Gescheiterter Putschversuch in Südkorea: Staatsstreich als Verzweiflungstat
Die Demokratie in Südkorea hat wohl vorerst überlebt. Aber Präsident Yoons Griff nach der Macht offenbart die tiefen Gräben in der südkoreanischen Politik.
M an muss die Dinge klar beim Namen nennen: Was Yoon Suk Yeol in der Nacht auf Dienstag probiert hat, war nicht weniger als ein Putschversuch. Rational betrachtet war dieser von Beginn an zum Scheitern verurteilt – allein schon weil es Yoon nicht gelang, absolute Kontrolle über die Medien und das Militär auszuüben. Denn obwohl die Soldaten das Parlament absperren sollten, gelangten 190 Abgeordnete in den Plenarsaal – und konnten erfolgreich gegen das Kriegsrecht abstimmen.
Tatsächlich stand bereits zu jenem Zeitpunkt fest, dass Yoon die Causa politisch nicht überleben wird. Mehr noch: Das Risiko ist durchaus gegeben, dass der Präsident schon bald sogar wegen Hochverrat angeklagt werden könnte.
Wahrscheinlich hat er aus vollständiger Verzweiflung gehandelt. Er war politisch isoliert, hatte keinen Rückhalt innerhalb der Bevölkerung mehr. Fühlte sich derart in die Ecke gedrängt, dass er in den Angriff überging.
Hinzu kommt wohl eine gehörige Portion Paranoia. Dass die Opposition von pronordkoreanischen Agenten durchsetzt ist, wie Präsident Yoon wohl tatsächlich glaubt, lässt sich keineswegs belegen.
Zwar ist innerhalb der südkoreanischen Linken ist eine gewisse Naivität und Gutgläubigkeit gegenüber Pjöngjang stark verbreitet – ein Trugschluss, der insbesondere während der derzeit angespannten Sicherheitslage durchaus gefährlich sein kann. Doch dass die Oppositionsparteien den südkoreanischen Staat stürzen wollen, ist absurd.
Schlussendlich ist Yoons radikales Vorgehen vor allem verantwortungslos. Denn der 63-Jährige hat sein Land ins politische Chaos gestürzt. Doch ein Glück, so möchte man meinen, hat die südkoreanische Demokratie diese Bewährungsprobe – zumindest bisher – erfolgreich bestanden: Die Demonstrationen sind friedlich geblieben, und die Opposition sowie die Öffentlichkeit versuchen, auf legalem Weg ihr Ziel zu erreichen: den Präsidenten zum Rücktritt zu bewegen.
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