piwik no script img

Rechtsaußen klappt’s auch mit dem Schuldienst

Bayern droht einer Klimaaktivistin mit einem Berufsverbot als Lehrerin. Ein früherer Rechtsextremist dagegen darf im Freistaat als Lehrer arbeiten

Stolz und Söder: Die bayerische Kultus­ministerin auf Tuchfühlung mit dem MP Foto: Sven Hoppe/dpa

Von Konrad Litschko und Andrea Röpke

Im Fall der Klimaaktivistin Lisa Poettinger zeigt Bayern Härte: Der Freistaat kündigte der 28-jährigen Lehramtsstudentin an, ihre Zulassung zum Referendariat wegen ihrer politischen Aktivitäten und laufender Strafverfahren zu verweigern. Damit könnte Poettinger nicht Lehrerin werden. Dabei kann Bayern auch anders – wie der Fall eines früheren Rechtsextremen zeigt.

So durchlief der Bayer Michael Z. erfolgreich ein Lehramtsstudium erst in Nordrhein-Westfalen, dann in Bayern – und arbeitet seit vier Jahren an einem Gymnasium in Franken als Lehrer für Sport und Deutsch. Dabei war der Enddreißiger einschlägig aufgefallen: Er war führendes Mitglied des Sturmvogels – eines völkischen Jugendverbunds, der sich gezielt an Kinder und Jugendliche richtet. Fotos zeigen Z. im Jahr 2015 auf einem Zeltlager im brandenburgischen Grabow, das er geleitet haben soll.

Entstanden war der Sturmvogel als Abspaltung aus der neonazistische Wiking-Jugend, die 1994 verboten wurde. Der Verfassungsschutz Niedersachsen bezeichnet die Gruppe in seinem Jahresbericht 2023 als völkischen und rechtsextremistischen Verein. Verwiesen wird etwa auf ein Lagertreffen in Baden-Württemberg, das in einer Immobilie abgehalten wurde, die im Besitz von Rechtsextremen sei.

Bereits 2009 schrieb Michael Z. einen Beitrag für das rechtsextreme Öko-Magazin Umwelt & Aktiv. Ein Jahr später wird er in einem Protokoll des Dachverbands Deutsche Burschenschaft benannt, das Antifa-Gruppen veröffentlichten, als Vertreter der Burschenschaft Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks. Die Gruppe gehört zum extrem rechten Flügel innerhalb der Burschenschaften und wirbt selbst damit, dass sie „außerhalb der politischen Korrektheit“ stehe. 2011 sorgten die „Raczeks“ für Schlagzeilen, als sie einen „Ariernachweis“ für Burschenschaftler forderten. Noch 2016 ist Michael Z. auf einem Foto bei einer Aktion der rechtsextremen Identitären in Wien zu sehen, mit Megafon in der Hand.

All dies hinderte das Land Bayern nicht daran, Michael Z. in den Schuldienst aufzunehmen. Laut bayrischem Kultusministerium arbeitet Z. dort seit 2021. Auch das Gymnasium in Franken bestätigt, dass er dort tätig ist. Dabei betont ein Sprecher des Ministeriums, dass jegliche Formen von Extremismus an bayrischen Schulen „nicht akzeptabel“ seien. „Die Vorgaben und Regeln gelten für alle, die Maßstäbe sind identisch“, so der Sprecher zur taz. „Wer nicht auf dem Boden der Verfassung steht, der hat in unseren Schulen keinen Platz.“ Aber: Personen, die sich glaubhaft von früheren verfassungsfeindlichen Aktivitäten distanzierten und deren Wirken dies belege, könnten im Schuldienst tätig sein.

Genau diesen Fall sehen Ministerium und Gymnasium im Fall Michael Z. Der Ministeriumssprecher räumt ein, dass zu Z. „Aktivitäten in rechtsextremistischen Gruppierungen in der Jugend- und Studienzeit“ bekannt seien. Von diesen habe sich Michael Z. aber bei seiner Bewerbung als Lehrkraft „sehr deutlich und klar distanziert“. Auch eine Verfassungsschutzüberprüfung habe keine rechtsextremen Aktivitäten nach 2016 aufgezeigt. Ebenso seien keine strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn bekannt. Und während seiner Lehrtätigkeit seien keine Zweifel an Z.s Verfassungstreue aufgekommen.

Auch der Leiter des Gymnasiums sagte der taz, die Vorwürfe gegen Michael Z. seien ihm und seinem Stellvertreter bereits bei Dienstantritt bekannt gewesen. Die Anstellung sei über das Kultusministerium erfolgt. Er habe sich bestätigen lassen, dass die Vorwürfe dort „sorgfältig geprüft“ wurden, so der Schulleiter. Nach einer Internetveröffentlichung im März 2024 habe sich Z.s Vorgeschichte auch in der Schüler- und Elternschaft verbreitet. Seit Dienstantritt habe Michael Z. aber „in Wort und Tat nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen lassen, „dass er mit inakzeptablen Einstellungen und Aktivitäten in seiner Jugend/Studentenzeit gebrochen hat“, so der Schulleiter.

„Wer nicht auf dem Boden der Verfassung steht, der hat in unseren Schulen keinen Platz“

Sprecher des bayerischen Kultusministeriums

Michael Z. selbst antwortete auf eine taz-Anfrage nicht. Eine öffentliche Erklärung zu seinem Szeneausstieg ist nicht bekannt. Und auch die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft gilt eigentlich auf Lebenszeit. Die „Raczek“-Burschenschaft ließ eine Anfrage unbeantwortet, ob Michael Z. bei ihnen noch Mitglied ist.

Der Klimaaktivistin Lisa Poettinger wirft das von den Freien Wählern geführte Kultusministerium die Mitgliedschaft im „Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München“ vor, das vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft wird. Verwiesen wird auch auf ihre Kapitalismuskritik bei Protesten gegen die Automesse IAA und andere laufende Strafverfahren, auch wegen Widerstands während der Besetzung des Dorfes Lützerath. Urteile sind noch nicht gefallen. Poettinger hatte angekündigt, sich juristisch gegen eine Nichtzulassung zum Referendariat wehren zu wollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen