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: Es kommt nicht auf die Größe an

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will Messer ab einer bestimmten Länge in der Öffentlichkeit verbieten. Doch mit solcher Symbolpolitik bekämpft sie Gewaltkriminalität nicht

So ein Messer dürfte man nicht mehr mitführen Foto: Fo­to:­Mic­he­le Constantini/Photo Alto/getty

Von Klaudia Lagozinski

Nancy Faser möchte es kürzer: Bald sollen in der Öffentlichkeit mitgeführte Messer nur noch eine Klingenlänge von sechs Zentimetern haben dürfen und nicht mehr zwölf. Für Springmesser, bei denen die Klinge auf Knopfdruck oder durch Schieben hervorschnellt, soll es laut der SPD-Bundesinnenministerin ein „generelles Umgangsverbot“ geben. Gesetzesvorschläge will sie bald vorlegen, heißt es.

Dabei zeigt sich Faeser aber realitätsblind, denn: Wer andere verletzen will, wird weiterhin Wege finden, das zu tun – mit einem Hammer, Schraubenzieher oder Flaschenhals zum Beispiel. Oder mit einem kleineren Messer. Faeser fördert damit nicht die Sicherheit, vielmehr betreibt sie mit ihrem Vorstoß Scheinpolitik, statt Probleme zu lösen. Und sorgt möglicherweise sogar dafür, dass Menschen AfD-Aussagen gegen Migration und Weidel’schen Narrativen von „Messermännern“ verfallen.

Messerstechereien sind kein neues Phänomen. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Polizei fast 9.000 Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung, bei der Messer zum Einsatz kamen – 800 mehr als im Vorjahr.

Gewaltforscher Prof. Dr. Dirk Bauer sagte in der Sendung „SWR1 Leute“, dass er einen „Trend zur Messerbewaffnung“ bei männlichen Jugendlichen wahrnehme – deutschen und nichtdeutschen. „Manche jungen Menschen, die sportlich vielleicht nicht viel erreichen, die schulisch nicht viel erreichen, die suchen nach einer Identität“, sagte er. Dass junge Menschen in der Postpandemiezeit in einer von Kriegen und Inflation geprägten Zeit nach Identität suchen, ist nachvollziehbar. Und auch wenn es gewalttätiges Verhalten nicht entschuldigt, ist es wahrscheinlich, dass einige diese unsichere Identitätskrise nicht aushalten.

Vor allem ein Fall rückt aber die Messerdebatte wieder in den Fokus: Spätestens, als der Polizist Rouven L. im Juni in Mannheim von einem 25-jährigen Täter, der zuvor auf Passanten losging, niedergestochen wurde und infolge seiner Verletzungen starb, diskutieren alle politischen Lager darüber, wie Gewaltkriminalität in Deutschland reduziert werden könnte.

Gut so. Aber Faesers Vorschlag löst nicht die Frage der Gewalt, sondern deklariert nur einige Gegenstände als verboten. Das Messer, mit dem der Täter in Mannheim den Polizisten tötete, wäre schon laut bisher geltendem Gesetz verboten gewesen. Das gilt für viele andere Messerangriffe auch.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte außerdem an Faesers Vorhaben, dass bisher ein konkreter Verdachtsfall nötig sei, um zu prüfen, ob jemand ein verbotenes Messer mit sich führt. Selbst wenn das Waffenrecht also verschärft würde, hieße das nicht, dass sich die Kontrollbefugnisse der Polizei damit ausweiten würden.

Fakt ist: Wer Gewalt ausübt, weil er traumatisiert, wütend, aggressiv, frustriert, hoffnungslos oder einfach nur gelangweilt ist, wird das auch ohne Messer tun. Niedrigschwellige psychologische Angebote wären deshalb die bessere Option. Ebenso wie Kurse zu gewaltfreier Kommunikation an Schulen.

Ein weiterer Schritt wäre, genauer zu erfassen, wer die Täter sind und was sie gemein haben. Damit ist nicht gemeint, woher sie oder ihre Eltern herkommen, wo sie geboren sind. Sondern welche Erfahrungen die Täter in der Vergangenheit gemacht haben: Mit welchen sozialen und finanziellen Möglichkeiten sind sie aufgewachsen?

Stattdessen kommt es Nancy Faeser offenbar nur auf die Länge an. Und mit einer Verschärfung des Waffenrechts versucht sie, ein weitreichendes Problem mit einer einfachen Lösung abzuspeisen.