Bundeskongress der Jungen Alternative: „Apolda soll nicht Geburtsort der Patriotischen Jugend sein“
In der thüringischen Stadt könnte sich die Zukunft der rechtsextremen Jungen Alternative entscheiden. Ein zivilgesellschaftliches Bündnis will den geplanten Bundeskongress nun verhindern.
Der Bundesvorstand der AfD zielt mit der Reform vermutlich darauf ab, die Parteijugend vor einem möglichen Verbotsverfahren zu schützen. Denn die JA gilt selbst dem Verfassungsschutz seit 2023 als gesichert rechtsextrem. Auf eine Mäßigung der Parteijugend zielt die Reform eher nicht ab. Angesprochen auf die von der JA immer wieder propagierte millionenfache Abschiebung sagte AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel Ende vergangenen Jahres: „Ich sehe keine Veranlassung zur Mäßigung“.
Durch die Reform erhofft sich die Partei aber mehr Kontrollmöglichkeiten der Jugendorganisation. Bisher hatte der Bundesvorstand wenig Zugriff auf die Mitglieder, die bis ins rechtsterroristische Spektrum reichen. Die JA ist von der AfD zwar als Parteijugend anerkannt, agiert aber formal als unabhängiger Verein. Durch die Gründung einer neuen Parteijugend soll diese näher an die AfD gebunden werden.
Bisher gilt: Nur der Vorstand der JA muss Mitglied in der AfD sein. Diskutiert wird, ob das künftig für alle Mitglieder ab dem 16. Lebensjahr gelten soll. Wie die neue Parteijugend heißen soll, ist noch nicht festgelegt. Im letzten Jahr kursierte bereits der Name „Patriotische Jugend“. Die AfD zeigte sich beim Bundesparteitag in Riesa offen dafür, dass die Parteijugend den Namen selbst wählt. Nur ist eben noch gar nicht so klar, wie die JA die Pläne einer neuen Parteijugend überhaupt findet. Dort wurde die Neuformierung bereits hitzig diskutiert.
Apolda – Geburtsstadt der „Jungen Patrioten“?
Radikale Kader wie die Chefin der JA-Brandenburg Anna Leisten oder der stellvertretende Bundesvorsitzende Sven Kachelmann empfinden die Reform als einen Schlag gegen die eigene Parteijugend. Nach der Abstimmung in Riesa reagierte die Junge Alternative Schleswig-Holstein auf X damit, man habe der Jugend „den Dolch in den Rücken gerammt“. Inzwischen wurden die Posts wieder von der Plattform gelöscht. Es sind also zwei Szenarien möglich: Die JA könnte sich beim geplanten Bundeskongress in Apolda dafür entscheiden, in der neuen Jugendorganisation aufzugehen. Denkbar wäre aber auch eine partielle Abspaltung von der Mutterpartei.
So weit will es das Bündnis „Buntes Weimarer Land“ gar nicht erst kommen lassen. Eines der Ziele sei, dass der Bundeskongress der JA nicht in der Stadthalle stattfindet, sagt Max Reschke, Sprecher des Netzwerks, der taz. Schon 2022 tagte die Parteijugend in Apolda, damals war die örtliche Stadthalle noch in privater Hand. Seit dem Jahr 2023 verwaltet die Stadt die Räumlichkeiten. Das Bündnis „Buntes Weimarer Land“ fordert diese nun auf, den Mietvertrag zu kündigen, den die JA schon im November unterzeichnet hatte.
Unterstützung bekommt das Bündnis auch aus der Politik. Gudrun Kittel, Kommunalpolitikerin der Linken in Apolda, möchte nicht, „dass man Rechtsextremen in der eigenen Stadthalle eine Bühne lässt.“ Das bringe nicht nur die Stadt, sondern auch die gesamte Region in Verruf. Sie wolle verhindern, dass „Apolda die Geburtsstadt der Patriotischen Jugend wird“, sagt die Politikerin, die sich dem Bündnis angeschlossen hat.
Auch die Thüringer Linken-Abgeordnete Katharina König-Preuss forderte die Stadt Apolda in der vergangenen Woche auf, die Vermietung der Stadthalle an die JA abzusagen. „Die Junge Alternative ist keine harmlose Vereinigung, sondern eine als Jugendorganisation getarnte, extrem rechte Struktur, in der sich Neonazis tummeln“, argumentiert König-Preuss und verweist auf die Benutzungsordnung der Stadthalle.
Diese biete die Möglichkeit, Veranstaltungen zu untersagen, wenn der Verdacht bestehe, dass diese der Verbreitung verfassungsfeindlicher Propaganda dienen. Es sei auch von Gerichten darauf verwiesen worden, dass die JA an einem „völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“ festhalte. „Trotz dieser klaren Faktenlage werden de facto einer Neonazi-Organisation Räume durch eine Kommune zur Verfügung gestellt“, so König-Preuss.
Bündnis fordert Bürgermeister zu klarer Haltung auf
Das Problem ist: Olaf Müller (CDU), der Bürgermeister der Stadt Apolda, sieht das anders – und er verweist auch auf die Benutzungsordnung. Darin sei geregelt, dass neben kulturellen auch nicht-kulturelle Veranstaltungen in der Stadthalle stattfinden können, erklärte er in der Zeitung Thüringer Allgemeine. Zudem hat sich die JA schon im Vorfeld juristisch abgesichert. Bereits im Oktober, also vor Abschluss des Mietvertrags, hatte die Jugendorganisation einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Weimar gestellt, um die Stadthalle für ihren Bundeskongress nutzen zu können. Dieser sei durch eine städtische Justiziarin geprüft worden, so Bürgermeister Olaf Müller.
Eine juristische Auseinandersetzung um die Nutzung der Stadthalle mit der JA hält Müller für wenig erfolgsversprechend. Zudem gelte für die JA der Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Bundeskongress der JA unterscheide sich, „formell-juristisch gesehen“ nicht von anderen Parteiveranstaltungen, gibt Müller in der Thüringer Allgemeinen zu bedenken.
Am vergangenen Mittwoch suchte das Bündnis „Buntes Weimarer Land“ das Gespräch mit Bürgermeister Olaf Müller. „Der Ruck nach Rechts ist in Angriffen und Wahlergebnissen in Apolda und der Region eine immer weiter steigende Gefahr“, sagt Max Reschke, Sprecher des Netzwerks der taz. Es sei enorm wichtig, „dass sich auch die Stadt klar gegen Rechtsextremismus positioniert.“
Erst Anfang Januar geriet die Stadt aufgrund eines antisemitischen Vorfalls in die Schlagzeilen. Bisher Unbekannte legten vor dem Prager Haus einen Schweinekopf ab – eine Erinnerungsstätte an die Verfolgten im Nationalsozialismus und an jüdisches Leben in Thüringen. In Apolda hat die AfD bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr mit 32,6 Prozent die meisten Stimmen erhalten. Gefolgt von der CDU mit rund 25 Prozent.
Doch auch nach dem Gespräch mit dem Bündnis „Buntes Weimarer Land“ rückt Bürgermeister Olaf Müller nicht von seiner Position ab: „Natürlich wissen wir um die missliche Situation. Durch die Benutzungsordnung der Stadthalle, welche vom Stadtrat beschlossen wurde, sind uns allerdings die Hände gebunden“, sagt Müller der taz. Natürlich begrüße er „die nun angemeldeten Demonstrationen, solange sie friedlich bleiben.“ Beim Bundeskongress der JA werde man darauf achten, ob verfassungsfeindliche Symbole erkennbar seien und gegebenenfalls polizeiliche Maßnahmen einleiten.
Die Krux mit dem Mietvertrag
Juristisch betrachtet ist die Kündigung des Mietvertrags von städtischen Räumen für Parteien tatsächlich nicht einfach. So hatte beispielsweise die Messe Essen der AfD den Mietvertrag noch vor dem Bundesparteitag der AfD im Sommer 2024 gekündigt, weil die AfD eine nachträglich eingefügte Passage nicht akzeptieren wollte.
Die Passage sah vor, die AfD zu verpflichten, verfassungsfeindliche Parolen auf dem Parteitag zu unterlassen. Die AfD klagte dagegen und bekam vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Recht. Das Gericht urteilte, dass die AfD bei der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen nicht anders als andere Parteien behandelt werden dürfe. Vor dem Landgericht Essen erkannte die Stadt zugleich an, dass sie den Mietvertrag nicht kündigen konnte. Zu prüfen wäre, ob ähnliches tatsächlich auch für die JA gilt.
Derzeit laufen die Vorbereitungen für die geplante Demonstration des „Netzwerk buntes Weimarer Land“ auf Hochtouren. Das Bündnis rechnet nicht mit so viel Zulauf wie am vergangenen Wochenende in Riesa bei den Protesten gegen den Parteitag der AfD. 500 sind bislang angemeldet. „Wir wünschen uns natürlich, dass sich viele Menschen an diesem Wochenende auf den Weg nach Apolda machen“, so Reschke. Auf der Kampagnen-Plattform Campact wurde nun auch eine Petition gestartet, die den Bürgermeister auffordert, der JA den Mietvertrag zu kündigen.
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