD) hat die Rechte des Abgeordneten Jan Timke (Bündnis Deutschland) verletzt, als sie ihm in einer Bürgerschaftsdebatte vor zwei Jahren das Rederecht entzog. Das hat der Bremer Staatsgerichtshof am Mittwoch festgestellt.

Im Juli 2023 hatte die Bürgerschaft den Tagesordnungspunkt „Wahl des Senats“ debattiert. Timke hatte in seinem Beitrag minutenlang über die Partei „Die Linke“ gesprochen, die zwei der vorgeschlagenen Senatorinnen stellte. Unter anderem ließ er sich über Parteiströmungen aus, die in anderen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet würden.

„Das ist gut für alle Parteien im Parlament“

Jan Timke, Bündnis Deutschland

Die Bürgerschaftspräsidentin rief ihn während seiner Rede mehrfach auf, „zur Sache“ zu sprechen. Nach einer Ankündigung entzog sie ihm beim dritten Sachruf das Rederecht. Diese Möglichkeit zog das Gericht nicht grundsätzlich infrage: Zwar schränke man damit Abgeordnetenrechte ein, ermögliche aber auch die Arbeitsfähigkeit des Parlaments – eine Abwägungssache. In diesem Fall aber, so Richter Peter Sperlich in der Urteilsbegründung, habe Grotheer bei der Anwendung gleich zwei Grundsätze überschritten. Zum einen den der Gleichbehandlung: Auch andere Abgeordnete hätten in der Bürgerschaftssitzung das Thema „Wahl des Senats“ eher weit ausgelegt. Redebeiträge, in denen es um den Koalitionsvertrag oder die Gefährdung der Demokratie ging, wurden nicht unterbrochen. Auch Timke hätte daher seine Rede halten dürfen. Zur Senatswahl auch über die Parteien der zu wählenden Senatorinnen zu sprechen, stehe zumindest in „mittelbarem Zusammenhang“. Verletzt wurde laut Gericht auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Da die Wahl des Senats für die Zukunft des Landes eine wichtige Rolle spiele, wiege das Rederecht der Opposition besonders schwer.

Das Urteil betrachtet Grotheer als Klarstellung. Offenbar hätten die Abgeordneten mehr Rederechte, als sie es aus dem Moment heraus eingeschätzt habe. Timke zeigte sich glücklich über die Entscheidung. „Das ist gut für alle Parteien im Parlament“, sagte er.

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