Inflationszahlen für August: Preise steigen nur noch leicht

Im August schwächt sich die Inflation in Deutschland deutlich ab. Sind die Preisschocks der vergangenen Jahre vorüber?

Die Leute haben wieder mehr Geld im Portemonnaie Foto: Michael Gstettenbauer/imago

WIESBADEN dpa | Die Verbraucherpreise in Deutschland sind im August so langsam gestiegen wie seit mehr als drei Jahren nicht mehr. Die Inflationsrate lag bei 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Vor allem Energie war nach den vorläufigen Auswertungen billiger als vor einem Jahr, während die Preise für Dienstleistungen überdurchschnittlich gestiegen sind. Lebensmittel sind nur noch um 1,5 Prozent teurer geworden.

Die Bundesregierung begrüßt die von vielen Ökonomen vorhergesagte Entwicklung. „Die Leute haben wieder mehr Geld im Portemonnaie“, schreibt Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf dem Kurznachrichtendienst X. „Die Inflation sinkt, die Reallöhne steigen das fünfte Quartal in Folge.“

Der Preisdruck auf die Verbraucher geht nach mehreren Jahren mit sehr hohen Inflationsraten zurück. Noch im Juli hatten die Statistiker einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,3 Prozent verzeichnet nach 2,2 Prozent im Juni und 2,4 Prozent im Mai. Zuletzt wurde im März 2021 eine niedrigere Teuerungsrate erfasst als im August, in dem die Preise auch 0,1 Prozent niedriger waren als im Juli. Die Kerninflation ohne Energie und Nahrungsmittel ging um 0,1 Punkte auf 2,8 Prozent zurück.

Die deutsche Schnellschätzung biete der Europäischen Zentralbank (EZB) alle Voraussetzungen für eine weitere Zinssenkung im September, schreibt Volkswirt Carsten Breszki von der Direktbank ING. Angesichts weiter zu erwartender Lohnsteigerungen sei es aber noch zu früh, von einem dauerhaften Trend zu sprechen. Die Inflation werde sich weiterhin in einer Spanne zwischen zwei und drei Prozent bewegen, statt am unteren Rand dieser Spanne zu verharren. An diesem Freitag veröffentlicht die Europäische Statistikbehörde Eurostat zudem ihre Schätzung zur Inflation im Euroraum, die etwas höher erwartet wird als in Deutschland.

Senkt die EZB den Leitzins?

Sollte die Inflation im Jahresverlauf in Deutschland und im Euroraum insgesamt sinken, gäbe das der Europäischen Zentralbank Spielraum für Leitzinssenkungen. Sie hat im Juni erstmals seit der Inflationswelle die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Im Juli hielt die EZB die Leitzinsen stabil und ließ die Tür für eine Zinssenkung bei der Ratssitzung am 12. September offen. An den Finanzmärkten wird im September mit einer Zinssenkung der EZB gerechnet.

Grundsätzlich sieht die EZB bei einer Inflationsrate von 2,0 Prozent Preisstabilität gewahrt. Geringere Raten oder gar sinkende Verbraucherpreise (Deflation) bergen die Gefahr, dass Unternehmen wie Konsumenten ihre Investitionen und Anschaffungen verschieben, weil sie noch niedrigere Preise erwarten. Das hätte negative Folgen für das Wirtschaftswachstum.

Ökonomen hatten bereits zuvor mit einem Trend zu stabilen Preisen im Sommer gerechnet. So erwartet das Münchner Ifo-Institut für die kommenden Monate eine Inflationsrate unter zwei Prozent in Deutschland. Basis ist eine ebenfalls am Donnerstag veröffentlichte Umfrage unter Unternehmen zu ihren Preisplänen.

Die Inflation lastet bislang auf der Kauflaune der Verbraucher. Trotz gestiegener Löhne halten viele Menschen ihr Geld weiter zusammen. Im zweiten Quartal gab der private Konsum nach Angaben des Statistischen Bundesamts um 0,2 Prozent zum Vorquartal nach. Zudem trübte sich im August die Stimmung der Verbraucher ein, wie die Konsumklimastudie der Nürnberger Institute GfK und NIM zeigt.

Reallöhne steigen

Auf längere Sicht ist die Kaufkraft der Verbraucher während der Inflationswelle gesunken. Doch Deutschlands Arbeitnehmer machen die Kaufkraftverluste aus den Hochinflationszeiten zunehmend wett. Im zweiten Quartal übertrafen die Steigerungen der Bruttolöhne das fünfte Mal in Folge die Entwicklung der Verbraucherpreise. Die Reallohnsteigerung für das zweite Quartal beziffert das Statistische Bundesamt auf 3,1 Prozent.

Angesichts der Gehaltszuwächse bleibt der private Konsum die wichtigste Hoffnung für die deutsche Wirtschaft, die im zweiten Quartal um 0,1 Prozent schrumpfte. Für die zweite Jahreshälfte erwarten Ökonomen nur wenig Besserung. Die Deutsche Bundesbank erwartet für das laufende Jahr nur ein Mini-Wachstum von 0,3 Prozent.

Die Hoffnung, dass die sinkende Inflationsrate jetzt den Konsum anfacht, dürfte trügen, meint aber der Ökonom Friedrich Heinemann vom Wirtschaftsinstitut ZEW in Mannheim. „Die Dienstleistungsinflation ist für viele Menschen sehr stark sichtbar und verunsichert weiterhin. Die neuen Zahlen signalisieren somit einen Zwischenerfolg, aber noch keinen Durchbruch in Richtung Preisstabilität.“

Auch Volkswirt Sebastian Becker von Deutsche Bank Research sieht noch Probleme, selbst wenn die Jahresteuerungsrate auch im September und Oktober unterhalb der Zwei-Prozent-Marke verharren sollte. Sie dürfte spätestens zum Jahresende hin wieder in Richtung von 2,5 Prozent klettern. „Dies zeigt, dass der weitere Verlauf etwas holprig sein dürfte und das Inflationsproblem noch nicht vollständig gelöst ist.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben