Cannabis-Legalisierung in Uruguay: Blühende Landschaft
Vor zehn Jahren hat Uruguay Cannabis legalisiert. Gegner warnten damals vor Horrorszenarien. Doch mittlerweile ist Gras darüber gewachsen.
I n der Farmacia Antártida ist dienstags viel los. „Da herrscht Hochbetrieb, denn da wird Cannabis geliefert“, sagt Apotheker Sergio Redin. „Am Mittwoch sind dann nur noch wenige Päckchen übrig, wenn überhaupt. Und den Rest der Woche bleibt es ruhig“, fügt er hinzu. Seine Apotheke in der Calle Colonia im Zentrum von Montevideo ist eine von den fünf Prozent der Apotheken in Uruguay, die Cannabis verkaufen.
Ein offizieller Aufkleber am Schaufenster weist darauf hin. Die Auslage dahinter ist der typische Mix aus Pflegeprodukten, Parfüms und rezeptfreien Medikamenten. Drinnen gibt es auch verschreibungspflichtige Medikamente. Und wie selbstverständlich auch Cannabis.
Seit zehn Jahren ist in Uruguay das Gesetz zur staatlichen Kontrolle und Regulierung von Anbau, Vermarktung und Verkauf von Cannabis in Kraft. „Damals herrschte eine große Angst, viele lehnten das kategorisch ab“, erinnert sich Redin an die Zeit, kurz bevor es im Sommer 2014 losging. Drogenzombies würden die Apotheken stürmen, die Stammkundschaft in Scharen davonlaufen und Banden die Apotheken überfallen, so die Horrorszenarien.
Sergio Redin, Apotheker
Trotzdem hatte sich schon früh eine lange Schlange vor Redins Apotheke gebildet. „Da war von jung bis mittelalt, von Hippie bis Krawattenträger alles dabei“, erzählt er. Alle stellten sich aufgeregt, aber geduldig an. „Als es dann losging, waren unsere Ängste sofort wie weggeblasen.“ Da kamen keine Zombies und selbst seine konservativsten Kunden blieben ihm treu.
Normalen Menschen das kiffen ermöglichen
„Wir wollten dem kriminellen Drogenhandel die Cannabiskonsumenten entziehen“, nennt Julio Calzada einen der wichtigsten Gründe für das Gesetzesvorhaben. Calzada spielte eine führende Rolle bei der Formulierung und Umsetzung des Gesetzes, das im Dezember 2013 während der Präsidentschaft von José Mujica mit knapper Mehrheit verabschiedet wurde und einige Monate später in Kraft trat. Dabei sei es nie um Legalisierung oder Liberalisierung gegangen, sondern um die Regulierung des bereits bestehenden, aber illegalen Cannabismarktes, erklärt er.
Und es ging darum, ganz normalen Menschen, die einen Job haben, in die Gesellschaft integriert sind und keine Verbindung zu kriminellen Märkten haben, die Möglichkeit von legalem Konsum zu bieten. Mujica ernannte Calzada zum Leiter der neuen Junta Nacional de Drogas, einer Behörde, die direkt dem Präsidialamt untersteht und zusammen mit dem Secretaría Nacional de Drogas für die Umsetzung und Einhaltung des Gesetzes verantwortlich ist. „Damals waren 60 Prozent der Bevölkerung dagegen, heute sind es knapp unter 30 Prozent“, sagt er.
Das Gesetz erlaubt drei Wege, um an Cannabis zu gelangen: den Kauf in der Apotheke, den Selbstanbau von bis zu sechs weiblichen Pflanzen oder die Mitgliedschaft in einem sogenannten Cannabisklub, der stark reguliert ist. So darf ein solcher Klub nicht mehr als 45 Mitglieder haben sowie höchstens 99 weibliche Pflanzen anbauen. Weibliche Pflanzen deshalb, weil ihre Blüten eine hohe Konzentration von Tetrahydrocannabinol, kurz THC, enthalten, das für die berauschende oder beruhigende Wirkung verantwortlich ist.
Das gesamte System basiert auf der Vergabe von staatlichen Lizenzen an private Marktteilnehmer. Das reicht von den privaten Unternehmen, die den Anbau in großem Stil betreiben, über die Apotheken, die den Verkauf abwickeln, bis hin zu den Klubs, den Selbstanbauern und den Konsumenten. „Es ist nicht der Staat, der anbaut oder verkauft“, erklärt Calzada.
Die Nachfrage ist zu hoch
„Er hat uns bei einer Informationsveranstaltung für Apotheken überzeugt“, sagt Redin und deutet auf Julio Calzada. Händeschütteln, man kennt sich. „Als er sagte, dass das durchschnittliche Profil eines Cannabiskonsumenten dem eines ruhigen Menschen entspricht, war ich zwar weiter skeptisch, aber er behielt recht.“
Apotheker Redin hat drei Päckchen auf die Theke gelegt, für jede Cannabisvariante eines. „Es gibt Alpha, Beta und Gamma. Sie unterscheiden sich in ihrem THC-Wert.“ Variante Gamma hat mit 15 Prozent den höchsten THC-Gehalt, Alpha und Beta haben höchstens 9 Prozent. Jedes Päckchen enthält 5 Gramm und kostet umgerechnet etwa 10,50 Euro.
Pro Woche kann jeder registrierte Konsument zwei Päckchen kaufen, was mit dem Abgleich des Fingerabdrucks kontrolliert wird. Jedes Päckchen hat einen Strichcode, mit dem jede Station seines Wegs vom Anbauer bis zum Konsumenten bei der Behörde gescannt und registriert wird. „Das Sicherheitssystem der Verkaufskette funktioniert perfekt“, sagt der Apotheker.
Das Manko sei die wöchentliche Liefermenge. „Im Durchschnitt werden 6 Kilo geliefert. Verkaufen könnten wir 20 Kilo. Diese Woche haben wir nur etwas mehr als 3 Kilo bekommen“, so der Apotheker. Rationiert wird dennoch nicht. Wer seine zwei Päckchen kaufen will, bekommt sie, bis nichts mehr da ist. Bezahlt wird ausschließlich in bar, eine Steuer fällt nicht an. „Auf Pflanzen und Gemüse erhebt das Finanzamt keine Mehrwertsteuer“, sagt Apotheker Redin und kann sich das Schmunzeln nicht verkneifen.
Vor allem reichere profitieren
Mit 2,25 US-Dollar pro Gramm ist das Cannabis aus der Apotheke teurer als das gepresste Marihuana auf dem illegalen Markt. Aber der Qualitätsunterschied ist enorm. „Das wissen die Konsumenten zu schätzen“, sagt er. Für seine Apotheke ist es ein Zusatzgeschäft. „Eine Verkaufsstelle nur für Cannabis lohnt nicht. Miete, Telefon, Angestellte, das rechnet sich nicht“, sagt er.
Klar ist auch, dass die Mittel- und Oberschicht die eigentlichen Nutznießer der Regulierung sind. Obwohl der Preis ähnlich ist, kaufen ärmere Konsumenten weiter auf dem illegalen Markt. Vor allem, weil es in ihren Vierteln keine Apotheken gibt, die es verkaufen. Die Ängste vor Einbruch und Überfällen überwiegen noch immer.
Fabiana Vañez hat sich ein Päckchen übers Internet reserviert und holt es nun in der Farmácia Antártida ab. „Seit es die Variante Gamma gibt, kaufe ich wieder in der Apotheke“, bestätigt Fabiana. Alpha und Beta hätten nicht geknallt, lacht sie. Vor zwei Jahren hat sich die 37-Jährige registrieren lassen. „Beim Postamt an der Ecke, war ganz einfach“, sagt sie.
10 Jahre legal kiffen
Seit April 2014 ist in Uruguay das Gesetz zur staatlichen Kontrolle und Regulierung von Import, Export, Anbau, Ernte, Produktion, Vermarktung und Vertrieb von Marihuana in Kraft. Der linke Präsident Pepe Mujica hatte es damals mit knapper Mehrheit durchs Parlament gebracht. Uruguay ist das erste Land, das einen legalen Anbau, Verkauf und Verbrauch staatlich reguliert hat.
Wie kommt man ran?
Volljährigen Konsumenten sind drei Varianten erlaubt: Eigenanbau, Mitgliedschaft in einem Verein oder Kauf in einer Apotheke. Dafür sind ein fester Wohnsitz in Uruguay und eine Registrierung bei der Behörde IRCCA Pflicht. Selbstanbauer dürfen bis zu 6 weibliche Pflanzen für den Eigenkonsum besitzen. Ein Cannabisklub muss mindestens 15 und darf nicht mehr als 45 Mitglieder haben sowie höchstens 99 weibliche Pflanzen anbauen. Konsumenten dürfen bis zu 10 Gramm pro Woche in den eigens dafür zugelassenen Apotheken kaufen.
Etwas mulmig war ihr dennoch, erzählt sie. Was passiert, wenn ihr Arbeitgeber davon erfährt, hatte sich die Krankenpflegerin tagelang gefragt. Dabei will sie doch gerade von dem Stress an ihren Arbeitsplatz runterkommen. „Dann habe ich entschieden, ich rauche lieber einen Joint als mir Psychopharmaka einzuwerfen“, sagt sie und geht mit ihrem Päckchen davon.
Roll-back? „Wer kann das wollen?“
„Die Registrierungspflicht war die umstrittenste Vorgabe des Gesetzes“, bestätigt Apotheker Redin. Wer legal kaufen oder anbauen will, muss sich bei der Drogenbehörde registrieren lassen. Das geht zwar problemlos, aber es ist ein Outing als potenzieller Konsument. Und das setzt Ängste frei: Was, wenn der politische Wind dreht, das Regulierungsgesetz abgeschafft wird und Innenministerium und Polizeibehörde Zugriff auf das Register bekommen?
Im zehnten Stock des Torre Ejecutiva ist der Ausblick auf den Atlantik atemberaubend. „Ich hatte mal ein Büro im Keller“, weiß Daniel Radío sein Privileg zu schätzen. Radío ist Leiter des Drogensekretariats, das im Exekutiv-Turm untergebracht ist, dem zwölfstöckigen Hochhaus im Zweckbaustil an der Plaza Independencia im Zentrum von Montevideo. Radíos Credo lautet regulieren statt verbieten.
Von den 100 Millionen US-Dollar des gesamten Cannabismarktes werden heute 40 Millionen im regulierten Markt, 40 Millionen im sogenannten grauen Markt und nur noch 20 Millionen auf dem illegalen Markt umgesetzt. Würde morgen das Gesetz außer Kraft gesetzt, würde diese Summe früher oder später wieder in den illegalen Drogenhandel fließen. „Wer kann das wollen?“, fragt er und breitet die Arme aus.
Julio Rey, Vorkämpfer für das Cannabisgesetz
Als der liberal-konservative Luis Lacalle Pou die Präsidentschaftswahl gewann und 2020 sein Amt antrat, waren die Befürchtungen groß. Erwartet wurde ein Rollback in der Drogenpolitik, zumal der neue Präsident mit seiner Allianz aus fünf gemäßigt bis rechtsradikalen Parteien über eine Mehrheit im Kongress verfügte. „Nur wenige erinnern sich daran, dass Lacalle Pou 2010 im Kongress das erste Projekt für die Entkriminalisierung von Cannabis vorgestellt hat“, sagt Radío, der damals ebenfalls Abgeordneter war. Die beiden kennen sich seither, der Präsident hat ihn zum Leiter der Drogenbehörde ernannt.
Innenminister wollte Daten
Kaum im Amt, begann jedoch der Abwehrkampf. Das Innenministerium wollte Zugang zu den persönlichen Daten der Selbstanbauenden erhalten. „Ich habe klar gemacht, dass ich die Adressen nicht herausgeben werde, und der Präsident hat mich unterstützt“, sagt er. Auch den ständigen Vorwurf, das Gesetz werde den Konsum erst richtig beschleunigen, kontert er. „Unsere Zahlen belegen, dass der Verbrauch im gleichen Tempo zunimmt wie in den Jahrzehnten davor“, sagt Radío.
Dennoch fällt seine Bilanz nach vier Jahren seiner Amtszeit nicht positiv aus, räumt er unumwunden ein. Keines seiner Vorhaben hat den Weg von seinem Büro im Exekutivturm in den Kongress geschafft. „Ich wollte die Registrierungspflicht abschaffen.“ Die schließe nämlich alle aus, die keinen festen Wohnsitz in Uruguay haben, und damit im Ausland lebende Uruguayer ebenso wie Menschen ohne festen Wohnsitz.
Lacalle Pou wird noch bis März im Amt bleiben. Danach übernimmt der neugewählte gemäßigt-linke Yamandú Orsi das Präsidentenamt. Der wird wahrscheinlich einen neuen Leiter der Drogenbehörde ernennen. Große Änderungen sind aber nicht zu erwarten. Das Thema Cannabis steht aktuell auf keiner Agenda. Radíos Aufmerksamkeit gilt denn auch mehr der gestiegenen Nachfrage in den Apotheken. Seit Cannabis mit 15 Prozent THC angeboten wird, kommen wieder mehr Konsumenten in die Apotheken, erzählt auch er zufrieden. „Wer in der Apotheke keine ordentliche Auswahl hat, geht eben zum Dealer“, sagt der Chef des Drogensekretariats.
Die Busfahrt von Montevideo nach Florida dauerte etwas mehr als eine Stunde. In der 33.000 Einwohner zählenden Kleinstadt lebt Julio Rey, Uruguays wohl bekanntester Vorkämpfer für die Legalisierung von Cannabis. Mit großen Hoffnungen gründete er vor zehn Jahren den Cannabisklub La Hoja Roja.
Jeder will kiffen, keiner will anbauen
18 Monate später löste er ihn wieder auf. Die Sicherheitsvorkehrungen, die begrenzte Mitgliederzahl, die hohen Fixkosten und vor allem die geringe Bereitschaft, sich zu engagieren, führten zum Ende. Viele hatten kein Interesse am aktiven Mitmachen und wollten nur ihren monatlichen Cannabisanteil abholen. „Unter Vereinsleben stelle ich mir etwas anderes vor“, sagt Rey.
Und das Rote Blatt (deutsch für La Hoja Roja) ist kein Einzelfall. Die meisten Klubs haben heute einen Unternehmer als Eigentümer und professionelle Mitarbeiter, während die Mitglieder meist keine Ahnung vom Anpflanzen, Züchten und Ernten haben. Und bei all den anfallenden Kosten ist die Mitgliedschaft teuer. „Die Klubs sind definitiv nichts für arme Leute“, sagt Rey.
Seine Bilanz fällt denn auch gemischt aus: „Dass wir heute offen und frei darüber reden können, ist dem Gesetz zu verdanken“, sagt er. Und es sei ein Erfolg, dass es Cannabisblüten zu kaufen gebe und niemand mehr gezwungen sei, den Mist vom Schwarzmarkt zu rauchen, für den die Pflanze mit Stängeln, Wurzeln, Blättern und Blüten geschreddert und gepresst wird. „Aber wenn ich dir jetzt meinen Joint anbiete und du ihn rauchst, begehen wir beide noch immer eine Straftat“, fügt er hinzu und inhaliert. Dafür wandern noch immer Leute ins Gefängnis. Die Mentalität, Marihuana müsse bekämpft werden, sei auch zehn Jahre später nicht verschwunden und die entsprechenden Strafgesetze nicht geändert.
Nach dem Aus von La Hoja Roja hat sich Rey als Selbstanbauer registrieren lassen. Als Konsument hätte er in Floridas Apotheken auch keine Chance, sich Cannabis zu kaufen, denn alle Filialen im Ort gehören ein und demselben Unternehmer. „Und der ist gegen den Verkauf von Cannabis“, so Rey. Als Selbstanbauer darf er sechs weibliche Pflanzen haben, die gleichzeitig blühen dürfen. Das reicht ihm für seinen Eigenbedarf.
Ein Haus in Montevideo
Während es in Florida und anderen ländlicheren Gegenden Uruguays schwierig ist, Apotheken zu finden, die Cannabis verkaufen, gibt es in der Hauptstadt selbst andere Probleme. Einen geeigneten Platz für den Anbau zu finden, zum Beispiel. Beim Spaziergang durch ein Mittelklasseviertel kommt man an einem einstöckigen Haus vorbei, an dessen Fassade nichts darauf hindeutet, das sich hier ein Cannabisklub befindet.
Auch der Elektrodraht oben auf den hohen Eisengittern fällt nicht auf. Hinweise und Werbung für Cannabisklubs sind verboten, ebenso wie Websites und Social-Media-Auftritte. „Im Umkreis von 150 Metern darf es keine Einrichtung für Minderjährige geben, keine Schule, keinen Kindergarten, keine Sportanlage oder einen Spielplatz“, sagt Gustavo Garrido. „So etwas findet man in Montevideo kaum“, fügt er hinzu.
Die meisten der rund 300 Cannabisklubs in Uruguay befinden sich daher am urbanen Rand oder in ländlicher Gegend. Doch Hausbesitzer Gustavo Garrido hatte Glück. Nach einem gründlichen Check der Nachbarschaft stand fest: In dem von seiner Tante geerbten Haus kann ein Klub eingerichtet werden. Vor drei Jahren legte er mit einigen Partnern los. Sie rissen Wände ein, mauerten Fenster zu, verlegten stärkere Elektrokabel für Heizung, Klimaanlage, Lüftung und Licht und erfüllten die Sicherheitsmaßnahmen gegen Einbrüche von außen, etwa mit dem Elektrodraht.
„Das ganze Viertel weiß, dass hier ein Cannabisklub ist“, sagt Gustavo Garrido. Die Klischees von angelockten Dealern oder Drogensüchtigen kamen gar nicht erst auf. „Niemand hat sich jemals beschwert oder verlangt, dass wir gehen sollten“, sagt der große, kräftige Mann, dessen Hobby Kampfsport ist.
Gärtner aus Leidenschaft
Cannabisblüten aus eigenem Anbau wecken wegen ihrer hohen Qualität Begehrlichkeiten. Einbrüche in Klubs sind zwar selten, aber sie kommen vor. Viele Klubs geben deshalb auch nicht öffentlich bekannt, wo sie zu finden sind. Nichtmitgliedern ist der Zutritt ohnehin komplett untersagt. Alles läuft über Mundpropaganda. Am Anfang kamen manchmal Nachbarn und fragten, ob sie etwas kaufen könnten. „Seitdem sich herumgesprochen hat, dass da nichts geht, kommt keiner mehr.“
Garrido hat aus einem allgemeinen Interesse an Pflanzen heraus Agrartechnik studiert. „Aber was den Cannabisanbau angeht, bin ich Autodidakt“, sagt er. Er erwarb einen technischen Abschluss in Hydrokultur und anschließend ein Diplom in medizinischem Cannabis an der Nationalen Universität von Bogotá in Kolumbien. Vor acht Jahren ließ er sich als Selbstanbauer registrieren und wurde durch geduldiges Try and Error zu einem erfahrenen Anbauexperten.
Der 45-Jährige ist der Techniker, den jeder Klub einstellen muss. „Das hier ist der Anbauplan.“ Er zeigt auf die weiße Tafel an der Wand. Blütezeit steht über 65 aufgelisteten Tagen. Dazu kryptische Kürzel wie PH6.1 oder W.P50-55. „Der grüne Punkt hier neben der 19 markiert den aktuellen Blütetag, die Kürzel sind für Wasser- und Nährstoffwerte für den jeweiligen Wachstumsstand“, erklärt er. Angebaut wird nur in Hydrokultur mit einer Nährlösung aus purifiziertem Wasser, das mit Mineralien wie Kalzium, Magnesium, Stickstoff, Phosphor, Kalium, Zink, Mangan, Gold, Kupfer und Schwefel angereichert ist. Dazu kommt Huminsäure und Fulvosäure, um den pH-Wert zu senken.
Im fensterlosen Blühraum summt die Lüftung. Von der Decke strahlen LED-Lampen. Die Luft ist geruchslos, fast steril. Spezielle Filter sorgen dafür, dass vor allem nichts nach draußen dringt. Halbhoch verlaufen weiße Rohrreihen, darin sind in kurzen Abständen die Hydrokulturtöpfe eingelassen. Ein über ein Meter hohes Dickicht aus 99 Pflanzen nimmt den Raum ein. An den Spitzen beginnen die Blüten auszutreiben. „12 Stunden Tag und 12 Stunden Nacht, mit diesem Rhythmus schaffen wir 4 Ernten im Jahr“, sagt er.
Weg mit den letzten Fesseln
Wenn unten geerntet wird, werden oben im Vegetationsraum schon die neuen Pflanzen vorbereitet, beschreibt er und geht die Treppe ins erste Stockwerk hinauf. Auch die Jungpflanzen wachsen in Hydrokultur heran, versorgt mit dem für ihr Wachstumsstadium entsprechenden Wasser- und Mineralstoffmix. „Heute gibt es fast nur noch Hybridsorten aus den Cannabisarten Indica und Sativa mit Fantasienamen wie 24K oder OG, das sich Ouutschie spricht“, lacht er.
Die Kosten für den Klub sind hoch: „Unsere Stromkosten schwanken zwischen 1.000 und 1.500 US-Dollar im Monat.“ Dazu kommen sein Lohn und der von drei weiteren Mitarbeitern. Jeder verdient rund 1.500 US-Dollar im Monat. Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 560 US-Dollar eigentlich kein geringer Verdienst. Allerdings hat das Land nach Angaben der uruguayischen Zentralbank auch die höchsten Lebenshaltungskosten in Lateinamerika. „Auch wenn wir als eingetragener Verein keine Steuern zahlen müssen, geht alles in die Fix- und Lohnkosten“, sagt er.
Wie viel die 45 eingetragenen Mitglieder monatlich für ihren 40-Gramm-Anteil zahlen, will er nicht sagen. Doch die gesetzliche Reglementierung empfinde er als Fessel: „Wenn wir 200 oder 300 Personen in einem Klub aufnehmen könnten und jedes Mitglied zwischen 5 Gramm, 10 Gramm oder 20 Gramm Abnahme wählen könnte, wäre das ein erheblicher Fortschritt“, sagt Gustavo Garrido. Ein Fortschritt, der der Pionierleistung Uruguays noch einen draufsetzen würde.
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