Neustart in Katalonien: Zum Glück raus aus der Sackgasse
Carles Puigdemont verzichtet auf den großen Auftritt im Parlament – gut so. Jetzt können sich beide Seiten auf den Weg nach vorn konzentrieren.
E s war ein Tag voller Widersprüche, der in die Geschichte Kataloniens und auch Spaniens eingehen dürfte. Der von Madrid 2017 abgesetzte Präsident der katalanischen Autonomieregierung, Carles Puigdemont, kehrt nach knapp sieben Jahren im Exil zurück, redet vor Tausenden Anhängern in der Innenstadt Barcelonas und verschwindet, bevor er verhaftet werden kann.
Das Autonomieparlament macht in den Stunden darauf den Sozialisten Salvador Illa, der für den Verbleib bei Spanien eintritt, zum neuen Präsidenten – und das mit den Stimmen eines Teils der Unabhängigkeitsbewegung.
Katalonien lässt den Versuch, sich von Spanien loszulösen, hinter sich. Alle haben dazu beigetragen: die in Madrid regierenden Sozialisten unter Ministerpräsident Pedro Sánchez mit einer Amnestie für die Unabhängigkeitsaktivisten von 2017, aber auch die beiden Unabhängigkeitsparteien Republikanische Linke Kataloniens und Puigdemonts Gemeinsam für Katalonien. Puigdemont verzichtete klugerweise darauf, die Wahl von Illa durch seine Anwesenheit zu durchkreuzen.
Es ist ein sensibler Neuanfang. Noch ist die Amnestie nicht für alle umgesetzt. Manche Richter versuchen mit allerlei juristischen Winkelzügen, die Straffreiheit unter anderem für Puigdemont zu verhindern. Der katalanische Politiker dürfte sicher verhaftet werden, wenn er der Polizei noch in die Fänge geht. Es liegt dann am Verfassungsgericht, der Amnestie zum Durchbruch zu verhelfen.
Die Regierung in Madrid ist in einer schwierigen Lage. Sie regiert per Minderheitsregierung dank der Unterstützung baskischer und katalanischer Unabhängigkeitsparteien. Nur so konnte in Madrid eine Regierung der Rechten zusammen mit Rechtsextremen verhindert werden. Auch der neue katalanische Präsident Illa hat jetzt einen Teil der Unabhängigkeitsbewegung eingebunden. Er hat mit der Republikanischen Linken Kataloniens ein neues Finanzierungsmodell für Katalonien ausgehandelt, das dem, was die Basken seit Jahrzehnten haben, sehr nahe kommen wird.
Gegenseitige Abhängigkeiten
Viele andere Regionen laufen dagegen Sturm. Sie befürchten, dass sie weniger Zuwendungen vom Zentralstaat bekommen, wenn dieser nicht mehr über die Gelder aus dem reichen Katalonien verfügt.
Die Beziehungen Zentralspaniens und Kataloniens beruhen auf gegenseitigen politischen Abhängigkeiten. Das sieht auf den ersten Blick fragil aus, zeigt aber, dass nur gemeinsam ein Weg nach vorn möglich ist. Starre Haltungen und Repression gegen unliebsame Politiker auf der einen und einseitige Maximalforderungen auf der anderen Seite führten in eine Sackgasse, bei der alle nur verloren. So sehen wohl Epochenwechsel aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen