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Jonas Wahmkow ärgert sich über fehlende ZuwendungsbescheideGegen den Kaputtsparnuary

Der Januar ist der Monat des Verzichts: Trin­ke­r:in­nen üben sich im Dry January in Nüchternheit, Fleischlieb­ha­be­r:in­nen proben im Veganuary tierleidfreie Ernährung.

In den letzten Jahren ist in Berlin ein neuer Trend dazugekommen: Die freien Träger probieren, wie sie ihre Angestellten und Projekte ohne Geld weiterfinanzieren können. Denn auch in diesem Jahr haben ein Großteil der Jugendklubs, Volkshochschulen, der Obdachlosenhilfe und anderer sozialer Einrichtungen noch keine Zuwendungsbescheide für Projekte bekommen, die eigentlich an Jahresanfang hätten beginnen sollen. „Es gibt so gut wie keine Bescheide bis jetzt“, sagt Markus Galle, Sprecher der Liga der freien Wohlfahrtverbände Berlins.

Dass die Zuwendungsbescheide nur kurz vor knapp oder mit starker Verzögerung eintrudeln, ist in Berlin mittlerweile traurige Tradition, die nicht nur auf den Januar beschränkt ist. Oft kommen die endgültigen Bescheide erst im März oder April. Die Gründe sind zum Teil strukturell: Viele Projekte und Einrichtungen müssen die Mittel jährlich neu beantragen, der Aufwand für Berlins überlastete Verwaltungen ist dementsprechend hoch.

Die chaotischen Haushaltsverhandlungen haben die Lage nochmal verschärft. Als Ende Dezember der Haushalt beschlossen wurde, war noch nicht einmal klar, welche Projekte konkret von den Kürzungen betroffen sind und welche nicht.

In den meisten Fällen ist klar, dass das Geld kommt – nur eben nicht wann. Oft gibt es informelle Zusagen oder vorläufige Bescheide, die ein Mindestmaß an Planungssicherheit ermöglichen sollen. Doch mit dem ständigen Hin und Her im Haushaltschaos ist auf das Wort des Senats kaum noch Verlass.

„Ohne Zuwendungsbescheide können Arbeitsverträge nicht verlängert werden“, warnt das Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen auf Instagram. Wenn der Arbeitsvertrag unterschrieben ist, die Gelder aber ausbleiben, kann das für kleine Vereine schnell existenzbedrohend werden. „Viele sind in den Weihnachtsurlaub gegangen und wussten nicht, ob sie am 1. 1. wieder zur Arbeit erscheinen müssen“, schreibt das Vereinsnetzwerk.

Die Situation ist sowohl für die Träger als auch die Beschäftigten extrem belastend: „Man muss Menschen kündigen, obwohl alle davon ausgehen, dass das Projekt weitergeht“, klagt Galle von den Wohlfahrtverbänden. Wenig überraschend führt die jährliche Zitterpartie dazu, dass Fachkräfte die Branche verlassen. Im Gegensatz zum Verzicht auf Alkohol oder Fleisch hat das Ausbleiben von Projektfinanzierung ausschließlich negative Nebenwirkungen. Ein Ende ist nicht in Sicht: Die diesjährigen Haushaltsverhandlungen dürften sich ähnlich lange ziehen.

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