Gebrauchtmöbel für die Polizei: Korruption für Anfänger
Clickbait in der Lokalzeitung: Die arme Polizei, der nette Unternehmer von nebenan und was das Ganze mit Korruption zu tun hat.
V ielleicht sollte ich mich lieber nicht als Medienkritikerin aufspielen, Sie wissen schon, Glashaus, Steine und so, aberrrrr … diesen Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung fand ich wirklich irritierend. „Marode Dienstgebäude: Warum die Polizei Hannover geschenkte Möbel trotzdem nicht annimmt“ stand da.
Darunter im Foto ein lokaler Unternehmer, dessen Namen ich hier jetzt mal weglasse, vor einer Reihe von Kartons, Bürostühlen und halb demontierten Tischen, der theatralisch ratlos guckt und die Arme hebt wie dieses eine WhatsApp-Emoji.
Der Text steigt ein mit der Passage: „Schimmel in den Duschen, undichte Fenster, Risse in den Wänden, Legionellen in den Wasserleitungen, Ungeziefer und defektes Inventar – die niedersächsische Polizei muss oft in maroden Dienstgebäuden arbeiten.“
Und schildert dann, dass der Unternehmer, der einen Standort aufgibt, der Polizei hochwertige, noch fast neue Büromöbel stiften wollte, die das aber nicht annehmen darf – wegen irgendeiner Korruptionsrichtlinie.
Es braucht nicht immer einen dicken Geldumschlag
Nun stellt sich hier ja gleich als Erstes einmal die Frage: Was genau helfen neue Büromöbel eigentlich gegen marode Gebäude? Kann man Schimmel, Gammel, Legionellen und Ungeziefer vielleicht besser ertragen, wenn man dabei wenigstens auf „ergonomischen Bürostühlen“ an „höhenverstellbaren Schreibtischen“ sitzt? Nee, macht aber nichts.
Man lässt den Unternehmer gern noch erzählen, wie nett und zuvorkommend die Beamten beim letzten Büroeinbruch gewesen seien und wie leid ihm das tue, wenn die unter so schlechten Bedingungen arbeiten müssten. (Dass er möglicherweise auch ein Interesse daran hat, das Zeug ohne viel Aufwand loszuwerden, lassen wir an dieser Stelle mal diskret unter den Bürotisch fallen.)
Was mich aber wirklich reizt, ist die Art und Weise, wie dem die Antikorruptionsrichtlinie gegenübergestellt wird. Alles möglichst in Anführungszeichen und Bürokratensprech – äh, bäh, völlig unverständlich, so ein Quatsch, wer hat sich das denn ausgedacht.
Was ich daran so irre finde: Das total naive Verständnis davon, was Korruption ist und wie sie funktioniert. Hier zählt anscheinend nur Bestechung im engeren Sinn: Wenn ein dicker Geldumschlag rübergeschoben wird und der Beamte auf der anderen Seite des Schreibtisches dann einen Stempel hinmacht, wo eigentlich keiner hingehört.
Im Alltag funktioniert Korruption aber meist anders. Man pflegt erst den netten Kontakt, zahlt ein auf das Freundschaftskonto – und fängt dann an, Gefälligkeiten einzufordern, die mit der Zeit immer größer werden. Mafia-Organisationen beherrschen diese Methodik perfekt.
Natürlich will ich dem Herrn hier auf gar keinen Fall so finstere Absichten unterstellen. Aber man kann so Spielregeln doch nicht einfach aufheben, weil der hier bestimmt ein ganz netter und anständiger Kerl ist.
Kleine Gefälligkeiten erhalten die Freundschaft
Ist es wirklich so total unwahrscheinlich, dass der spendierfreudige Unternehmer beim nächsten Einsatz noch zuvorkommender behandelt wird, bei der nächsten Kontrolle mit zugedrückten Augen rechnen kann oder vielleicht auch einmal die ein oder andere kleine harmlose Information aus dem Polizeicomputer erhält, wenn er darum bittet? Auch das ist Korruption.
Ich finde es richtig, wenn Beamte nicht einfach so Geschenke im Wert von mehreren tausend Euro annehmen dürfen. Für die Ausstattung von Dienstgebäuden und die Schaffung vernünftiger Arbeitsbedingungen ist nun mal der Staat zuständig, alles andere schafft bloß weitere Ungleichheit – es hat ja schließlich nicht jedes Revier spendierfreudige Unternehmer in der Nachbarschaft.
Was ich aber richtig schwierig finde: Wenn Zeitungen sich das so leicht zu eigen machen, wenn irgendwo irgendjemand empört schnauft. Auch wenn das bestimmt gut klickt. Aber Sie wissen schon: Glashaus, Steine.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen