soziales bauen
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Eine Steuer für den Neubau

Vor 100 Jahren wurde in der Weimarer Republik die sogenannte Hauszinssteuer eingeführt. Um den Neubau anzukurbeln, könnte eine Abgabe auf Mieteinnahmen auch heute wieder attraktiv sein

Heute sogar Unesco-Weltkulturerbe: die Wohnsiedlung Am Schillerpark im Wedding Foto: Paul Langrock

Von Yannic Walther

Kriegsflüchtlinge, Inflation, Wohnungsmangel und kaum Bautätigkeit: Schlechte Rahmenbedingungen, die die Versorgung mit Wohnraum in Berlin erschweren, hat es bereits in den 1920er Jahren gegeben. So verwundert es nicht, dass heute wieder über ein Instrument diskutiert wird, mit dem vor 100 Jahren der Wohnungsneubau finanziert wurde.

Zurückgehend auf die Idee des ­Schöneberger Baustadtrats Martin Wagner ist 1924 die Hauszinssteuer im Freistaat Preußen eingeführt worden. Bis auf Württemberg gab es später in allen Ländern der Weimarer Republik solch eine Steuer, die auf Einnahmen aus der Vermietung gezahlt werden musste. Die Steuer wurde dann zum Teil in die Förderung des öffentlichen Wohnungsbaus investiert.

Einerseits Gewinne abschöpfen, andererseits Geld für den dringend be­nötigten Neubau bereitstellen: Angesichts des brachliegenden Wohnungsbaus und der hohen Profite, die heute oftmals mit der Miete gemacht werden, scheint eine solche Steuer so manchem wieder eine attraktive Allzweckwaffe zu sein.

Auch in der Weimarer Republik war die Hauszinssteuer eine Reaktion auf den dramatischen Wohnungsmangel. Zehntausende hausierten in Kellerwohnungen. Einzelne Zimmer in ohnehin überbelegten Wohnungen wurden an ganze Familien untervermietet. Auch die während der Industrialisierung aufgekommenen „Schlafgänger“, die für nur wenige Stunden ein Zimmer mieteten, gehörten in den 1920er Jahren zum Alltag in Berlin. Nicht nur die Kriegsrückkehrer mussten unter­gebracht werden, auch die zahlreichen Flüchtlinge und die starke Zu­wanderung nach Berlin stellten die Wohnraumversorgung vor Herausforderungen.

Die Hauszinssteuer war aber auch eine Reaktion auf die Hyperinflation. Während diese vor allem die einfachen Arbeiter traf und Lebensmittelpreise von einem auf den nächsten Tag explodierten, profitierten gleichzeitig die Immobilienbesitzer von der Geldentwertung. Hypotheken ließen sich im Zuge der Hyperinflation einfach abzahlen, Häuser wurden in kürzester Zeit entschuldet.

Mit der Hauszinssteuer sollte für diese Entschuldung ein Ausgleich ­geschaffen werden. Was auf der einen Seite an Zinsen gespart wurde, sollte nun in Form einer Steuer quasi an den Staat gezahlt werden. Die ­Einnahmen flossen zwar mit der Zeit immer mehr in den allgemeinen Haushalt, ein Teil wurde allerdings als zinsgünstige ­Hypothek für den gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt.

So kam es ab 1924 zu zahlreichen Gründungen von Wohnungsbaugesellschaften. Darunter auch der Gehag (die heute der Deutschen Wohnen gehört), die mit der Hufeisensiedlung, der Waldsiedlung Zehlendorf und der Papageiensiedlung mithilfe der Mittel aus der Hauszinssteuer die ikonischen Siedlungen des „Neuen Bauens“ errichtete.

In den Jahren vor der Weltwirtschaftskrise konnten in Berlin mithilfe der staatlichen Förderung im Jahresdurchschnitt über 25.000 Wohnungen gebaut werden. Neubauzahlen, die zwar auch damals nicht den damaligen Bedarf deckten, von denen man heute aber weit entfernt ist.

Die Steuer Bis 1924 war der Bau von Wohnungen in Berlin fest in der Hand von privaten Investoren. Vor dem Ersten Weltkrieg war so die Mietskasernenstadt entstanden. Mit der Hauszinssteuer konnten nun auch gemeinwohlorientierte Akteure wie Genossenschaften bauen.

Die Siedlungen Berlin wurde mit seinen Siedlungen zu einem Zentrum des Neuen Bauens. Heute gehören fünf Siedlungen der Weimarer Republik zum Unesco-Welterbe, darunter die Siedlung von Bruno Taut im Schillerpark im Wedding. (wera)

Wäre es also nicht recht und billig, nach diesem Vorbild die Einnahmen aus der Vermietung abzuschöpfen, um dringend benötigte Wohnungen zu bauen? Stefan Bach und Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) hatten bereits 2021 solch einen Vorschlag gemacht.

Bis zu 30 Prozent Mietsteuer hatten sie kalkuliert für Mieten, die oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Steuereinnahmen von zusätzlichen 200 ­Millionen Euro im Jahr könne das für Berlin bedeuten, rechneten sie vor. Vom Mieterverein, einzelnen Stimmen aus der SPD sowie von Grünen und ­Linken erhielten sie dabei Zustimmung.

Dirk Löhr, Steuerexperte von der Uni Trier, ist dagegen skeptisch. „Die Idee, Neubau zu fördern und Immobilien steuerlich mehr zu belasten, ist grundsätzlich nicht schlecht. Der Teufel steckt aber im Detail“, sagte er der taz. Es gebe mehrere rechtliche Hindernisse für solch eine Hauszinssteuer.

Mithilfe der staatlichenFörderung wurden seinerzeit über 25.000 Wohnungen pro Jahr gebaut

Löhr bezweifelt zudem den generellen Effekt. Eine Fördermitteloffensive könnte zwar die Finanzierungskosten für den Neubau senken. „Es besteht dann aber wiederum die Gefahr, dass als Reaktion die Bodenpreise weiter ansteigen“, sagt er. Am Ende bleibe auch die Frage, wer die Steuer wirklich bezahle. „Wenn durch solch eine Steuer bereits bestehender Wohnraum belastet werden würde, dann ist es wahrscheinlich, dass die Kosten, wie es bereits bei der historischen Hauszinssteuer war, auf die Mieter übergewälzt werden.“

Auch in der Weimarer Republik trugen die Altbaumieter am Ende die Last der Steuer durch ihre Miete. Die Hauszinssteuer glich damit eher einem Solidarbeitrag, den die Mieter in günstigen Altbauwohnungen für den öffentlichen Wohnungsneubau leisteten.

Dennoch steht die historische Hauszinssteuer von 1924 für eine Zeit, in der der Staat erstmals den Wohnungsbau als öffentliche Aufgabe anerkannte. Dass solch ein Instrument 100 Jahre später mitunter wieder attraktiv erscheint, liegt vielleicht auch daran, dass so manchen das Gefühl beschleicht, der Staat komme dieser öffentlichen Aufgabe heute nicht mehr angemessen nach.