Medizinnobelpreisträger im Porträt: Grundlage für Heilung in den Zellen
Der Medizinnobelpreis 2024 geht an US-Wissenschaftler: Victor Ambros und Gary Ruvkun haben die microRNA erforscht.
Zum zweiten Mal in Folge geht der Nobelpreis für Medizin an Forscher:innen, die sich mit der RNA (Ribonukleinsäure) auseinandersetzen. Ein Thema, das erst mit der Coronapandemie und den Impfstoffen auf mRNA-Basis so richtig in den Blick einer breiteren Öffentlichkeit geraten ist. In diesem Jahr erhalten zwei US-Amerikaner die Auszeichnung, der Biologe Victor Ambros und der Genetiker Gary Ruvkun.
Die Wissenschaftler haben in ihrer Zeit als Postdoktoranden am Massachusetts Institute of Technology (MIT) zusammen geforscht. Ambros, 70, ist heute Professor für Molekulare Medizin an der UMass Chan Medical School. Ruvkun, 72, ist Professor an der Harvard University. Sie werden ausgezeichnet für ihre Grundlagenforschung zur microRNA. Es handelt sich dabei um kleine Moleküle, die in Zellen darüber entscheiden, welche Funktion diese im Körper erfüllen. Die zuvor gänzlich unbekannte RNA-Form hatten die Forscher 1993 in einem Fadenwurm entdeckt. Es ist nebenbei bereits der vierte Nobelpreis für Forschungen an dieser Wurmart.
Obwohl alle Zellen des menschlichen Körpers die identische DNA in sich tragen, können sie durch die Bildung unterschiedlicher Proteine andere Funktionen erfüllen, etwa bei Muskel- und Nervenzellen. Damit überwacht microRNA die Übersetzung der DNA-Informationen in Proteine. Das funktioniert wie bei einem Haus. Die DNA ist der Bauplan, anhand dessen das Haus gebaut wird. Die microRNA sorgt dann für die Feinabstimmung, dafür, dass Fenster kleiner oder größer, falsche Wände entfernt und lebensgefährliche Fehler behoben werden.
Die Informationen auf der microRNA dienen nämlich nicht dazu, selbst in Proteine übersetzt zu werden. Stattdessen bindet die microRNA andere RNA-Moleküle, die die Informationen für die Proteinsynthese enthalten. In der Embryonalentwicklung sorgt die microRNA so dafür, dass in Muskelgewebe nur Muskelzellen entstehen, nicht aber Nervenzellen. In alternden Zellen sorgt sie dafür, dass Fehler erkannt und behoben werden, um Erkrankungen etwa durch Mutationen zu verhindern. MicroRNA ist wohl auch für die Anpassungsvorgänge im Gehirn von entscheidender Bedeutung, da sie blitzschnell auf äußere Einflüsse reagieren kann.
Potenziell für alle Krankheiten wichtig
Bereits 2006 hätte der Moment der microRNA sein können. Denn die Forschung zu künstlich hergestellter, körperfremder RNA, der siRNA, die vor 18 Jahren mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, baute auf den Mechanismen der körpereigenen microRNA auf.
Gewürdigt wird damit eine Grundlagenforschung, über deren klinischer Nutzen bisher nur spekuliert werden kann. Probleme mit der Genregulation können zu schweren Krankheiten wie Krebs oder Diabetes führen. Ein gutes Verständnis der Vorgänge kann daher eine wichtige Grundlage für weitere Forschung sein.
Denn die microRNA hat Expert*innen zufolge das Potenzial, eine wichtige Rolle in der Behandlung beinahe aller Erkrankungen zu spielen. Schließlich ist die microRNA für die feine Modulation von Zellprozessen verantwortlich. Kann man diese Prozesse gezielt ändern, können Fehler im Zellsystem gezielt behoben werden.
In einem Gespräch mit dem schwedischen Radiosender SR sagte Gary Ruvkun, dass der Preis für ihn sehr wichtig sei. „Das ist ein Erdbeben“, sagte er. Victor Ambros erreichte die Nachricht erst später, ein Reporter von SR überbrachte ihm die Nachricht. Auch er war hoch erfreut und sagte, die Auszeichnung sei „unglaublich“.
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