Justiz prüft Cannabis-Strafen: Die Strengsten müssen ackern

Die Cannabislegalisierung führe zu Überlastung, beklagt der Richterbund, denn Strafen müssten neu geprüft werden. Bayern hat besonders viel zu tun.

Ein vermummter Polizist trägt beschlagnahmte eine Hanfpflanze mit einem Topf

Beschlagnahmte Hanfpflanzen: Justiz prüft Cannabis-Strafen Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Berlin taz | Seit dem 1. April ist der Konsum und Besitz von Cannabis in Deutschland in Grenzen erlaubt. Mit dem neuen Cannabisgesetz müssen auch Strafen für Taten erlassen werden, die inzwischen legal sind. Wer zum Beispiel für den Besitz von weniger als 25 Gramm Cannabis im Gefängnis sitzt, muss freigelassen werden.

Am Donnerstag verkündete Sven Rebehn, Geschäftsführer des Deutschen Richterbunds, in der Augsburger Allgemeinen, dass die Justiz 279.000 solcher Altfälle prüfe und damit überlastet sei. Stärker noch als man ursprünglich erwartet habe. Es ist nicht das erste Mal, dass der Deutsche Richterbund eine erhöhte Arbeitsbelastung durch die Cannabislegalisierung anprangert.

Noch vor Verabschiedung des Gesetzes erklärte der Verband, die Legalisierung sei „überstürzt“. Teilweise wurde mit überhöhten Zahlen argumentiert: Das CDU-geführte hessische Justizministerium verkündete im März, dass allein in Hessen 190.000 Fälle neu geprüft werden müssten. Später stellte das Ministerium klar, dass dies die Gesamtzahl aller laufenden Strafvollstreckungen sei, also auch Fälle, bei denen Cannabis keine Rolle spielte. Inzwischen spricht man in Hessen von 34.000 zu prüfenden Fällen.

Insgesamt ist der Arbeitsaufwand in den Bundesländern unterschiedlich. In Nordrhein-Westfalen, bevölkerungsreichstes Land, fallen rund 81.000 Fälle an, in Bayern muss die Justiz 41.500 Fälle prüfen. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April mussten dort 24 Menschen aus der Haft entlassen werden, weil die Taten, wegen derer sie verurteilt wurden, mittlerweile legal sind. Weitere 9 wurden bis zum 15. Juni entlassen, weil die gegen sie erlassene Strafe verringert wurde. Jetzt geht es nur noch um sogenannte Mischverfahren, in denen ein Cannabisdelikt nur einen Teil der verhängten Strafe ausmacht. Von den 6.200 Mischverfahren sind laut bayerischem Justizministerium 3.500 abgeschlossen.

Strafverfolgung betrifft nicht alle gleichermaßen

Der unterschiedliche Aufwand in den Bundesländern ergibt sich dabei nicht nur aus der Bevölkerungszahl. In der Vergangenheit gingen die Strafverfolgungsbehörden der Länder unterschiedlich mit Cannabisdelikten um. In Bayern, wo der Cannabisbesitz und -konsum besonders rigoros verfolgt wurde, mussten nun pro 100.000 Einwohner rund 320 Verfahren geprüft werden. Das ist etwa ein Drittel mehr als in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg oder Hamburg.

Auch aus anderen Gründen betrifft die Strafverfolgung wegen Cannabis nicht alle gleichermaßen: Akti­vis­t*in­nen weisen immer wieder darauf hin, dass vor allem Menschen wegen Cannabisdelikten verurteilt wurden, die einen ungeklärten Aufenthaltsstatus haben oder von Rassismus betroffen sind.

Stephanie Dehne, Pressesprecherin der Bremer Justizsenatorin, sagte zur taz: „Wir haben hier in der Großstadt eine andere Kultur, was den Umgang mit Cannabis angeht.“ Dadurch wurden in der Vergangenheit weniger Menschen wegen Cannabisdelikten verklagt. Noch bevor die Legalisierung in Kraft getreten war, hatte Bremen in 532 Fällen geprüft, ob Verurteilte nach neuem Recht früher aus dem Gefängnis entlassen würden, das kam hier jedoch nicht vor. Nun prüft die Bremer Justiz noch etwa 50 Fälle, in denen ein Cannabisdelikt Teil einer Gesamtstrafe ist, auch dieser Vorgang ist fast abgeschlossen.

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