: Der Nordlicht-Spezialist
Bei isländisch- oder skandinavisch-deutschen Film-Koproduktionen hat der Bremer Ralph Christians oft die Finger im Spiel –auch beim „Gletschergrab“-Thriller, am Montag im ZDF
Von Wilfried Hippen
Auf seiner Visitenkarte steht als Berufsbezeichnung nur „Story Finder“. Das liest sich wie eine poetische Umschreibung von dem, was der Autor, Produzent, Showrunner und Strippenzieher Ralph Christians so macht. Aus einer von den Geschichten, die er gefunden hat, wurde der international produzierte Film „Gletschergrab“, der Anfang 2023 herausgekommen war. Das ZDF zeigt ihn nun in seiner Reihe Montagskino.
Der Film basiert auf dem internationalen Bestseller „Operation Napoleon“ des isländischen Autoren Arnaldur Indriðason. Ralph Christians wird in der Teamliste als „Executive Producer“ geführt. Und an diesem Beispiel lässt sich gut beschreiben, wie komplex die Arbeit an einer internationale Filmproduktion ist. Ralph Christians war es, der das Potenzial des Thrillers erkannte und sich vor vielen Jahren bei dem Schriftsteller eine Option für eine Filmadaption sicherte. Dafür musste er drei Jahre lang mit ihm verhandeln, denn Indriðason hatte lange vergeblich gehofft, die Filmrechte für mehr Geld nach Hollywood zu verkaufen.
Zuerst wollte auch Christians das Projekt mit einem amerikanischen Studio machen, aber dessen Leiter sei „in letzter Sekunde“ abgesprungen, als er bemerkt habe, dass die Amerikaner in der Geschichte alles andere als die Helden seien. Stattdessen wurde der Film dann mit einem neuen, komplexeren Drehbuch als isländische Produktion in Zusammenarbeit mit der deutschen Firma Splendid und mit Geld vom ZDF gedreht. Hilfreich dabei: Christians gute Kontakte insbesondere zur isländischen Filmindustrie. Außerdem half er dabei, den irischen Schauspieler Iain Glen, bekannt aus der Serie „Game of Thrones“ für den Film zu gewinnen. Glen hatte davor schon in der von Christians produzierten irischen Krimireihe „Jack Taylor“ die Hauptrolle gespielt, die ebenfalls im ZDF lief.
Christians, 1950 in Wuppertal geboren, begann seine Karriere als Journalist bei der Lokalzeitung und gehörte dann eine Zeitlang zur Textredaktion der Satirezeitschrift „Pardon“. Mittlerweile lebt er in Bremen, wo er von 2009 bis 2020 als deren geschäftsführender Gesellschafter die Produktionsfirma Molten Rock Media betrieben hat. Mitte der 1970er war Christians erstmals nach Island gereist. Dort machte er Reportagen fürs deutsche Fernsehen und lebte mit einer Tochter des Literaturnobelpreisträgers Halldór Laxness zusammen.
Zehn Jahre blieb er auf der Insel und produzierte Dokumentationen, wurde Teil der jungen isländischen Filmszene. So gelang es ihm, die ersten in der isländischen Sprache produzierten Spielfilme an die ARD zu verkaufen. Damals begann er seine Arbeit als Strippenzieher: Als Kenner der isländischen und skandinavischen Szene bekam er den Auftrag, in Nordeuropa vielversprechende Filmprojekte auch für den deutschen Markt aufzuspüren.
Später zog er nach Irland. Dort waren Autor*innen wie er von der Steuer befreit, und es gab Steuervorteile für internationale Filmproduktionen. Der irische Staat hoffte, so eine neue irische Filmindustrie aufzubauen. Christians schrieb und produzierte in seinem Studio in Galway über 600 Episoden für Serien wie „Loggerheads“, eine etwas durchgeknallte Wikinger-Animation und „Pigs next Door“. In der wird von einer Schweinefamilie erzählt, die in ein Haus in einer amerikanischen Vorstadtsiedlung zieht.
Ähnlich frech war sein Drehbuch zum Zeichentrickfilm „Derrick – Die Pflicht ruft“. Diese Parodie auf die Fernsehserie „Derrick“, an der Horst Tappert und Fritz Wepper als Sprecher mitarbeiteten, kam im Jahr 2004 in die deutschen Kinos.
Als Christians schließlich die Fiktionsabteilung seiner Produktionsfirma „Magma“ in Irland auflöste, übertrug er die Animationsaktivitäten auf seine beiden Töchter Emely Christians und Jana Bohl, die daraus in Hamburg die Firmen „Studio Rakete“ und „Ulysses-Films“ entwickelten: Mit 3D-Animationsfilmen wie der Reihe um das Rentier „Niko“ sind sie international sehr erfolgreich.
Sein erster großer Coup als „Story Finder“ gelang Christians ebenfalls in Irland, als er die Krimis des Schriftstellers Ken Bruen entdeckte. Die neun Spielfilme um dessen Privatdetektiv Jack Taylor spielen zwar alle in der irischen Stadt Galway, wurden aber zum Teil in Bremen gedreht, weil die norddeutsche Förderinstitution „Nordmedia“ an der Finanzierung beteiligt war. 2023 war Christians dann ein Jahr lang bei der Produktionsfirma Neue deutsche Filmgesellschaft als Story Finder engagiert, um in Nordeuropa nach neuen Filmprojekten zu suchen. Also entweder aus eigenen Ideen Drehbücher entwickeln, Romane finden, die sich für Verfilmungen eignen oder sich die Persönlichkeitsrechte von Menschen mit vielversprechenden Lebensgeschichten sichern.
Gegenwärtig arbeitet Christians an neuen Projekten. Zum einen entwickelt er eine Fortsetzung von „Gletschergrab“, in der es um einen „Nazischatz in Finnland“ und um das „Bernsteinzimmer“ gehen soll. Im Februar beginnen dann die Dreharbeiten der Verfilmung eines Krimis von Autorin Satu Rämö aus der Reihe um die isländische Kriminalbeamtin Hildur. Auch hier hat Christians zusammen mit finnischen und isländischen Partnern die Filmrechte optioniert und die Entwicklung vorangetrieben. Dazu gehörte für ihn, darauf zu bestehen, dass ein isländisches Kamerateam engagiert wird. Denn die Aufnahmen von anderen, das weiß Ralph Christians, haben oft einen seltsamen Blaustich. Das liegt am einzigartigen ultravioletten Licht: Die Isländer kennen das. Die können damit arbeiten.
Fernsehen „Gletschergrab“, Spielfilm, 16. 12., 22.15 Uhr ZDF sowie in der Mediathek
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