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Von der Bank zum Match-Winner

Beim späten 2:1-Sieg von Werder Bremen gegen Holstein Kiel wechselt der Trainer den Sieg ein

Von Ralf Lorenzen

Der Hauptdarsteller des Spiels schien vorher festzustehen: Ole Werner, als Fußballer und Trainer 15 Jahre in Kiel gewesen, empfing als Coach von Werder Bremen seinen Ex-Klub zur Erstauflage dieses Nordderbys in der Ersten Fußball-Bundesliga. Bis zur 48. Minute drängte sich kein anderer Protagonist in den Vordergrund. Dann erzielte der Kieler Nachwuchs-Stürmer Phil Harres in seinem erst dritten Bundesliga-Spiel den Ausgleich.

Eine halbe Stunde später sorgte Werner mit einem überraschenden Doppelwechsel für eine erneute Wendung. Er opferte für den Schlussspurt seinen Kapitän und Abwehrchef Marco Friedl sowie seinen Torjäger Marvin Ducksch. Bei Friedl half als Erklärungsansatz, dass er mit einer gelben Karte vorbelastet war, in der zweiten Hälfte unsicher wirkte und mit Niklas Stark ein bewährte Abwehrchef als Ersatz bereitstand.

Schotte auf dem Abstellgleis gelandet

Aber für Ducksch, der auch in dieser Saison fast an jedem zweiten Bremer Treffer beteiligt ist, wurde mit Oliver Burke jemand eingewechselt, der seinen letzten Treffer für Werder im August 2022 erzielt hatte. Danach war der Schotte zunehmend auf dem Abstellgleis gelandet, wurde in der vergangenen Saison zu Birmingham City in die zweite englische Liga ausgeliehen und steht in dieser nur noch im Bremer Kader, weil sich kein anderer Abnehmer fand. Die Bremer Verantwortlichen schienen den Glauben daran verloren zu haben, dass der Schotte seine Anlagen doch noch freisetzt.

Doch schon in den vergangenen Wochen hieß es, der „Burki“ habe sich geändert, hänge sich im Gegensatz zu früher in jedem Training voll rein und bringe viel positive Energie in die Mannschaft. Werner hatte dies mit Joker-Einsätzen in den Schlussminuten der letzten vier Spiele belohnt. Als Burke sich in der 89. Minute dann mit seiner ganzen Sprungkraft hochschraubte und eine starke Flanke ins Tor köpfte, sorgte er für eine Gefühlsexplosion. „Dass dann jemand wie Oliver Burke das Weserstadion zum Beben bringt, nachdem er schon totgesagt wurde, das ist einfach eine tolle Geschichte“, sagte Ole Werner nach dem Spiel.

Die Freude der Bremer wurde noch dadurch verstärkt, dass dies im fünften Anlauf endlich der erste Heimsieg war. Der war nach einer überlegenden ersten Halbzeit und dem Führungstreffer durch Jens Stage noch einmal in Gefahr geraten, weil die Kieler ihren Gegner nach der Pause früher und härter attackierten. Werder hatte völlig den Faden und sich in Einzelaktionen verzettelt – bis Ole Werner doch noch den Sieg einwechselte. Werder ist nach zehn Spielen mit 15 Punkten laut Werner „im Plan.“ Die Kieler haben erneut bewiesen, in der Oberklasse mithalten zu können, müssen aber dringend weiter punkten, um den Anschluss an die Nichtabstiegsplätze nicht zu verlieren.

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