Bobby Rafiq
Bobsens Späti
: Nennt mich Spiderman, ihr Angsthasen!

Foto: Faruk Hosseini

Laut Meteorologen war der Berliner September deutschlandweit der trockenste und wärmste. Und das trotz der nassen Tage in der zweiten Monatshälfte. Mitte Oktober nun scheint das spätsommerliche Wetter endgültig vorbei, die Temperaturen sind deutlich gesunken, nachts auch schon mal einstellig.

Und mit dem Abschied vom Sommer hat eine andere Sache längst begonnen: das große Krabbeln in die Wohnungen und Häuser. Kommen Se rinn, da können Se rauskieken. Das gilt beileibe nicht für Achtbeiner. Lauern die nicht gerade in ihrem selbst gesponnen Tiny House auf Beute, wirkt es selten so, als würden sie raus-, sondern viel eher als würden sie einen ankieken.

Am wirkungsvollsten gelingt ihnen das bei Dunkelheit: Man kommt, dupdidupdidu, nichts ahnend ins Zimmer, macht das Licht an und – schluck – da kleben sie dunkel auf weißem Grund und starren auf einen herab. Wenig beruhigend, dass sie das aus vier bis acht – sicherlich Blut unterlaufenen – Augen tun. Sie können noch so chillig in der Gegend abhängen, mit ihren gelenkigen acht Beinen wirken sie jederzeit gefährlich sprungbereit, am besten mit einem doppelten Rittberger mir direkt ins Gesicht.

Eine ganz besondere Aura diesbezüglich hat die Winkelspinne. Sie ist bräunlich-dunkelgrau und vom Spinnengott mit einer kräftigeren Statur gesegnet. Mit ihrer schnittigen Körpersprache und dem rasanten Tempo kann sie es jederzeit mit einem der testosteron-verseuchten Lamborghinis auf dem Ku’damm aufnehmen.

Sie ist die klobigste unter den mir bislang in meiner Großstadtwohnung begegneten Achtbeinern. In freier Natur baut sie Trichternetze, in der Wohnung scheint sie lediglich zu flanieren. Aber nur solange sie sich keiner Gefahr ausgesetzt fühlt. In solch einem Fall nimmt sie ihre acht Beine in die Hand und rast davon. Das allerdings gelingt nicht immer.

Ganz den Jungs auf dem Ku’damm entsprechend ist auch das Aussehen der Winkelspinne mehr Schein als Sein. Regelmäßig nämlich wird sie von der deutlich zierlicheren Zitterspinne eliminiert. Die hat fast jeder im Treppenhaus und in der Wohnung. In ihrem chaotisch gesponnen Netz wartet sie darauf, dass Beute an den Fäden hängenbleibt. Einem Weberknecht gleich – apropos, wo ist der eigentlich abgeblieben? – tapst und spinnt sie auf ihren langen hageren Beinen in der Gegend herum. Ihr Körper ist schmaler als der der Winkelspinne. Aber sie gehört zu ihren ärgsten Fressfeinden.

Wohl mit ein Grund, warum mich in diesem Jahr bislang nur ein einziges Mal in meiner Wohnung eine Winkelspinne von der Raufasertapete aus angrinste. Und das sollte doch, hehem, dann bitte auch Beleg genug sein, dass ich nicht arachnophob bin. Weil ich mir nämlich in jedem Raum (zwei Zimmer, Küche, Bad und Flur), tadaaaaaa, mindestens eine Zitterspinne halte. Okay, ich gebe es zu, ich halte sie nicht, sie haben sich da eigenständig niedergelassen. Jedoch setze ich sie auch nicht vor die Tür. Und wenn doch mal, dann natürlich nur mit Glas und Papier.

Eine wirkliche Herausforderung steht mir aber erst noch bevor: die Nosferatu-Spinne. Das Muster auf ihrem Rücken sehe aus wie das Konterfei des einst von Friedrich Wilhelm Murnau filmisch inszenierten Blutsaugers, heißt es. Ganze fünf bis sieben Zentimeter lang kann sie von Bein zu Bein werden. Klimawandel sei Dank seit ihrem Vormarsch vom Mittelmeer gen Norden inzwischen eine weitere der wenigen Spinnen bei uns, deren Biss die menschliche Haut durchdringen kann.

Am besten mit einem doppelten Rittberger mir direkt ins Gesicht

Soll nicht schlimmer sein als ein Wespenstich, beschwichtigte jüngst eine Freundin. Ähm, aha, nun ja, statt Glas und Papier liegen auf meinem Nachttisch von nun an nur noch Badelatsche und Knoblauch.