„Einschüchtern lassen wir uns nicht“

In Chemnitz gibt ein jüdisches Restaurant: das „Schalom“. Es läuft gut – muss aber von der Polizei beschützt werden. Ist die Stadt noch lebenswert?

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Interview Jan Feddersen

wochentaz: Herr Dziuballa, wie ist es, in Chemnitz das jüdische Restaurant „Schalom“ am Leben zu halten?

Uwe Dziuballa: Meine Familie und ich betreiben das „Schalom“ seit 24 Jahren. Und, ja, wir sind da. Das ist schon fast die Nachricht: Wir sind präsent. Uns gibt es, wir sind da. Die Neugier auf koschere Küche war prinzipiell da.

taz: Was unterscheidet Ihre Küche von der anderer Restaurants in Chemnitz?

Dziuballa: Nun, wir bereiten die Speisen eben nach jüdischen Regeln zu – koscher. Aber wie das für die jüdische Kultur üblich ist, sind wir immer zum Mix bereit. Mit Lust bereit. Osteuropäisch, mitteleuropäisch, auch sächsisch, aber koscher. Das wurde zunächst von einem älteren Publikum sehr geschätzt, dass es sich jetzt ins Jüngere geändert hat, freut uns.

taz: Haben Sie Anfeindungen erlebt?

Dziuballa: Gerade nach dem 7. Oktober, dem Überfall der Hamas-Terroristen gegen Israel, wurde es schwieriger denn je. Wir wollen nicht meckern, aber neulich ist meine Frau von einer, vermuten wir, syrischen Frau beleidigt worden. Wir werden euch alle schlachten, hieß es. Weil der Vorfall gefilmt wurde, haben wir ihn zur Anzeige gebracht, das geht jetzt vor Gericht.

taz: Und zuvor?

Dziuballa: Nach dem 7. Oktober stehen wir permanent unter Bewachung durch die Polizei. Ehrlich gesagt haben wir das nie gewollt. Aber es hat natürlich negative Resonanzen gegeben.

taz: Weil Jüdisches mit Israelischem gleichgesetzt wird?

Dziuballa: Meinetwegen auch das, aber das stört uns nicht. Was aber auffällt, ist, dass der 7. Oktober und die israelischen Reaktionen auf die Terroranschläge zum Vorwand genommen wird, um an uns als Juden sein oder ihr Mütchen zu kühlen.

taz: Inwiefern?

Dziuballa: Als wir im Herbst auf Social Media ankündigten, für drei Wochen wegen unseres Urlaubs zu schließen, hieß es bei manchen: Jetzt wollt ihr wohl auch Kinder töten, ihr Schweine. Als Gastronom, der nicht oft Ferien machen kann, sagte ich mir nur: Töten steht in der Zeit wirklich nicht auf unserer Agenda. Wir sind Deutsche jüdischen Glaubens. Wie es auch Deutsche christlichen Glaubens gibt. Wir sind Teil eines Volks, das nicht homogen ist und nie war.

taz: Scheint ein antisemitisches Ding zu sein.

Dziuballa: Zu Coronazeiten haben wir schlechte Erfahrungen gemacht. Als die Lockdowns waren, hieß es in den sozialen Medien, die Juden seien dafür verantwortlich, weil sie an Corona verdienen würden. Es sind Gerüchte, nichts stimmt an ihnen, wie an antisemitischem Geraune ja nie irgendetwas zutraf, aber so war und ist es auch heute.

taz: Sie tragen eine Kippa – mit unseren Berliner Erfahrungen im Kopf gefragt: Können Sie das gefahrlos?

Dziuballa: Ich trage sie immer und fast überall. Nicht im Bett und unter der Dusche. Im Sommer ein Strohhut darüber, weil meine Kopfhaut Sonne nicht so gut verträgt. Einschüchtern durch hässliche Kommentare lasse ich mich nicht.

taz: Die Polizei weiß Sie zu schützen?

Uwe Dziuballa, seit 2000 Inhaber des Restaurants „Schalom“, 1965 in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz) zur Welt gekommen, Elektroingenieur. Vor Ort unterstützt er alles, was multikulturell ist.

Dziuballa: Ja, das tut sie. Junge Beamte, mit denen man gut auskommt, besonders im normalen Alltag. Ich denke dann immer: Haben die nicht Besseres zu tun, als uns zu bewachen? Aber so ist die Atmosphäre momentan, auch in Chemnitz.

taz: Sind Sie ein tapferer Mann?

Dziuballa: Nein. Ich dachte vor zehn Jahren, als wir schon lange unser „Schalom“ hatten, ach, bestimmte Sachen würden sich auswachsen, die Leute würden sich an uns gewöhnen, wir müssen nur durchhalten. Aber so ist es nicht geworden.

taz: Ist Chemnitz weiterhin für Sie und Ihre Familie lebenswert?

Dziuballa: Ich bin studierter Elektrotechniker, habe lange in Jugoslawien gelebt und dachte nach der Wende, jetzt wird alles besser. Ist aber nur begrenzt geworden. Chemnitz ist natürlich lebenswert, wir haben gern unser Restaurant hier. Auf ein negatives Erlebnis gibt es 25 positive. Solange das Verhältnis nicht eins zu fünf wird, ist alles relativ gut.