In Rojava getöteter Kieler: Eltern allein gegen die Türkei
Der Kieler Konstantin Gedig starb vor fünf Jahren durch türkische Bomben. Seine Eltern kämpfen noch immer um seinen Leichnam.
Seitdem kämpfen Ruß und Gedig um den Leichnam ihres Sohnes. Sie sind sicher, dass die Türkei die sterblichen Überreste geborgen hat – so geht es aus Berichten der YPG und türkischer Medien hervor. Von den deutschen Behörden fühlen sie sich allein gelassen. „Die Bundesregierung predigt den Einsatz für Demokratie und Menschenrechten, doch sobald man sich gegen den Nato-Partner Türkei wendet, werden diese Prinzipien wertlos“, kritisiert Thomas Gedig gegenüber der taz.
Das Ehepaar sah sich gezwungen, Strafanzeige bei der Generalbundesanwaltschaft zu stellen. „Eigentlich hätte die Behörde von sich aus ermitteln müssen“, sagt Gedig. Da dies nicht passiert sei, forderte der Anwalt des Paares, Alexander Hoffmann, die oberste deutsche Strafverfolgungsbehörde im März auf, eine Anzeige gegen Verantwortliche des türkischen Staates und Militärs zu prüfen. Doch der Generalbundesanwalt lehnte ab: nicht zuständig.
Hoffmann weist in seinem Antrag darauf hin, dass der Angriff der Türkei völkerrechtswidrig war – das hatte auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages festgestellt. Ziel sei die Zerschlagung kurdischer Verwaltungsstrukturen sowie ein Bevölkerungsaustausch gewesen – Kurd*innen sollten durch arabisch-syrische Flüchtlinge ersetzt werden.
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Eine Woche später war er tot
Der Plan ging auf. Der Menschenrechtsanwalt Patrick Kroker sprach im Januar gegenüber der taz von einem „De-facto-Protektorat“ in Nordsyrien, in dem die Türkei die Kontrolle habe und daran arbeite, den Anteil der kurdischen Bevölkerung zu dezimieren.
Im Zuge dieses Angriffs starb auch Konstantin Gedig, der unter dem kurdischen Namen Andok Cotkar gekämpft hatte. Nachdem er zunächst als Sanitäter an der Front Verwundete versorgt hatte, half er später Êzîd*innen bei der Rückkehr in die Region Shingal im Nordirak, von wo der IS sie vertrieben hatte. Als die Türkei die Kurd*innen im syrischen Serêkanyiê bombardierte, meldete er sich freiwillig, um dort zu kämpfen. Eine Woche später war er tot.
Der Bundesanwalt sieht jedoch nicht genug Anhaltspunkte für Ermittlungen. Damit ist den Eltern der weitere Gang durch die deutschen Instanzen verwehrt. Sie wollen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen, doch dafür muss erst der deutsche Rechtsweg ausgeschöpft werden – was er mit der Ablehnung der Bundesanwaltschaft nicht ist.
Für Ruß und Gedig ist die Ablehnung politisch motiviert. „Die Behörden glauben lieber den Lügen der türkischen Stellen, als uns darin zu unterstützen, einen getöteten deutschen Staatsbürger zu bergen und zu beerdigen“, kritisiert Ruß. Dabei seien die Informationen, die sie gesammelt hätten, Anlass genug für Ermittlungen.
Eltern suchen Leichnam
Die Bundesanwaltschaft äußert sich auf taz-Anfrage nicht zu dem Fall. Gedig und Ruß gehen davon aus, dass Konstantins Einsatz als freiwilliger Kämpfer ein Grund für die Ablehnung der Ermittlungen ist. Das Völkerrecht unterscheidet bei Kriegsverbrechen den Einsatz gegen Zivilist*innen von dem gegen Soldat*innen.
Letztere unterliegen bei Tötung nicht dem Schutz des Völkerrechts – es sei denn, sie haben sich ergeben oder sind schwer verwundet. Letzteres habe nach Recherchen von Ruß und Gedig auf Konstantin zugetroffen.
Im März 2023 waren sie nach Rojava gereist, um Informationen über den Tod ihres Sohnes zu sammeln. Demnach war Konstantin auf dem Weg hinter die feindlichen Linien von einem Bombensplitter verletzt worden. Er habe sich verarztet und weitergehen wollen, aber seine Kamerad*innen hätten ihn zu einem Sammelpunkt für Verletzte gebracht. Der Sammelpunkt sei bombardiert worden, Konstantin und andere starben.
Für Ruß und Gedig geht der Kampf auch fünf Jahre nach dem Tod ihres Sohnes weiter. „Wir werden einen türkischen Anwalt beauftragen, zum Verbleib von Konstantins Leichnam zu recherchieren“, kündigt der Vater an. Zu gegebenem Zeitpunkt wollen sie vor einem türkischen Gericht Anklage wegen der Tötung ihres Sohnes und für die Herausgabe seines Leichnams erheben.
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