: Geflüchtet aus der Ukraineund nun ohne Schutz
Sie lebten zu Kriegsbeginn in der Ukraine, sind jedoch keine ukrainischen Staatsbürger:innen. Jetzt läuft bei vielen dieser Drittstaatler:innen der Schutzstatus aus

Von Sarah Schubert und David Honold
Mehr als eine Millionen Menschen sind seit dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Ab Mittwoch droht einigen von ihnen nun Unsicherheit. Denn am 5. März laufen die Aufenthaltstitel für einen Teil der aus der Ukraine geflüchteten Drittstaatler:innen aus.
Ukrainische Staatsbürger:innen haben über die sogenannte Massenzustromrichtlinie der EU unkompliziert Schutz gefunden. Dieser wurde inzwischen bis März 2026 verlängert. Für Menschen, die zwar aus der Ukraine geflüchtet, dort aber keine Staatsbürger:innen sind, gilt das jedoch nur eingeschränkt.
Familienangehörigen von Ukrainer:innen oder in dem Land anerkannten Flüchtlingen wird weiterhin Schutz gewährleistet. Personen, die zu Kriegsbeginn nur mit einem befristeten Aufenthaltstitel in der Ukraine lebten, verlieren nun aber ihre deutsche Aufenthaltserlaubnis. Das betrifft zum Beispiel Menschen aus Nigeria, Vietnam oder Ghana, die als Studierende oder Fachkräfte in der Ukraine gelebt haben, bis der Krieg ausbrach.
Das Bundesinnenministerium erklärt auf taz-Anfrage: „Die betroffenen Personen haben sämtlich einen Herkunftsstaat, in den sie zurückkehren können, sie sind nicht auf eine Rückkehr in die Ukraine verwiesen.“ Flüchtlingsorganisationen kritisieren derweil, dass viele Betroffene in ihren Heimatländern keine Perspektive hätten. Wie viele der 39.000 aus der Ukraine geflüchteten Drittstaatler:innen von der Regelung betroffen sind, konnte das Bundesinnenministerium nicht beantworten. Man gehe davon aus, dass „der weit überwiegende Anteil weiterhin zur schutzberechtigten Gruppe gehört“.
Die Betroffenen hatten bis zum 5. März Zeit, sich um einen anderen Aufenthaltstitel zu bemühen. Ein Asylantrag kommt für viele nicht infrage, etwa weil damit eine vorübergehende Sperre der Arbeitserlaubnis einhergehen würde. Andere Möglichkeiten sind Aufenthaltserlaubnisse, etwa für ein Studium oder eine Ausbildung. Andernfalls sind die Betroffenen ab Mittwoch ausreisepflichtig. Sollten sie Deutschland nicht verlassen, droht eine Abschiebung in ihr Herkunftsland.
Während die Zukunft vieler Drittstaatsangehöriger unsicher ist, wollen über die Hälfte der geflüchteten Ukrainer:innen langfristig in Deutschland bleiben. Das ergab eine Studie, die am Montag vom Mediendienst Integration in Berlin vorgestellt wurde. Ob Ukrainer:innen zurückkehren wollen, hängt demnach stark vom weiteren Verlauf des Krieges und der wirtschaftlichen Lage in der Ukraine ab.
Für die Studie wurden über 3.400 Personen befragt. In vielen Bereichen gibt es demnach Fortschritte. Der Großteil der ukrainischen Schüler:innen werde in deutschen Regelklassen unterrichtet. Lediglich 16 Prozent besuchen noch ausschließlich Spezialklassen, in denen sie vor allem Deutsch lernen sollen.
Auch die Sprachkenntnisse der Ukrainer:innen haben sich deutlich verbessert: Nur noch 12 Prozent geben an, gar keine Deutschkenntnisse zu haben (gegenüber 78 Prozent zum Zeitpunkt der Einreise). 70 Prozent haben einen Integrationskurs besucht. Hürden gebe es bei der Kinderbetreuung und der Arbeitsmarktintegration: 22 Prozent der ukrainischen Geflüchteten hatten 2023 eine Erwerbstätigkeit. Je länger sie in Deutschland sind, desto eher arbeiten sie. Allerdings gehe die Hälfte einer Arbeit nach, die unterhalb ihrer Qualifikation liege.
Yuliya Kosyakova vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fordert, angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels in Deutschland sollten die ukrainischen Geflüchteten besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Es brauche eine langfristige Lösung, statt den Schutzanspruch immer wieder um ein Jahr zu verlängern. Das würde die Ungewissheit der Ukrainer:innen verringern und auch Unternehmen mehr Planungssicherheit geben. Und das könne auch die Integration verbessern.
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