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Fossile Preisschocks machen Reiche reicher

Eine Studie zeigt, dass die Gewinne aus den hohen Öl- und Gaspreisen 2022 an Vermögende gingen. Für den Klimaschutz ist das eine schlechte Nachricht

Die Sur­fe­r*in­nen werden von den Gewinnen aus dem Öl nichts haben Foto: Eric Gay/ap/picture alliance

Von Jonas Waack

Die Gewinne aus der Energiekrise 2022 flossen in den USA vor allem in die Taschen der Reichsten. Das hat ein Team von Wis­sen­schaft­le­r*in­nen unter der Leitung der Öko­no­m*in­nen Isabella Weber und Gregor Semieniuk herausgefunden. Sie untersuchten Finanzdaten und stellten fest: Die Hälfte der Profite ging an das reichste Hundertstel, die ärmere Hälfte der US-Amerikaner*innen erhielt nur ein Prozent.

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 gingen die Öl- und Gaspreise durch die Decke: Gas war in Europa zwischenzeitlich zehnmal teurer als vor der Energiekrise. „Wir hatten damals eine gefühlte Gasknappheit, keine echte“, sagt Franziska Holz, die zur Öl- und Gasindustrie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) forscht und nicht an der Studie beteiligt war. Die Mengen seien immer ausreichend gewesen, aber die Politik habe die Gasspeicher „um jeden Preis“ füllen wollen – so trieben Europa und besonders Deutschland nicht nur die Preise auf dem Kontinent, sondern auch weltweit in die Höhe.

Von den hohen Preisen profitierten vor allem US-amerikanische Öl- und Gasunternehmen, zeigen die Forscher*innen: Während sie zwischen 2016 und 2019 durchschnittlich etwa 40 Milliarden US-Dollar Gewinn machten, war es 2022 siebenmal so viel: 281 Milliarden US-Dollar.

Hohe Öl- und Gaspreise machen sich nicht nur beim Tanken und Heizen bemerkbar. Gas wird für die Herstellung von Dünger benötigt und schlägt sich so auf Lebensmittelpreise nieder. Aus Öl wird Benzin gefertigt, ein hoher Ölpreis macht alles teurer, was transportiert werden muss. Deswegen wurde die weltweite Teuerung 2022 und 2023 maßgeblich von den Rekordpreisen für Öl und Gas angetrieben. Dass diese Profite nicht einfach verschwinden, sondern jemandes Konto füllen, finde zu wenig Beachtung, schreiben die Studienautor*innen.

Und zwar die Konten der Reichsten: Die oberen zehn Prozent erhielten 84 Prozent der Gewinne der Öl- und Gasunternehmen. Um das herauszufinden, werteten die For­sche­r*in­nen Daten zu Unternehmensgewinnen und Eigentum von Vermögenswerten aus. Daraus bastelten sie ein Netzwerk aus Hunderttausenden Knotenpunkten. So vollzogen sie nach, wie die Profite über Vermögensverwalter, Aktien und Pensionsfonds verteilt wurden. „Hochkomplex“ nennt DIW-Forscherin Holz das. „Gerade im Kontext dessen, was wir damals beobachtet haben, sind die Ergebnisse schlüssig.“ Die Studie hat noch nicht den Peer-Review-Prozess durchlaufen.

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Selten sind die Ärmsten so diffamiert worden, selten war der Wohlstand so ungleich verteilt. Die taz begibt sich auf die Suche nach dem sozialen Gewissen des Landes. Alle Texte zum Thema finden Sie hier:

Wie Profite in Deutschland verteilt wurden, haben die For­sche­r*in­nen nicht untersucht. Franziska Holz vermutet aber, dass die Verteilung in Deutschland noch ungerechter war: In den USA sei direkter und indirekter Aktienbesitz weiter verbreitet, auch in den unteren Einkommensgruppen. „Wahrscheinlich war die Ungleichheit in Deutschland deswegen viel ausgeprägter.“ Einschränkend sei aber zu beachten, dass unklar ist, wie viele Deutsche Aktien von Öl- und Gasunternehmen besitzen.

Die hohen Gewinne sorgten nicht nur für hohe Teuerung und Ungerechtigkeit. Sie machten auch Investitionen in Öl und Gas attraktiver. Fossile Unternehmen schraubten ihre Transformationspläne zurück und auch In­ves­to­r*in­nen steckten weniger Geld in Erneuerbare, weil deren Margen geringer sind.

„Wahrscheinlich war die Ungleichheit in Deutschland viel ausgeprägter“

Franziska Holz, Ökonomin

„Wir rechnen damit, dass es öfter zu solchen Preisausschlägen kommt“, sagt DIW-Expertin Holz. Durch geopolitische Konflikte und den klimapolitischen Druck auf staatliche und private fossile Unternehmen könne es häufiger zu echten oder wahrgenommenen Knappheiten kommen, selbst wenn die Mengen eigentlich ausreichen. Führt das immer wieder zu hohen Gewinnen, sei der Anreiz für den Umstieg auf Erneuerbare umso geringer – ein Teufelskreis.

Die hohen Profite solle man also sowohl aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit als auch des Klimaschutzes begrenzen, schreiben die Studienautor*innen. Sie schlagen deswegen eine Abgabe auf derart übermäßige Profite vor. Eine solche Abgabe sorge auch dafür, dass es weniger attraktiv wird, Geld in fossile statt erneuerbare Energien zu stecken: „Das ist unverzichtbar für die Dekarbonisierung.“

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