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Nur im Verwaltungsmodus

Der VfB Stuttgart bleibt beim 1:2 gegen Gladbach weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die vorangegangeneDemütigung in der Champions League will Trainer Sebastian Hoeneß als Erklärung dafür nicht gelten lassen

Leichtfertig vergebene Stuttgarter Möglichkeit: Chris Führich kommt unbedrängt zum Schuss Foto: Harry Langer/dpa

Aus Stuttgart Christoph Ruf

Stuttgarts Sportvorstand Fabian Wohlgemuth kommentiert normalerweise auch nach Niederlagen die Darbietungen seiner Spieler recht gnädig. Am Samstag, nach der 1:2-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach, hatte er dazu keinerlei Lust. Zumal er den Eindruck hatte, dass der bedenkliche Auftritt etwas damit zu tun hatte, dass sein Team gedanklich noch in der Champions League war, aus der man am Mittwoch nach einem 1:4 gegen Paris St.-Germain ausgeschieden war. „Es muss möglich sein, dass man das drei Tage später verarbeitet hat. Einige waren wohl noch im Aufarbeitungsmodus und auf dem absoluten Weltniveau“, sagte Wohlgemuth. Wo es doch darum gegangen wäre, gegen Mönchengladbach die Chance zu wahren, nächste Saison wieder in der Champions League zu spielen: „Wir haben heute die große Chance verpasst, nach drei Niederlagen mit einem mutigen Auftritt in die Spur zurückzufinden.“

Mutig war der Stuttgarter Auftritt wirklich nicht. Entsprechend leicht hatte es die Borussia. Strukturiert in den Abläufen und, wenn überhaupt nötig, konzentriert im Abwehrspiel präsentierte die sich und kam durch Nathan Ngoumou zur Pausenführung (25.). Kurz danach gelang der 1:1-Ausgleich durch ein von Jakob Bruun Larsen erzwungenes Eigentor von Nico Elvedi (49.). Am Ende stand es 2:1 für Gladbach, weil der gewohnt fleißige Tim Kleindienst traf (82.). Aber auch, weil der sonst so offensivfreudige VfB selbst seinem eigenen Trainer Rätsel aufgab.

Dabei hatte Sebastian Hoeneß nach dem demütigenden Aus gegen PSG mit Nachwirkungen gerechnet. „Dass das was mit uns macht, war klar. Aber worüber wir sprechen müssen, ist die zweite Halbzeit.“ Glanz und Gloria habe er nicht erwartet, aber einen dominanten Auftritt auf Grundlage der seit zwei Jahren verinnerlichten Basics halt schon. Stattdessen spielte eines der ballsichersten, flottesten Teams der Liga einen umständlichen Verwaltungs-Fußball und leistete sich viele technische Fehler. In der ersten Halbzeit sah man viele Flanken von Jamie Leweling, die in der Mitte keinen Abnehmer fanden. Oder sinnlose Alleingänge des an diesem Tag völlig isoliert wirkenden Angreifers. In der zweiten Halbzeit wurde es nicht besser. Einmal lief Chris Führich dennoch frei auf Gladbachs Keeper zu und drosch ihm den Ball in die Arme. Moritz Nicolas hatte sich davor nicht einmal bewegen müssen (72.). „Die größte Chance hatten wir, aber mehr hatte Gladbach“, fand Hoeneß, den Kevin Stöger (6.) und Kleindienst (75.) ins Schwitzen gebracht hatten.

Derweil betonten Sportgeschäftsführer Roland Virkus und Gladbach-Trainer Gerardo Seoane fast wortgleich, dass ein solcher Auftritt nebst erstmaligem Sieg gegen ein besser platziertes Team „in der vergangenen Saison noch nicht möglich gewesen wäre“. Und das stimmt wohl. In dieser Spielzeit präsentieren sich die Borussen oft als gut geordnetes Kollektiv, das nach Ballverlusten sofort in einen bissigen Verteidigungsmodus umschaltet. Wie wichtig auch hier Tim Kleindienst als Ein-Mann-Pressing-Kommando ist, war am Samstag für den VfB nicht zu übersehen.

Wobei: Nicht dass es keine mildernden Umstände für die verwirrten Stuttgarter gegeben hätte: Seit Wochen haben sie alle drei, vier Tage ein Pflichtspiel zu bestreiten, wovon ausgerechnet das wichtigste, gegen Paris, zur Demütigung geriet. In Atakan Karazor fehlte zudem der Taktgeber im Mittelfeld gelbgesperrt. Wie sehr, merkte man an fast jeder Mittelfeldaktion. Noch ärger ist der VfB auf der Innenverteidigerposition gebeutelt. Julian Chabot fehlte gelbgesperrt, Dan-Axel Zagadou ist langzeitverletzt, und von den beiden Startelf-Spielern – Anthony Rouault und Ameen Al-Dakhil – musste einer, Al-Da­khil, nach einer Stunde verletzt raus. „Wenn zwei Innenverteidiger ausfallen, ist das ein Brett“, sagte Virkus, „und man kann sagen, dass die, die verteidigt haben, es nicht gut gemacht haben.“ Aber das gehe ihn natürlich eigentlich nichts an.

In Stuttgart, wo es sie durchaus etwas angeht, haben sie das am Samstag allerdings genauso gesehen. Gut möglich, dass sie bis zum Ablauf der Transferfrist noch einmal aktiv werden. Tags drauf, am Dienstag, geht es dann schon weiter, wenn der FC Augsburg zum DFB-Pokal-Viertelfinale kommt. Einen solch tranigen Auftritt wie gegen Gladbach sollte sich der VfB dann nicht erlauben: „Das ist ein Spiel, das du gewinnen musst“, sagte Vorstand Wohlgemuth. Und meinte damit nicht nur den Wettbewerbsmodus, der Remis bekanntlich ausschließt.

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