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Die WahrheitIch sag’s ja nur

Ist die Partysaison in der Provinz und mit erstaunlich guten Songs vorbei, heißt es sich die Zeit mit dem ortsansässigen Gemeinderat zu vertreiben.

B elustigungen gibt es auf dem Land nicht arg viel, wenn man Feuerwehrbälle mit Büffet-Polonaise meidet und Schützenfeste nur mittelgut findet. Scheunenfeten bei den Nachbarn sind dagegen super, denn die Drinks werden großzügig ausgeschenkt und man hat es nicht weit zum geeigneten Ort für die Verarbeitung der Erlebnisse.

Nein, ich meine nicht den Toilettenwagen neben dem Kuhstall, sondern das gemütliche Bett zu Hause, wo der Ohrwurm aus den Siebzigerjahren weiter nagt, während sich das Zimmer sanft im Takt wiegt. Wer hätte damit rechnen können, dass der nette Nachbar Musikgeschmack hat. Sonst schallt immer nur „Malle ist nur einmal im Jahr“ aus den Fachwerkhütten der Umgebung.

Weil die Partysaison vorbei ist, fahnde ich nach einer anderen Unterhaltung und besuche den ortsansässigen Gemeinderat. Mein bisher einziger Versuch zu aktiver Demokratiegestaltung dieser Art fand während Corona statt. Da scheiterte ich daran, dass das Versammlungsboot schon voll war, wurde nach Hause geschickt und langweilte mich weiter vor dem Fernseher.

Diesmal will ich Politik zum Anfassen. In Berlin nahm ich teil an „Code of Conduct“-Debatten, „Awareness-Team“-Aufstellungen und lernte etwas über umstrittene Antisemitismusdefinitionen. Auf dem Dorf dagegen geht es um die Grabenschaukommission, das Mehrzweckspielfeldgerät und den japanischen Staudenknöterich, der schon wieder da wächst, wo er nicht soll.

Das Energiemuseum wurde an das Glasfasernetz angeschlossen, was das nun wieder kostet, da kann die Dorfbibliothekarin leider keinen neuen Schreibtischstuhl erwarten, jedenfalls nicht ohne Gemeinderatsinspektion des alten Stuhls.

Unbelehrbar renitente Dörfler

Eigentlich wollte ich wissen, warum die Straße vor meinem Haus so teuer wird und wieso wir das alles bezahlen müssen – was unbelehrbar renitente Dörfler eben so interessiert. Die anderen Motzer sind nicht zufrieden mit der völlig idiotischen Verlegung der Busroute samt Erfindung lebensgefährlicher Haltestellen.

In den folgenden zwei Stunden höre ich von „bestehenden Windparkbetreibern“ und „Fraktionssitzenden“ und weiß nun, dass der erste Advent dieses Jahr wie stets auf einen Sonntag fällt, was den Weihnachtsmarkt in Konkurrenz zu irgendwas anderem bringt, wahrscheinlich zum Staudenknöterich.

Falls einer der Ratsherren meint, irgendetwas sei noch nicht entscheidungsreif, bügelt die Verwaltung ihn gnadenlos ab mit dem Hinweis, im nächsten Jahr gäbe es dann kein Geld mehr, da sei doch niemandem an einer Verzögerung gelegen; „Ich sag’s ja nur, ich sag’s ja nur“, sagt die Verwaltungschefin nur, und zwar in einer Tour.

Am Ende ist Bürgerfragestunde, aber da sind wir alle schon so durchdemokratisiert, dass uns die Kraft zum Meckern fehlt. Wie hieß es bei Dylan auf der letzten Scheunenfete? „There must be some way out of here / Said the joker to the thief.“ Ich sag’s ja nur, ich sag’s ja nur.

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Susanne Fischer
Autorin
Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)
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1 Kommentar

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  • Und wie sagte Dylan noch?



    ...and the times, they were achanging...