„A Good Girl's Guide to Murder“: Wenn die Fassade fällt

Die Co-Produktion „A Good Girls' Guide to Murder“ von ZDF, BBC und Netflix zeigt, wie moderne Krimis mit jungen Menschen in der Hauptrolle funktionieren.

Emma Myers spielt die Hauptprotagonistin Pip in „A Good Girl's Guide to Murder“ Foto: Sally Mais/ZDF

Überall in ihrem kleinstädtischen britischen Heimatort stößt die 17-jährige Pipa Fitz-Amobi (Emma Myers) auf Erinnerungen an die vor fünf Jahren ermordete Schulabsolventin Andie Bell (India Lillie Davies). Im Ortskern gibt es sogar ein großes Wandgemälde von ihr mit darum drapierten frischen Blumensträußen. Also beschließt Pipa, die sich schon fleißig für renommierte Colleges bewirbt, ihre Abschlussarbeit über diesen Mordfall zu schreiben und beginnt zu recherchieren.

Der sechsteiligen Young Adult-Serie „A Good Girl's Guide to Murder“ liegt der bisher nicht ins Deutsche übersetzte Erfolgsroman (2019) der 32-jährigen britischen Autorin Holly Jackson zugrunde, die mittlerweile sogar schon drei Folgebände über die junge und freche Nachwuchsdetektivin aus der britischen Provinz veröffentlicht hat. Die aufwändige Serienadaption mit „Wednesday“-Star Emma Myers ist in den meisten Ländern bei Netflix zu sehen. Aber in Großbritannien läuft sie auf BBC und in Deutschland auf Zdfneo, da die beiden öffentlich-rechtlichen Sender Co-Produzenten sind.

War wirklich Andie Bells damaliger Freund Sal (Rahul Pattni) der Mörder? Der hatte per Social-Media-Nachricht die Tat gestanden und sich dann umgebracht, bevor ihn die Polizei verhören konnte. Für alle scheint der Fall geklärt. Aber je weiter Pipa mit ihren Nachforschungen kommt und sich irgendwann auch mit Ravi (Zain Iqbal), dem Bruder des angeblichen Mörders Sal zusammentut, desto mehr Ungereimtheiten gibt es plötzlich.

Hinter den schönen und ordentlichen Kleinstadtfassaden scheinen diverse finstere Geschichten zu schlummern. Es geht um Drogen auf sogenannten Calamity-Partys, die als Techno-Raves versteckt im Wald gefeiert werden. Aber auch sexueller Missbrauch, Erpressung, Mobbing, Morddrohungen und geheime Liebschaften gehören zum Repertoire des kleinstädtischen Jugenduniversums. Stellenweise erinnert das ein wenig an die 90er Jahre Kult-Serie „Twin Peaks“, wo die ermordete Laura Palmer ein wildes Leben jenseits bürgerlicher Normen führte, genauso wie Andie Bell, deren Leichnam nie gefunden wurde.

„A Good Girl's Guide to Murder“ ist in erster Linie eine Serie für ein junges Publikum, wird aber auch ältere Zuschauer begeistern können. Denn die Krimigeschichte um den Jahre zurückliegenden Mord im kleinstädtischen Biotop ist einfach spannend inszeniert. Mit der jungen Ermittlerin Pipa in stylischer Bomberjacke sowie reichlich Techno, Elektro und Popmusik konterkariert Zdfneo erfolgreich die Riege alter Männer, die sonst im allabendlichen öffentlich-rechtlichen Krimi-Genre zu sehen sind.

Die dreiste Pipa, die gerne Instagram-Accounts durchforstet und dabei verblüffendes zutage fördert, setzt sich immer wieder über Regeln hinweg, klaut auch mal das Gästebuch eines Hotels oder bricht ins Haus der Ermordeten ein, um ihr Kinderzimmer zu durchwühlen. Diese jugendliche Miss Marple agiert furchtlos und selbstbewusst gegenüber älteren Jugendlichen, Lehrern und Erwachsenen, die im Lauf dieser Serie eh nicht gerade gut wegkommen. Bald wird Pipa bedroht und gerät während ihrer Recherchen ernsthaft in Gefahr.

Eigentlich hatte sich das ZDF vergangenen Herbst mit sieben anderen, vornehmlich nordeuropäischen Anstalten zur sogenannten Gruppe New8 zusammengeschlossen, um jedes Jahr acht hochwertige Dramaserien in Kooperationen mit anderen öffentlich-rechtlichen Sendern zu produzieren. Weitere Kooperationen gibt es mit der BBC, der italienischen Rai und den öffentlich-rechtlichen Programmen aus Österreich und der Schweiz, um gegen die Konkurrenz privater Streamingplattformen bestehen zu können und zeitgemäße Serienformate unter anderem auch für junge Zuschauer anzubieten.

Mit dem privaten Anbieter Netflix hatte das ZDF bisher nur das kleine Fernsehspiel „Freaks“ (2019) koproduziert. Mit der starbesetzten Serie „A Good Girls Guide to Murder“ wird nun mit BBC und Netflix zusammen ein jüngeres Publikum anvisiert. Demnächst wird es noch mehr aus dem Jugendkrimi-Genre zusammen mit der BBC geben. Enid Blytons Jugendbuchklassiker „Fünf Freunde“ wird bald als Dreiteiler jeweils in Spielfilmlänge zu sehen sein, umgesetzt vom dänischen Kultregisseur Nicolas Winding Refn, bisher aber noch ohne festes Startdatum.

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