Die Alternative

Hätte eine queere Person Chancen, US-Präsident zu werden? Bei „Hallen 05“ wiederholt Casey Spooner seine Bewerbung

„Why can't I be the president?“: Casey Spooners Performance, Hallen 05, 2024 Foto: Devid Gualandris

Von Andreas Hartmann

Vielleicht sind die USA bereit für eine Frau als Präsidentin des Landes, eine Schwarze noch dazu. Man kann es nur hoffen. Aber wäre es auch denkbar, dass eine offen queere Person echte Chancen hätte, den wohl wichtigsten Job auf dem ganzen Planeten zu bekommen?

Um diese Frage kreisen die Installation und die Performance des Künstlers und Musikers Casey Spooner, die noch bis zum Ende der Berliner Art Week kommenden Sonntag in den Wilhelm Hallen in Reinickendorf zu erleben sind. „Hallen 05“ nennt sich die Kunstausstellung, in deren Rahmen er auftritt. Unterschiedliche Galerien und Institutionen präsentieren in den spektakulären denkmalgeschützten Hallen einer ehemaligen Eisengießerei Kunst von heute. Der Kunstverein Kestner Gesellschaft, der Spooner präsentiert, lässt diesen in einer der Hallen auftreten, die er nur für sich hat. Man betritt hier einen dunklen Raum, in dem eine Bühne aufgestellt wurde, wie man sie kennt aus amerikanischen Wahlkampfveranstaltungen. Auf so einer stand auch Donald Trump vor Kurzem, als er bei einem Attentat am Ohr angeschossen wurde. Im Hintergrund gibt es Projektionen, in denen Spooner unterschiedliche Inkarnationen verkörpert, die Macht, Glamour und Queerness miteinander verbinden. Einmal steht er auf dem Balkon eines Gebäudes und gestikuliert so anmutig vor seinem imaginären Volk, dass man an Evita Perón denken muss. Oder er räkelt sich mit Ludwig-II.-Pose auf einer Couch mit goldenem Dekor, wie man sie, nebenbei bemerkt, auch in Trumps gerüchteweise extrem prunkvoll und gleichzeitig geschmacklos eingerichteten Anwesen Mar-a-Lago vorfinden dürfte. Das ist die Installation, die für Spooner am vergangenen Wochenende mehrmals täglich auch zur Bühne für seine Performance wurde. Am nächsten wird er sie erneut aufführen, insgesamt weitere fünf Mal.

Ein Typ mit Cowboyhut und Arbeiterhosen im Camouflage-Look betritt während dieser die Bühne. Ein Südstaaten-Redneck, der so auch bei einer Wiedervereinigung der Village People mitmachen könnte und der anfängt, zu elektronischer Musik mit einer Stimme zu singen, die an die Pet Shop Boys erinnert. Und tanzt wie in einem Schwulenclub in San Francisco in den Achtzigern. „Spooner 2020“ heißt die Performance. Der Künstler selbst nennt sie eine „politische Performance-Kampagne“. Sie ist das Reenactment seiner künstlerischen Intervention in den amerikanischen Wahlkampf vor vier Jahren. Damals hieß es Joe Biden gegen Donald Trump, und die Dringlichkeit, den damals amtierenden Präsidenten der USA abzulösen, war so groß wie jetzt, den Mann bloß nicht noch einmal zum Staatschef zu küren. Auch Spooner war getrieben davon, irgendwie Stellung gegen den Anführer der „Make America great again“-Bewegung zu beziehen. Also stieg er tatsächlich mit ein in das Rennen zur Wahl des amerikanischen Präsidenten. Nicht wirklich mit dem Ziel zu gewinnen, wie er damals bekannt gab, aber um zu zeigen, dass es auch Alternativen wie ihn gäbe. Oder zumindest für die Art von Person, die er darstellte: eine Art typischer Trump-Wähler, der als Muskel-Schwuler aber doch ganz anders ist, als man sich den so vorstellt. Und um zu demonstrieren, dass man auch ein echter Showman wie Trump sein kann, jedoch ohne dabei gleichzeitig ein Sexist und Rassist sein zu müssen.

Eine Show mit Anspielungen darauf, dass in den USA Politik mit Entertainment verbunden ist

Seine politische Botschaft ist heute so relevant, wie sie es vor vier Jahren war. Deswegen mimt er noch einmal sich selbst als Präsidentschaftskandidaten und würzt seine Show mit allerlei Anspielungen darauf, dass in den USA Politik unauflösbar mit Entertainment verbunden ist. Auf seiner Bühne in den Wilhelm Hallen hängen mehrere US-Fahnen, Luftballons fliegen umher, zwei grimmig dreinschauende Mitarbeiter des Secret Service überwachen alles. Besucher und Besucherinnen halten Schilder in die Höhe, auf denen „Spooner 2020“ steht. Und der Mann, der einmal so tat, als wolle er der nächste Präsident der Vereinigten Staaten werden, singt Textzeilen wie „Why can't I be the president?“ Die Antwort auf die Frage lautet natürlich damals wie heute: Weil er schwul ist.

Spooner blickt nun vielleicht etwas anders auf die nächsten Wahlen in den USA. Er, der den Electroclash-Performance-Act Fischerspooner mitgegründet hat, der Anfang des Jahrtausends mit der Nummer „Emerge“ einen riesigen Hit hatte, lebt nun vornehmlich in Paris und Berlin, wo die politische Landschaft noch nicht ganz so kaputt ist wie in seiner Heimat. Seine Hoffnung ist aber natürlich, wenn er dieses Mal schon nicht selbst für den Posten als Präsident kandidiert, dass Kamala Harris das Rennen machen wird.

„Hallen 05“: Wilhelm Hallen. Bis 15. September. Performance „SPOONER 2020“ am 14. und 15. September