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Aufweichung der EU-LieferkettenrichlinieDeutschlands Einsatz gegen Menschenrechte

Kaum verabschiedet, soll die Europäische Lieferkettenrichtlinie wieder abgeschwächt werden. Treibende Kraft dahinter ist Deutschland.

Seine Arbeitsbedingungen sind nachrangig. Das Lieferkettengesetz wird entschärft im Sinne der Unternehmen Foto: Jürgen Bätz/dpa

Berlin taz | Noch bevor die EU-Lieferkettenrichtlinie richtig wirkt, soll sie schon wieder abgeschwächt werden. Unter dem Schlagwort Bürokratieabbau hat die EU-Kommission vergangene Woche ihren Vorschlag vorgelegt, die Regeln nicht nur zu vereinfachen, sondern in wichtigen Teilen abzuschwächen. Große Unterstützung für das Vorhaben kam von der scheidenden Bundesregierung und Wahlgewinner Friedrich Merz sowie der deutschen Wirtschaftslobby.

Mit den Abschwächungen kommen die Regeln dann auch näher an das deutsche Lieferkettengesetz, bei dem sich Forderungen der Wirtschaftsverbände der deutschen Industrie (BDI), Arbeitgeber (BDA), Chemie (VCI) und Autobauer (VDMA) schon 2021 durchsetzten. Demnach betrifft es nur wenige Unternehmen, diese müssen nur den ersten Lieferanten überprüfen und es gibt keine zusätzlichen Haftungsregeln, die es Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen ermöglicht, europäische Unternehmen auf Schadenersatz zu verklagen.

2021 verabschiedete die Regierungskoalition von Union und SPD das Lieferkettengesetz mit großer Unterstützung der Grünen im Bundestag. Auch die Zivilgesellschaft, die sich stark für verpflichtende Regeln für Unternehmen eingesetzt hatten, feierte das. Immerhin war es ein Anfang, der bislang freiwillige Vorgaben für Unternehmen ablöste.

Seit Januar 2023 gelten die Regeln. Seitdem müssen sehr große Unternehmen ihre Lieferketten kennen und analysieren, wo es Risiken für Menschenrechtsverletzungen gibt. Außerdem müssen sie ein Beschwerdesystem einrichten und auf Beschwerden reagieren. Im Falle von Menschenrechtsverletzungen müssen sie Abhilfe schaffen, also überlegen, wie sie die Situation insgesamt und für die Betroffene verbessern. Wichtig ist, dass der Grundsatz des Bemühens gilt und nicht des Erfolges. Auch das war eine Forderung der Wirtschaftsverbände.

Bürokratieabbau wurde zum Wahlkampfthema

Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen sowie Gewerkschaften hatten danach auf die europäische Richtlinie gehofft, um Schwachstellen der deutschen Regeln auszubessern. Nach einem zweijährigen Verhandlungsprozess verkündete die Kommission, der Rat, der die Mitgliedstaaten vertritt, und das Europäische Parlament eine Einigung. Im Parlament wurde das auch von den Fraktionen der liberalen Renew und der konservativen EVP mitgetragen.

Bei der formalen finalen Zustimmung des Rates kam dann die Überraschung. Kurz vorher entzog die FDP ihre Zustimmung in der Ampel-Koalition, sodass sich die Bundesregierung im Rat Anfang 2024 enthalten musste und damit die Mehrheit für die Lieferkettenrichtlinie gefährdete.

Durch weitere Zugeständnisse, darunter eine starke Eingrenzung der betroffenen Unternehmen, wurde das EU-Lieferkettengesetz schließlich doch angenommen. Bis spätestens 2026 hätten die EU-Staaten es in nationale Gesetze umsetzen müssen, ab 2027 sollte es gelten. Doch Deutschland blockierte wieder. Der Bürokratieabbau wurde zum Wahlkampfthema.

EVP ist auf extrem rechte Parteien angewiesen, um die Änderungen anzunehmen

Grünen-Spitzenkandidat und Wirtschaftsminister Robert Habeck wollte es „mit der Kettensäge“ abschaffen und auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) versprach, „es kommt weg“ – allerdings im Gegensatz zur Basis ihrer jeweiligen Parteien. Im Dezember wandten sich Habeck und Ministerkollege Hubertus Heil (SPD) in einem Brief an den neuen Bürokratie-Kommissar Vladis Dombrovskis und Finanzkommissarin Maria Luís Albuquerque mit Forderungen, die Berichtspflichten zu vereinfachen.

Scholz schrieb im Januar an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und begrüßte ihr Vorhaben Bürokratie abzubauen. Auch Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) machte klar, er habe sich in der europäischen Mutterpartei EVP für ein Zurückdrehen der Lieferkettenrichtlinie stark gemacht. Im Wahlprogramm versprach die CDU, das Lieferkettengesetz werde „abgeschafft“ und auch in Europa „Belastungen einen Riegel“ vorgeschoben.

Die Abschwächungen der EU-Lieferkettenrichtlinie müssen nun vom Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten im Rat angenommen werden. Aus Kreisen, die mit dem Prozess vertraut sind, heißt es, die Kommission wolle das möglichst schnell erreichen.

Die Mehrheit im Rat sollte gesichert sein. Im Europäischen Parlament ist die EVP allerdings auf eine Mehrheit mit den extrem rechten Parteien angewiesen, um die Änderungen anzunehmen. Die haben bereits ihre Unterstützung öffentlich gemacht. Das würde nicht zuletzt ein Einreißen der Brandmauer auch auf europäischer Ebene bedeuten.

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