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Intel-Fabrik in MadgeburgEine Frage der Perspektive

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Die Krise bei Intel weckt Hoffnungen auf die freigewordenen zehn Milliarden aus der Haushaltskasse. Richtig wäre, damit das Klimageld zu finanzieren.

Chips made in Germany: Das sollte die Zukunft sein Foto: KJPeters/imago

D ie Geschichte um das Intel-Chipwerk in Magdeburg ist wahrlich absurd. Das kann niemand leugnen. Für Bundeskanzler Olaf Scholz sollte die Fabrik ein Prestigeobjekt sein, mit der er Deutschland zum großen Chip-Standort in Europa machen wollte. Deswegen war er bereit, den Bau des Chipwerkes vieler kritischer Stimmen zum Trotz kräftig zu bezuschussen. Nicht weniger als 10 Milliarden Euro sollten es sein, rund ein Drittel der geplanten Baukosten.

Aber daraus wird nichts, denn der US-Konzern befindet sich in einer Krise und verschiebt das Projekt vorläufig um zwei Jahre. Nun könnten Optimisten behaupten, dass aufgeschoben nicht aufgehoben ist. Und dass das Werk doch noch gebaut wird. Nur etwas später. Aber häufig ist aufgeschoben dann eben doch aufgehoben, weshalb nun gleich eine nicht minder absurde Diskussion über die Verwendung der freigewordenen 10 Milliarden Euro entstanden ist.

Für die notorisch klamme Bundesregierung ist das schließlich ein nicht zu unterschätzender Batzen. Folglich kam Sparfuchs Christian Lindner auf die Idee, mit dem Geld den weiterhin löchrigen Haushalt zu stopfen. Der Kanzler, derweil in Kasachstan, zeigte sich dem nicht abgeneigt. Allerdings hat die Union diesmal recht, wenn sie Bedenken bei der Idee anmeldet. Schließlich stammt das Geld für Intel aus dem Klima- und Transformationsfonds und kann nicht mal eben so in den normalen Haushalt verschoben werden.

Stattdessen könnte die Ampel mit den 10 Milliarden Euro endlich das Klima­geld auf den Weg bringen, das in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben ist als sozialer Ausgleich für steigende Energiepreise – uns also längst versprochen. Nur hat die Koalition es, angeblich wegen der knappen Haushaltslage, zwischenzeitlich aufgeschoben/aufgehoben.

Mit den nun freigewordenen Mitteln könnten immerhin knapp 120 Euro pro Kopf ausgezahlt werden. Viele Menschen könnten das Geld gut gebrauchen. Die Erfahrung lässt hingegen erwarten, dass diese Lösung wiederum Lindner & Co. als absurd erscheint.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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9 Kommentare

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  • Die Krise bei Intel macht vor allem wieder einmal deutlich, wie abhängig Regierungen weltweit von Investoren, dem sogenannten Kapital, sind.

    Die ehemaligen Kolonien sind über Jahre von Gebern (auch Deutschland) und Internationalen Organisationen dazu gedrängt worden, sich für ausländische Investoren zu öffnen. Es wurden staatliche Agenturen eröffnet, die den Investoren helfen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen. In der Folge findet dort ein Ausverkauf von Land statt, unter dem vor allem die Menschen leiden, die vorher auf und von diesem Land gelebt haben. Bei uns fließen als Steuerbefreiungen, Übernahme der Erschließungskosten usw. Milliarden an Subventionen, ohne dass es Garantien dafür gibt, dass sich Investoren langfristig binden und nachhaltig Arbeitsplätze schaffen. Man lädt sich die ein, die dann auch noch Lockerungen z.B. beim Arbeits- und Umweltrecht fordern. Und die Steuerschlupflöcher hält Staat auch noch offen. So erfüllt die 'liberale Demokratie’ ihren Raison d'Être: Den ungehinderten Erwerb von Reichtum ermöglichen und den Reichtum der Reichen schützen.

    Dumm auch, dass China gelernt hat, das Spiel 'Reich gegen Arm' so gut zu spielen und andere Länder nachziehen

  • Freigewordene Mittel?



    Ich glaub ich les nicht richtig!



    10000000000 € Schulden die jetzt nicht entstehen werden !



    So wird ein Schuh d'raus!

  • Das Geld liegt doch nicht im Keller oder der Staat hat es übrig. Einfach nicht ausgeben,



    d.H. den dafür geplanten Kredit nicht aufnehmen und dann die gesparten Zinsen ausgeben. Manchmal denke ich das Steuerzahlergeld ist für unsere Politik Spielgeld,

    Jeder Politiker der sich dafür einsetzt, oder nur daran denkt sollte seine Diäten ersatzlos gestrichen bekommen, auf Lebenszeit. Damit der Schaden für den Steuerzahler minimiert wird.

  • Die Freude und der Kampf über die Verwendung der 10 Milliarden erinnert mich an Jugendliche die ein fünf Euro Schein finden und glücklich sind, weil sie den Abend zuvor zuviel ausgeben haben.



    Als Jugendlicher und (junger) Erwachsener kann das gerne passieren, wenn man jedoch eine gewisse Verantwortung und Position erreicht hat, dann wirkt es eher erbärmlich und inkompetent.

    Und 120 Euro einmalig würde vielen helfen, bei noch mehr Menschen würden die 10 Euro extra auf dem Konto pro Monat nichts ausrichten und manche würden es noch nicht mal bemerken.

    Es gab ja genug andere Vorschläge/Ideen und richtig grottige Konzepte für die Geld gefehlt hat und Menschen die drauf angewiesen sind mehr geholfen hätte.... Mal gespannt wo das Geld jetzt hinfließt, welches eigentlich für die Umverteilung von der Allgemeinheit nach oben reserviert war. Vllt wieder in eine E-Auto Prämie oder in mit solarenergie beheizbare pools. Es wird sich was finden.

    P. S. Das Klimageld, dient in meinen Augen hauptsächlich dazu denen unten die Einschränkungen zu versüßen,falls sie überhaupt was davon haben da deren c02 Abdruck eh schon niedrig ist. Menschen mit genug Geld schränkt es überhaupt nicht ein.

  • Wichtig wäre es auch dort wo Arbeit ist bezahlbare Wohnungen zu bauen.

    • @Keine Sonne:

      Und wie soll das gehen?



      Dort wo Arbeit ist sind die Grundstückspreise stark gestiegen und Zwangsenteignung oder Verkauf unter Marktwert sind wohl kaum demokratische Mittel den Besitzern gegenüber und selbst wenn günstige Grundstücke akquiriert werden könnten durch den Staat sind nach aktuellen Umweltauflagen + Rohstoffpreisen + Löhnen etc Neubauten unter 15-20€ der Quadratmeter Mietpreis nicht kostendeckend zu realisieren - das wäre ein derart großes Minusgeschäft das sich mit dem eh schon abenteuerlichen Haushalt nicht vertragen würde.



      Mietpreise von 5 bis 7 € der qm sind in Innenstädten nicht mehr im großen Stil zu realisieren, schon gar nicht in Neubauten. Die Welt ist voller, wir sind doppelt so viele wie vor 50 Jahren auf dem Planeten, es ist schlicht nicht mehr für jeden Platz wo er/sie will.



      Das hat nichts mit Turbokapitalismus zu tun, es wollen einfach zu viele an den gleichen Orten wohnen, aber wir können nicht mehr wie in den 70ern Plattenbauten ohne jegliche Auflagen, Isolation und Komfort in die Grüngürtel zimmern.



      Es gibt nur ein Mittel gegen Wohnraummangel: schnelles Internet und deutlicher Ausbau des Home Office um Arbeit und Wohnraum entkoppeln zu können.

  • Ein verfassungswidriger Haushalt ist aber auch nicht so der Hit.



    Über die Auswirkungen einer überbordenden Staatsverschuldung kann man sich in Argentinien informieren, oder auch in Griechenland. Lust auf Sechs Tage Woche?

  • Das wärs doch, die Ampel gönnt sich selbst ein Zuckerl in ihrem verzweifelten Bestreben irgendwie wieder Anerkennung im Herz des Souveräns zu finden - "immerhin knapp 120 Euro pro Kopf" - selbst die größten Optimisten die der Ampel positiv gewogen sind werden hier zugeben müssen, dass derlei spärlich Trinkgeld wohl kaum Volkes Unmut befrieden könnte.



    Bevor man also "immerhin knapp 120 Euro pro Kopf" sinnfrei mit der Gießkanne in einem Schwall wegschwemmt sollten die 10 Milliarden mit Weitblick eingesetzt werden:



    Sanierung von Brücken (Auto+Zug), Prämien für Erzieher/Lehramtastudenten, Wiedereinführung der e-Auto-Prämie, Ansiedelung von Batteriewerken, PV und Windkraftunternehmen a la USA und China massiv fördern, höhere KfW-Förderungen für den Ersterwerb von Immobilien für Familien, ein ordentliches Baukindergeld, bundesweit kostenlose Kitaplätze/ Schulspeisung/ Hortplätze, Verstaatlichung von Krankenhäusern/ Wasserbetrieben, weiß der Kuckuck - JEDER dieser Punkte wäre 10 Milliarden wert, JEDER dieser Punkte würde nachhaltig UND im Gedächtnis der Bürger mehr bewirken, als 120€ plump aufs Konto zum Individualvergnügen.

  • Klimageld von 120 Euro pro Bürger. Was für ein Quatsch. Es braucht das Geld, um den Bau von Sozialwohungen endlich in Gang zu bringen. Oder sollen Asylbewerber und Geduldete über Jahrzehnte in Containersiedlungen oder überteuerte vom Staat angemieteten Wohnraum wohnen?