: Erbe der Apartheid: Südafrikas brutaler Bergbau
Der Gold- und Kohlebergbau mit schwarzen Wanderarbeitern begründete einst die weiße Vorherrschaft im südlichen Afrika
Von Dominic Johnson
Egoli, Stadt des Goldes – so heißt Johannesburg in der isiZulu-Sprache des Zulu-Volkes. Die Millionenmetropole und die Hauptstadt Pretoria bilden Südafrikas wirtschaftliches Herz, entstanden Ende des 19. Jahrhunderts durch den Gold- und Kohlebergbau, ein Symbol weißer Vorherrschaft im südlichen Afrika. Die Hälfte allen Goldes, das je auf der Welt gefördert wurde, stammt nach Angaben der südafrikanischen Bergbaukammer aus Südafrika – rund 40.000 Tonnen.
Zu Zeiten der Apartheid waren die meisten Bergleute entweder südafrikanische Zulus oder schwarze Arbeitsmigranten aus den Nachbarländern. In den 1970er Jahren verdienten 80 Prozent der jungen Männer Lesothos, 50 Prozent derer aus Botswana und 15 Prozent aus Mosambik ihren Lebensunterhalt in Südafrikas Minen. Sie lebten rechtlos in Lagern, erhielten wenig Lohn und ertrugen schlechte Arbeitsbedingungen, im Apartheidsystem noch schlechter gestellt als die schwarzen Südafrikaner in den Townships. Der schwarze südafrikanische Musiker Hugh Masakela hat den Bergleuten aus dem südlichen Afrika, die nach Südafrika zur Arbeit in den Stollen zwangsverfrachtet wurden, in seinem Song „Stimela (The Coal Train)“ mit hypnotischem Dampflokrhythmus ein bleibendes Denkmal gesetzt.
Die Demokratisierung Südafrikas im Jahr 1994 fiel zusammen mit dem beginnenden Niedergang des Bergbaus. Weiße Multinationale wanderten ab, schwarze Unternehmer hatten zu wenig Kapital, der Bergbausektor schrumpfte von über 20 Prozent der Wirtschaftsleistung in den 1970er und 1980er Jahren auf unter 10 Prozent ab 2008. Von fast 500.000 Arbeitsplätzen im Goldbergbau 1980 sind heute weniger als 100.000 übrig, insgesamt zählt Südafrika rund 6.000 aufgegebene Minen.
Hunderttausende arbeitslose Bergleute und Tausende brachliegende Bergwerke – die Kombination ist perfekt für das Aufblühen der informellen Mafiawirtschaft, die seit einigen Jahren in Südafrikas Bergbau floriert. Zama Zama heißen die illegalen Bergleute in Südafrika, nach dem isiZulu-Wort für „ausprobieren“. Schon 2017 schätzte ein südafrikanischer Parlamentsbericht den Wert des illegal geförderten und außer Landes geschmuggelten Goldes auf 21 Milliarden Rand pro Jahr (damals 1,4 Milliarden Euro) – fast ein Drittel der offiziellen Gesamtproduktion.
Der illegale, oder besser informelle Bergbau wirkt wie eine Rückkehr ins vorindustrielle Zeitalter: Schürfer mit einfachem Gerät hauen mutmaßlich rohstoffreiches Gestein aus dem Boden oder waschen mutmaßlich wertvolle Erde aus, um das Endprodukt an Mittelsmänner zu verkaufen, denen sie meist in totaler Abhängigkeit verbunden sind – für die Syndikate, die das organisieren, ein äußerst lukratives Geschäft mit globalen Verbindungen. In vielen afrikanischen Ländern, von der Demokratischen Republik Kongo bis Ghana, gibt dies Millionen von Menschen einen Lebensunterhalt, trotz horrender Umstände und permanenter Unsicherheit.
In Südafrika sind viele „Zama Zama“ illegale Einwanderer aus den Nachbarländern – manche sind Nachfahren der früheren Bergleute. Aber viele sind auch einheimische Südafrikaner, die in einem Land mit über 30 Prozent amtlich ermittelter Arbeitslosigkeit und ohne flächendeckendes soziales Netz irgendwie ein Auskommen haben müssen. Ihre Zahl in der Provinz Gauteng, also dem Großraum Johannesburg-Pretoria, wird auf 36.000 geschätzt. Sie hausen teils mehrere Monate am Stück in tiefen Stollen – was ihnen zum Verhängnis werden kann, wenn die Behörden ihre Versorgung abschneiden, so wie es jetzt geschehen ist.
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