piwik no script img

Gerichte bleiben in der Provinz

Kieler Justizministerin einigt sich mit Gerichten auf Reform: Fast alle Standorte bleiben erhalten

Von Esther Geißlinger

„Wir bleiben in der Fläche“ – mit dieser Botschaft trat Schleswig-Holsteins Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) vor die Presse. An ihrer Seite standen die Prä­si­den­t:in­nen der Obergerichte des Landes. Die hatten noch vor Kurzem heftige Kritik an den Plänen geübt, die von der Decken im September vorgestellt hatte. Aus Spargründen wollte die Ministerin die Sozial- und Arbeitsgerichte an einem Ort bündeln. Nun stellte von der Decken ein neues Konzept vor.

Zurzeit gibt es vier Sozial- und fünf Arbeitsgerichte im Flächenland. Bis auf einen Standort sollen alle erhalten bleiben, allerdings werden kleinere Gerichte zu „Zweigstellen“ oder „Kammern“ erklärt. Sie sollen in größere Gerichtsgebäude umziehen. „Damit können wir von 17 Gebäuden auf zehn reduzieren, und die Mitarbeiter werden von Verwaltungsaufgaben entlastet und haben mehr Zeit für die Rechtsprechung“, sagte von der Decken. Sie sei sehr froh über die „vielen konstruktiven Gespräche“, die sie mit den Betroffenen geführt habe.

Das hatte in den vergangenen Wochen etwas anders ausgesehen: Mitte Oktober demonstrierten einige Hundert Betroffene vor dem Landtag, Anfang November schrieben die Ge­richts­prä­si­den­t:in­nen einen Offenen Brief an die Ministerin. Die Hauptpunkte der Kritik betrafen die Erreichbarkeit: „Der Zugang zu den Gerichten und damit zu effektivem Rechtsschutz hat Verfassungsrang“, heißt es in dem Offenen Brief.

Sozialverbände wiesen darauf hin, dass gerade die Menschen, die vor Sozial- oder Arbeitsgerichten um ihr Recht kämpfen, häufig krank, schwerbehindert oder finanzschwach seien. Die Gewerkschaft DGB sah zudem auf die Beschäftigten „unzumutbare“ Anfahrtswege zukommen.

„Wir sind froh, dass wir nun wieder mit der Ministerin in dieselbe Richtung rudern“, sagte Wulf Benning, Präsident des Landesarbeitsgerichts. Die Verärgerung über die anfängliche Kommunikation werde aber bei den Beschäftigten noch etwas vorhalten, vermutete er.

Katrin Gebhardt, Sprecherin der Neuen Richtervereinigung und Richterin am Landessozialgericht, hätte sich ebenfalls gewünscht, dass die Betroffenen früher einbezogen worden seien. Am neuen Konzept würde man nun konstruktiv mitarbeiten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen